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Von Freaks und Langweilern

“Keine singende Anwaltskanzlei. Sondern zwei Junge Freaks aus Hamburg”, so beginnt die Biographie von Jansen und Kowalski. Und so komisch ein Dementi am Anfang einer Presserklärung auch rüber kommt, verkehrt ist es bei den beiden Musikern aus Hamburg nicht. Denn genau zwischen diesen beiden Polen bewegen sie sich. Mal glatt und verbraucht, mal durchgeknallt und frisch. Sowohl die Musik als auch das Auftreten passt ins Schema. Ein Leben zwischen “Ich will Action” (‘Action (ja, ja, ja!)’) und “man liegt allein im Bett” (‘Nachtlied’). Manifestiert auf dem einseitig betitelten Debüt-Album ‘Action’. Aber fangen wir ganz vorne an.

Aram Pirmoradi und Florian Pfeifle heißen die beiden Jungs aus dem Hamburger Vorort Bergedorf. Seit Mitte der Neunziger waren sie Mitglied der Schülerband Kinsky. Unter dem Motto “Porno-Tanz-Musik” zogen sie mit ihren Kollegen durch Hamburgs Clubs und spielten sich die Finger wund. “Zu der Zeit haben wir unheimlich viele Gigs gespielt”, erinnert sich Kowalski. Doch so richtiger Erfolg wollte nie eintreten. Nach und nach verließen Mitglieder die Band. “Am Ende waren wir dann nur noch zu dritt”, erzählt Jansen. So kam es, dass ein neues Studio, ein Computer und ein HipHop-DJ Jansen und Kowalski dazu veranlasste, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen. “Als wir uns 2001 einen Computer gekauft haben und in unser neues Studio in Hamburg-City gezogen sind, ging es gar nicht darum, Beats direkt mit dem PC zu produzieren. Eigentlich wollten wir nur unsere Aufnahmemöglichkeiten verbessern. Wir haben aber schnell gemerkt was für neue Möglichkeiten das Ding bietet. Endlich waren wir musikalisch nicht mehr so limitiert”, erzählt Kowalski. “Ja, bei Live-Musik muss immer alles genau sitzen. Mit dem PC kann man den Basslauf so lange bearbeiten, bis er sich genau so anhört wie man will”, ergänzt Jansen. Neben diesen Vorteilen wurden die beiden mehr und mehr auf die HipHop-Bewegung aufmerksam. “Wir haben durch die Jungs von Deichkind, mit denen wir uns einen Proberaum geteilt haben, schon früh von der HipHop-Bewegung Notiz genommen. Aber erst als ich den DJ Mr. Soße kennen gelernt habe und er mir gezeigt hat, wie man HipHop-Beats produziert, sind wir selbst auf dem Film hängen geblieben“, erklärt  Jansen. “Rap hat uns nie gelegen, deshalb habe ich einfach über die Beats gesungen. Seitdem machen wir Hip-No-Rap”, meint Kowalski. Als dann schließlich der Schlagzeuger die Band verließ, um zu studieren, war die Sache klar. Ganz einfach. Bandname gleich Mitglieder. “Jansen und Kowalski” war geboren.

“Ich will Action, auf die Kacke hauen”

Zwei Jahre produzieren und sich in ihrem Studio, das gleichzeitig ihre Wohnung ist, einleben – das brauchten Jansen und Kowalski um richtig durchzustarten. 2004 Vorband von 2raumwohnung und Seeed, 2005 zu Gast bei Kuttner, Auftritt mit ihrer Single ‘Mamacita’ bei Stefan Raabs Bundesvisions Contest und jetzt schließlich der Album-Release, mit dem gleichzeitig die dritte Single ‘Wie Geil Ist Das Denn? (Dicke Anbiete)’ featuring keinem geringerem als DAS BO auf den Markt kommt. Man merkt: Die Jungs haben sich was vorgenommen. Dies spiegeln auch sind ihre Songs wider. Der Großteil des Albums ist auf Partykracher angelegt. Lieder wie ‘Action (ja, ja, ja!)’, ‘Wie Geil Ist Das Denn? (Dicke Anbiete)’, ‘Cool’ und ‘Kaputt’, beide mit Philep von Deichkind, könnten in der Jiggy-Disco laufen, wenn die Balance zwischen ruckartigen Breaks und simplen Pop-Melodien einmal ausgewogen wäre.

Kowalski dazu: “Direkt für den Club produziert haben wir nie. Das geht mit deutschsprachigen Songs auch gar nicht. Denn die werden nicht gespielt. Auch deutscher HipHop läuft nicht in HipHop-Clubs. Deshalb war das ganze Partyding auch eher so ein Lifestyle als wir aus dem Vorort in die Großstadt gezogen sind. Die neueren Stücke auf der Platte sind dann auch nachdenklich geworden.” Mit den neueren Stücken meint Kowalski das ‘Taglied’, das ‘Nachtlied’, ‘Liebe Und Zeit’ und ‘Du Und Ich’. Hört man diese Stücke, weiß man wieder, warum am Anfang der Presseerklärung ein Dementi steht. Da sind die sie wieder, die beiden unvereinbaren Pole. Da spricht Kowalski beim ‘Nachtlied’ in abgefreakter Klaus Kinky-Manier über Klaviergeklimper, um sofort darauf beim ‘Taglied’ Texte wie “Ich sing mein Lied für die Sonne, ich weiß dass sie mich hört” über einen simplen Pop-Beat zu singen. Da kann man einerseits den House-Remix von ‘Action (ja, ja, ja!)’ in Untergrundclubs zu Ohren bekommen und andererseits ‘Mamacita’ im Radio hören. Da fragt man sich doch: Was wollen die beiden eigentlich? Die Antwort geben sie selber. “Einfach nur Musik machen, mehr nicht.”

Text: Phillip Wilke

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