Nathan Williams aka Wavves, hat mit “King Of The Beach” das “Nevermind” der Lo-Fi-Bewegung geschaffen und zeigt im motor.de-Interview, dass er etwas anders tickt.


Genie und Wahnsinn

Dass Genie und Wahnsinn dicht bei einander liegen können, ist ja mittlerweile eine populäre These. Bereits Aristoteles wusste, das Genie bewegt sich zwangsläufig in der Nachbarschaft des Wahnsinns und die Harvard-Professorin Shelley Carson hat dies kürzlich bestätigt, nach dem sie die Arbeitsweise von Gehirnen besonders kreativer Menschen untersuchte und dabei große Gemeinsamkeiten mit denen schizophrener Menschen entdeckte. Nimmt man beide Begriffe in abgeschwächter Form, so lässt sich auch das Wesen von Wavves-Mastermind Nathan Williams ziemlich treffend beschreiben. Sicher ist er kein neuer John Lennon und lange nicht so durchgeknallt wie etwa Charles Manson – Gott bewahre – jedoch haben ja auch Koryphäen wie Klaus Kinski bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass Künstler nicht immer die aufgeräumtesten Typen sind. Während Kinski aber seine Weirdness auf expressive Weise auslebte, wirkt Williams trotz seiner pubertären Eskapaden häufig unsicher, fast wie jemand, der auf der Suche nach sich selbst ist.

Dies gipfelte in den Katastrophen-Auftritt in Barcelona, Ende Mai letzten Jahres, auf dem er zunächst das spanische Publikum beleidigte, welches als Reaktion Flaschen auf die Band warf und sich dann ein Handgemenge mit den eigenen Kollegen lieferte. Am nächsten Tag entschuldigte er sich für die Vorfälle und gestand seine Alkoholsucht ein. Williams ist aber auch Kopf der Kopf hinter dem Projekt Wavves, unter welchem Pseudonym er in den vergangenen Jahren bereits zwei selbstbetitelte Alben veröffentlicht hat, die beide am eigenen Laptop aufgenommen wurden und für einen ordentlichen Hype um den jungen Mann aus dem kalifornischen San Diego sorgten. Mittlerweile ist eine ganze Lo-Fi-/Surf-Rock-Bewegung entstanden, und diese braucht selbstverständlich auch ein Aushängeschild.

Gras und Burritos

Ob Nathan Williams dieser Rolle gewachsen ist, ob er sie überhaupt möchte, ist jedoch zu bezweifeln. Einerseits hätte er noch vor zwei Jahren wohl kaum daran gedacht, was für eine Dynamik die Lo-Fi-/Surf-Szene entfalten würde, andererseits dient er nicht wirklich als Role-Model. Man hat eher den Eindruck, als würde er noch immer am liebsten mit seinen Homies in Kalifornien abhängen, Unmengen von Gras rauchen und sich von Burritos ernähren.

Das “Nevermind” des Surf-Punks

Lässt man aber einmal von den Versuchen ab, ihn zu ikonisieren, ist da immer noch der Musiker Nathan Williams. Und der hat mit „King Of The Beach“ ein wunderbar eingängiges Surf-Punk-Album geschaffen, dass als perfekter Soundtrack für den Sommer herhalten kann. Der Titeltrack, „Super Soaker“ und „Idiot“ erinnern entfernt an die Vines und schaffen dabei den Spagat zwischen poppig-melodiös und rotzig-punkig. Nach dem eher psychedelisch angehauchten „When Will You Come“, gilt dies auch für die erste Single „Post Acid“. „Take On The World“ hätte dagegen auch prima in die Grunge-Ära der frühen Neunziger gepasst. Und an dieser Stelle werden die Parallelen zwischen Nathan Williams und Kurt Kobain offensichtlich. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass Wavves musikhistorisch einmal ähnlich bedeutsam werden wie Nirvana – dafür ist die Surf-Rock-Szene im Gegensatz zum Grunge Anfang der 90er Jahre auch noch ein beträchtliches Stück zu weit entfernt vom Mainstream – jedoch kann „King Of The Beach“ durchaus als Aushängeschild für das gesamte Genre gesehen werden und wie Williams, fühlte sich auch Kurt Cobain bekanntlich nie Wohl in der Rolle der Ikone, zu der er gemacht wurde. Zum Glück richtet momentan lediglich die Indie-Community ihre Aufmerksamkeit auf Wavves, während sich zu Nevermind-Zeiten nahezu jeder mit Nirvana identifizieren konnte. Mit den bekannten Folgen.

Einen Eindruck von Nathan Williams und seinen Mitstreitern erhält man im motor.de-Interview. Wir trafen die Jungs vor ihrer Show in Leipzig:

motor.de: Ihr kommt gerade aus Amsterdam…

Nathan: Ja, wir haben dort den WuTang-Clan supported. Im Paradiso.

Brian: Aber wir rauchen kein Gras, das ist für Kinder.

motor.de: Habt ihr schon von der Beach Boys-Reunion gehört?

N: Ja, davon habe ich gehört. Wir würden sie uns auch auf jeden Fall anhören.

motor.de: Habt ihr es eigentlich langsam satt, in die Surf-Schublade gesteckt zu werden?

N: Das kann man nicht beeinflussen. Ich bin nicht wütend, wenn wir da rein gesteckt werden.

Steve: Wenn die Leute uns mit den Beach Boys vergleichen, reden sie eh nur über unsere Stimmen.

N: Unsere hell klingenden Stimmen…

motor.de: Euer Album erscheint mitten im Hochsommer. Habt ihr das so geplant?

N: Nein, das liegt einfach am Zeitpunkt, an dem wir es aufgenommen haben.

B:
Ich habe Nathan mit einem Toilettensitz gewürgt und alles was er gesagt hat war: „Das Album muss im Sommer erscheinen.“

S: Das Album hört sich sowieso eher nach 2015 an, als nach 2010. Es sollte erst dann erscheinen…

M: Ist es reiner Zufall, dass das Drums-Album im Juni, ihr im Juli und Best Coast im August veröffentlichen?

N: Wir haben eine Konferenz eingeleitet. Außerdem sind Best Coast kein Lo/Fi. Wen hast du da noch genannt? The Doors? Ich glaube die sind Rap.

Wavves – No Hope Kids


M: Nathan, deine Lyrics schwanken zwischen Hybris und Hoffnungslosigkeit. Viele verbinden mit dir die “Mid-Twenty-Crisis”. Was ist dran?

S: Er ist 16. Er kann nicht in der “Mittzwanziger-Krise” sein.

N: Meine Lyrics werden von einem Typen geschrieben, L.A. Reed heißt er.

B: Ich glaube, wenn man sich selbst in Frage stellt, kann das in jedem Alter passieren. So ein Selbsthass kann über dich kommen wenn du 14 aber auch erst wenn du 50 bist.

M: Du bist ein ziemlich direkter Songwriter – „I’m a hero in my mind, I won’t ever die.” Magst du keine Metaphern?

N: Im selben Song sage ich aber auch, dass ich ein Idiot bin.

B: Sie hat gefragt, wieso du nicht mehr Metaphern benutzt?

N: Hat sie nicht gesagt, dass es ziemlich metaphernreich ist?

B: Nein.

N: Oh.

S: Ich weiß gar nicht, was Metaphern sind.

B: Das ist, wenn ein Ding ein Ding ist.

motor.de:
Das ist, wenn du etwas versuchst etwas zu beschreiben ohne das Wort an sich zu benutzen.

B: Diesen Keks kannst du zum Beispiel Keks nennen. Oder du nennst ihn einen Traum. Denn das wertet den Keks auf.

N: Metaphern sind Lügen.

B: Genau, denn dadurch tut man so, als wenn deine Frau und die Dinge, die dich umgeben, in Wirklichkeit interessant sind. Aber das sind sie nicht.

S: Okay. Also, wie viele Gläser haben wir hier? (zeigt auf die Gläser auf dem Tisch)

B: Das ist so, wie wenn man von einem Cabrio gefüllt mit Ballons redet und eigentlch Mickey Mouse meint. Den Comic.

Tweet der Wavves nach ihrer Leipzig-Show

motor.de: Was trifft denn eher auf dich zu. Hybris oder Hoffnungslosigkeit?

N: Die meisten Songs beschreiben einfach eine bestimmte Situation, in der ich gerade war. An einigen Tagen fühle ich mich gut und an anderen schlecht.

B: Manchmal fühlt sich Nathan “Mid-Twenty”, manchmal fühlt er sich 1965 und manchmal ist er ein kleines Baby, das nicht aufhören kann zu heulen.

N: Ich glaube ich bin ein Nerd, wenn du das wissen willst.

motor.de: Wer war für das Artwork des Albums zuständig?

N
: Das hat Brians Freundin gemacht. Die Kette ist das Zeichen der Illuminati. Reiche Leute, die das Geld der Welt gestohlen haben – eine Geheimorganisation.

motor.de: Das letzte Album hast du noch in der Garage deiner Eltern aufgenommen. Und jetzt warst du in einem großen Studio. Warst du…

N: Nervös?

M: Ich dachte eher interessiert daran, die ganzen Sounds auszuprobieren?

N: Ich war tatsächlich nervös, deswegen dachte ich, dass du das fragen würdest. Man kann schon mehr machen mit einem Produzenten.

motor.de: Aber ihr seid weiterhin Lo-Fi geblieben…

N: Es ist trotzdem fett produziert.

motor.de: Brian, Steven, habt ihr am Songwriting-Prozess mitgewirkt?

B: Beim letzten Album hatte Nathan schon alle Songs geschrieben.  Für die nächsten Platten wird er mich alle Songs schreiben lassen. Zur Zeit kriegt er nämlich all das Geld.

N: Und das ist nur fair, denn ich sehe am Besten aus.

B: Nathan hat den Look, Steven die Muskeln und ich…

Wavves – Super Soaker (Live)



motor.de: Du hast einmal gesagt, „King Of The Beach“ wäre dein „Nevermind“.

N: Damit meinte ich, dass es so groß werden soll. Also eine große Produktion.

M: Du willst also nicht so einflussreich werden wie Kurt Cobain?

N: Ich mag ihn.

motor.de: Hast du irgendwelche CDs, die, sagen wir, nicht so cool sind? CDs, die du vor deinen Freunden verstecken würdest?

B: Es gibt auch Leute, die sagen würden, Nirvana seien uncool und sie wären Arschlöcher.

motor.de: Ich meine sogenannte „Guilty Pleasures“.

N: Sowas habe ich nicht. Ich höre nichts wie Lightwagon, Beetlebarkers oder Miley Cirus.

B: Viele sagen auch, dass Usher scheiße ist.

motor.de: Glaubst du, dass deine Songs auch in Europa wirken? Das Ganze fängt ja schon ziemlich diese California-Stimmung ein?

N: Ich glaube schon, auf jeder Show hier sind Leute, die alle unsere Texte mitsingen können.

S: Sind die Beach Boys groß in Deutschland?

Text: Thomas Kasperski

Interview: Laura Gertken

VÖ: 30.07.2010

Label: Bella Union

Tracklist:

01. King Of The Beach
02. Super Soaker
03. Idiot
04. When Will You Come?
05. Post Acid
06. Take On The World
07. Baseball Cards
08. Convertible Balloon
09. Green Eyes
10. Mickey Mouse
11. Linus Spacehead
12. Baby Say Goodbye