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Vorschuss ohne Plattenvertrag: Crowdfunding-Portale sollen eine Alternative zum herkömmlichen Label sein.
“How you sell Soul to a soulless People who sold their Soul” – ein Schelm, wer sich beim Titel ihres letzten Albums etwas denkt!
Neu ist die Idee nicht: Warum sollte man sich als Musiker an ein Label binden, das aus Sicht vieler auch vor den großen Krisenzeiten mindestens immer auch ein bisschen böse war, weil es vom Kuchen des Erfolgs meist ein ordentliches Stück abhaben wollte? Wenn man denn überhaupt schaffte, einen Plattenvertrag zu bekommen. Allerdings war der früher nahezu unumgänglich, garantierte doch nur er den „Vorschuss“, eine im Idealfall erhebliche Summe, die der Finanzierung der Produktion eines neuen Albums diente und – nicht selten – der Sicherung einer in Musikerkreisen akzeptablen Lebensqualität, ohne auch nur eine Platte verkauft zu haben. Aus Sicht der Plattenfirma war das ein Risikoinvestment, das sich bei Gespür und Glück vielleicht vielfach auszahlte. Jetzt allerdings sind die Zeiten schlecht, das Prinzip Plattenlabel wankt und die Bereitschaft zum Risiko ist ebenso drastisch gesunken wie die Anzahl der beschäftigen A&Rs, deren Spürnasen-Kompetenz naturgemäß fehlt. Und nun?
Die altgedienten Progrocker Marillion hatten es 2001 vorgemacht, als sie sich erst mit über 12.000 Vorbestellungen im Rücken an die Aufnahmen zu „Anoraknophobia“ machten und sich gleich darauf auch noch eine US-Tour von ihren Fans vorfinanzieren ließen. Für Aufsehen sorgten ein wenig später auch die Einstürzenden Neubauten, die 2.000 sogenannten Supportern eine exklusive CD und Studioeinblicke per Web gewährten – für 35 Dollar. Mit deutlich kleineren Brötchen hantierte die nur in Deutschland einigermaßen relevante Indieband Angelika Express 2008, deren immerhin 50 Euro teure 500 „Angelika Aktien“ am geplanten Album „Goldener Trash“ im Handumdrehen „überzeichnet“ waren. Der Deal: 80 Prozent der Einnahmen am Album würde an die Anteilseigner gehen.
In den Achtzigern ging es auch noch ohne “Supporter”, damals reichten Fans: Einstürzende Nebauten.
Gemein hatten all diese Aktionen, dass sie an den herkömmlichen Branchenstrukturen ebenso wie an den privaten Spareinlagen vorbei für eine Finanzierung ihrer Musik sorgten – und überdies eine Menge medialer Aufmerksamkeit erhaschten. „Crowdfunding“ heißt so etwas im Business-Slang und ist eines der händeringend gesuchten Modelle, von denen man sich wieder einen Geldfluss in – mehr oder weniger – neue Musik verspricht. Die entsprechenden Start-Ups schossen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden: „Slice The Pie“, „For My Band“, „My Major Company“, „Pledge Music“, „Sell Your Rights“, „AKAmusic“, „Kickstarter“, „Bandstocks“ und vor allem „SellaBand“. Das 2006 in den Niederlanden gestartete Portal sorgte schnell für gehöriges Aufsehen, expandierte in die Staaten und auch nach Deutschland und gilt als Modell, an dem sich alle Konkurrenten messen lassen müssen. Das Ursprungs-Prinzip klingt so simpel wie überzeugend: Verkauft eine Band genügend „Parts“– in der Regel kosten die zehn Dollar – an ihre „Believer“ und erreicht so die 25.000-Dollar-Marke, organisiert SellaBand die Albumproduktion.
Also alles gut mit dem „Fans helfen Künstler“-Prinzip? Nein. Denn – man ahnt es schon – wo es zuvörderst um Geld geht, ist der gemeine Musikfan nicht unbedingt richtig am Platz. „Wie kann ich als Believer auf SellaBand Geld verdienen?“ ist die offensiv gestellte Frage bei SellaBand und die Antwort klingt nicht von ungefähr nach New-Economy-Sprechblase: „Sobald ein Artist mit einem angebotenem Revenue Share seinen Plan bzw. sein Projekt umgesetzt hat, wird der anfallende Revenue proportional zwischen Artist und Believern aufgeteilt. Manche Artists bieten zusätzlich einen Share an den Publishing-Einnahmen.“ Man muss das nicht wirklich verstehen, um ein eher nicht so gutes Gefühl zu haben. Wer im Kleingedruckten gräbt, kann sich darüber hinaus auch über Rechtevergabe, den Leistungskatalog der Firma oder deren Mitteleffizienz wundern. Erfolg ließe derlei Kritik indes als kleinkrämerisch erscheinen. 3.600 registrierte Künstler und drei Millionen von Fans eingesammelte Dollar scheinen eine andere Sprache zu sprechen.
Würden Sie dieser Band eine Aktie abkaufen? Weit mehr als 500 haben Angelika Express vertraut.
Aber die eigentliche Bilanz ist ernüchternd: Gerade mal 34 Alben wurden bisher tatsächlich produziert. Bedenkt man, dass ein Finanzinvestor 2008 obendrein nochmal fünf Millionen Dollar in die Firma investierte, ergibt das eine Effizienzquote, die selbst ein äußerst mittelmäßig arbeitendes Label mit Grausen erfüllt. Die allermeisten Bands bleiben bis heute aussichtslos hinter den angepeilten Einnahmen zurück, obwohl die eingangs starren Zielregeln drastisch gelockert wurden. Den größten Flop landeten ausgerechnet die größten Stars des Portals. Die HipHop-Althelden Public Enemy versprachen sich vor einem dreiviertel Jahr mal eben lockere 250.000 Dollar – aktuell stehen sie bei nicht mal 60.000, was immer noch nicht für das peinlich reduzierte Ziel von 75.000 reicht. Viel Bewegung dahin ist auch nicht mehr zu erkennen. Anfang des Jahres ging SellaBand dann gar in die Insolvenz, bevor ein Münchner Unternehmer den Laden übernahm und seitdem ohne erkennbaren Fortschritt weiterführt.
Schaut man sich die Konkurrenz an, hat man nicht das Gefühl, dass SellaBand ein Ausreißer nach unten ist. Ein Großteil der Seiten vegetiert vor sich hin, überzeugende Acts lassen sich mit der Lupe suchen, in Plattenverkäufen zählbare Erfolge kann praktisch niemand vorzeigen. Ein Ersatz für das klassische Label-Modell ist keines von ihnen. Gelohnt hat sich der Versuch eigentlich nur für eine Handvoll Vorzeige-Künstler, kaum jedoch für die eigentlichen Finanziers, die Fans. Bei Angelika Express sah das noch ein bisschen anders aus: Für eine Aktie bekam man letztendlich das Album, die EP, einen Platz auf der Konzert-Gästeliste und sogar 21 Euro Gewinnausschüttung. Wenn man es denn ausrechnen mag, zwar ein Nullsummen-Spiel – aber um Geld ging es ja sowieso nicht. Man zählte einfach zu den Guten. Und das ist natürlich unbezahlbar.
Augsburg
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