Wer hat eigentlich mal behauptet, dass Filme seichte Unterhaltung seien? Leichtgewichtige Ablenkung, gerade in den Sommermonaten und vor allem, wenn sie aus Hollywood kommen? Dem ist nämlich gar nicht so. In dieser Woche jedenfalls beweisen die neu anlaufenden Filme durch die Bank, dass man sich auch im Kino traut, den Zuschauer mit hochgradig vertrackten Fragen zu konfrontieren.
„Der unglaubliche Hulk“ beispielsweise macht sich Gedanken darüber, was einen Menschen zum Superhelden macht. Dabei geht die Comicverfilmung allerdings einen anderen Weg als „Hancock“, wo die Wahl noch zwischen Schnapsflasche und Rettung der Menschheit bestand. Hier hat der Protagoniste gar keine: mit der Wut kommt auch das zerstörerische Riesenmonster in ihm hoch – und Hauptdarsteller Edward Norton ist vor lauter grünen CGI-Animationen gar nicht mehr zu erkennen. Aber es stellt sich noch eine andere Frage als die nach der Freiwilligkeit des Heldendaseins: warum gilt eigentlich Ang Lees psychlogisch ambitionierte „Hulk“-Version von 2003 als Flop, die Action-lastige Neuauflage von Louis Leterrier aber als Hit? Es sieht nämlich nicht so aus, als würde der 2008er-Film signifikant mehr Geld einspielen als sein Vorgänger…
In „Married Life“ geht es derweil um Komplizierteres. Kann man den Mord an seiner Ehefrau planen – und trotzdem ein guter, liebenswerter Mensch sein? Chris Cooper will jedenfalls seine Geliebte heiraten und der Gattin den Schmerz der Scheidung ersparen. Wirklich fies oder verschlagen wirkt er dabei keinen Moment, weswegen wohl auch sein Umfeld ziemlich relaxt mit diesem Burschen umgeht. Für größere Sorgen ist womöglich aber auch gar keine Zeit, denn in dieser Mischung aus Krimikomödie und Beziehungsdrama geht es in erster Linie darum, sich über die schicken 40er Jahre-Kostüme und –Kulissen zu freuen – und entsprechend elegant seine Zigaretten zu rauchen.
Richtig abgehoben sind die philosophischen Fragen und Überlegungen, denen sich Francis Ford Coppola in „Jugend ohne Jugend“ widmet. Sein erster Film seit zehn Jahren war vermutlich als bewusst komplizierte Abhandlung über Zeit, Sprache und die Unendlichkeit der Liebe gedacht, wurde allerdings eine hanebüchen krude und vor allem sterbenslangweilige Enttäuschung. Selten gab es so viele vielsagend zerbrochene Spiegel, bedeutungsschwangere rote Rosen und Nazi-Huren in Hakenkreuz-Strapsen in einem einzigen Film zu sehen.
Mit Neil Young geht daneben gleich noch ein weiterer legendärer Altmeister an den Start, doch anders als Herr Coppola ist er durchaus in Form. „Crosby, Stills, Nash & Young – Déjà Vu“, den Young auch als Regisseur verantwortete, ist nicht nur Konzertfilm, sondern auch ein politischer Kommentar über amerikanische Kriegspolitik und heimkehrende Soldaten. Ob der Kampf der Musiker, die sich schon in den 70ern an die Front einer friedenssuchenden Bürgerbewegung spielten, heute der gleiche ist wie damals ist die große Frage dieses Films.
Irgendwie sehr deutsch in seiner lebensfrohen, aber gleichzeitig eben doch sehr melancholischen Herangehensweise ist „AlleAlle“, in dem sich die Wege dreier gestrandeter Gestalten – natürlich – in der ostdeutschen Provinz kreuzen. Hat das Leben noch etwas zu bieten, wenn die Gesellschaft einen doch eigentlich schon hat fallen lassen? Ob das wahre Leben eine solche Frage auch so hoffnungsvoll und skurril beantworten würde wie dieser Film mit dem wunderbaren Milan Peschel, ist eine ganz andere Geschichte…
So ist es in dieser Woche also einzig die amerikanische Komödie „Balls of Fury“, die völlig ohne jegliche Form Tiefgründigkeit auskommt. Es ist schlicht und einfach eine vollkommen alberne und prollige Geschichte über Tischtennis, in der sich Christopher Walken wohl einen absolut bekloppten Auftritt gönnt, weil er zur Abwechslung mal nicht nachdenken wollte. Dabei hätte selbst dieser Film das Potential zu einer wirklich wichtigen Frage: wer will so etwas eigentlich gucken?
Text: Patrick Heidmann
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