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Categories: Kinokolumne

Wenn zu viel zu viel ist

Wenn es einen Ort gibt, an dem Übertreibung nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht ist, dann ist das sicherlich das Kino. Von Natur aus ist auf der Leinwand schließlich alles „larger than life“ (außer man hat das Pech und sitzt in einem ebenso uralten wie winzigen Schukarton-Kino), und selbst die Geschichten mit dem größten Glaubwürdigkeitsanspruch sind eben doch immer bloß Fiktion und Hirngespinst. Doch das heißt nicht, dass nicht auch im Kino manchmal weniger mehr ist – und zu viel auch wirklich zu viel sein kann.

In „Wanted“ jedenfalls wird ganz schön dick aufgetragen, und selbst im Action-Genre, wo das Motto „höher, schneller, lauter“ nicht das Verkehrteste ist, ist das nicht zwangsläufig etwas Gutes. Die Liste dessen, was hier zu viel ist, ist lang: Angelina Jolie ist viel zu dürr, James McAvoys kurzfristig aufgepumpte Muskelberge sind zu üppig, die Phantasie des russischen Regisseurs Timur Bekmambetov ist zu albern, für eine ernsthafte Geschichte (siehe: der Webstuhl des Schicksals!), aber zu irrsinnig, als dass man sie so klein halten sollte, wie es letztlich hier geschieht. Außerdem wurde viel zu viel bei anderen Filmen („Matrix“, „Fight Club“, „Minority Report“) geklaut, die eher hektisch als rasante Erzählweise mit ihren unendlichen Schnitten ist allzu atemlos und – wo wir gerade dabei sind – die Gewalt ist eindeutig eine Spur zu brutal (bzw. vermittelt ein bisschen zu viel Spaß am Töten)!

Auch „Winx Club – Das Geheimnis des verlorenen Königreichs“ macht es nicht viel besser. Die Animationen in diesem italienischen Mädchen-Trickfilm sind ein wenig zu lieblos, die Augen der Protagonistinnen – mal wieder – viel zu groß, die Taillen zu dünn und die Synchronstimme von Jeanette Biedermann, die einfach zu reif (und zu sehr nach Telenovela) für ein kleines Elfchen klingt, ist zu präsent. Vor allem ist dieser Film eigentlich kein Film, sondern bestenfalls eine zu lang geratene Folge einer schlechten Fernsehserie bzw. bloß ein Vehikel, dass die Eltern der Zuschauerinnen dazu bringen soll, hässliches Spielzeug und albernes Merchandise zu kaufen.

Wolke Neun – Trailer

Gar nicht zu viel ist dagegen Andreas Dresens „Wolke Neun“. Zwar könnte man angesichts der viel zu vielen Schlagzeilen in den Medien glauben, in diesem bewegenden Liebesdrama ginge es nur um expliziten Greisen-Sex. Doch diese effekthascherischen Pseudo-Skandalsucher trügen: denn erstens gibt’s zwar ungeschönte Bettszenen, aber natürlich keinen echten Sex zu sehen, und zweitens sind Dresens Protagonisten dieses Mal tatsächlich um die 70, aber sprühen trotzdem (oder gerade deswegen?) vor Leben und Leidenschaft. Außerdem geht es hier ohnehin mehr um Entscheidungen, Konsequenzen und Einsamkeit als bloß um die Lust.
Mehr gibt es in dieser Woche auch gar nicht zu sagen, weitere deutschlandweite Neustarts haben die Kinos nicht zu bieten. Das Herbstloch auf der Leinwand hat also endgültig angefangen. Schade eigentlich. Denn wenn jetzt das Wetter schlechter wird, ist das der ungünstigste Zeitpunkt, statt zu viele plötzlich zu wenig neue Filme in die Kinos zu bringen.

Text: Patrick Heidmann

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