Britische Shootingstars auf dem Egotrip: Die White Lies suchen im Sound von Gestern die Musik von Morgen. Ihr Debüt “To Lose My Life” soll aber nicht als Vergangenheitsbewältigung verstanden werden – das Trio will es jetzt einfach wissen und der Konkurrenz den Schneid abkaufen!
“Ich bin kein Rotwein trinkender Melancholiker! Momentan geht alles so schnell, dass eh keine Zeit zur Reflexion bleibt”, erklärt White Lies-Bassist Charles Cave und wehrt sich gegen das allgemeine Schubladendenken. Warum seine Band derzeit als Speespitze britischer Rockmusik gefeiert wird und trotzdem in gewisse Kategorien gestopft wird, kann er nicht verstehen: “Sicherlich benutzen wir das Wort ‚Death’ häufiger als andere Gruppen – weswegen wir aber gleich als depressive Typen hingestellt werden, erscheint mir unlogisch!”
Kurzum: Es besteht Klärungsbedarf.
Vor drei Jahren habt ihr unter dem Namen Fear Of Flying eure Karriere begonnen und konntet schnell erste Erfolge feiern.
Charles Cave: Im Prinzip kannte man uns nur im westlichen Teil Londons. Dort spielten wir fast wöchentlich auf irgendwelchen Parties oder in Vorprogrammen, manchmal sogar kleine Headliner-Gigs. Das Problem war, dass die Leute nicht unbedingt unsere Songs hören wollten, sondern mehr auf die Coverversionen warteten. So was nervt auf Dauer, denn niemand will ein Dienstleister sein!
Habt ihr euch deswegen vor eineinhalb Jahren gegen Fear Of Flying entschieden und die White Lies gegründet?
Charles Cave: Ganz genau. Wir verbrachten mehrere Wochen mit unseren eigenen Songs und schraubten an ihnen herum. Als die Stücke dann fertig waren, entschlossen wir uns keine Cover mehr zu spielen und den Namen Fear Of Flying in White Lies zu ändern. Damit sollten die kommenden Shows unter neuen Vorzeichen stehen!
Die englische Presse mochte die White Lies von Anfang an und lobte euren Wave-Rock in den Himmel. Ihr wurdet sogar als Teil eines “New Movement” gefeiert.
Charles Cave: Als wir letztens mit Glasvegas auf UK-Tour waren, ging mir ein Licht auf: Die Magazine, die uns bis dahin unterstützten, wollten jetzt ihren Gewinn ziehen. Es gab in der Presse plötzlich Stories, die Glasvegas aufforderten ihre Pole-Position auf der Tour zu behaupten. Im Gegensatz dazu, hatte niemand von den besagten Musikern Bock auf Konkurrenzgedanken – weil es halt keine “Düster-Szene” gibt.
Eine gewisse Melancholie kann man “To Lose My Life” nicht absprechen und ähnlich verhält es sich mit dem Glasvegas-Debüt. Wundert es dich, dass die Leute Parallelen sehen?
Charles Cave: (überlegt) Unsere Lyrics sind nicht so hoffnungslos wie sie hingestellt werden. Klar singen wir von Dingen wie Trennungen, Alleinsein oder unerfüllte Liebe. Gleichzeitig gibt es immer Licht am Ende des Tunnels: Ich meine, wir sind Anfang 20 und niemand wird ernsthaft behaupten, dass ein junger Mensch keine Träume haben darf. Genauso verhält es sich mit Glasvegas und jeder anderen neuen Band – was soll also das Gerede von einer “speziellen” Bewegung? Bullshit!
White Lies – To Lose My Life
Und weil Charles Cave im Gegensatz zu seinen beiden White Lies-Kollegen – Sänger Harry McVeigh und Drummer Jack Brown – als ruhiger Zeitgenosse gilt, wollen wir erst gar nicht wissen, wie der Rest der Combo über all das denkt. Eigentlich sollten die Jungs glücklich sein, denn die Kritiken und Verkaufszahlen stimmen, selbst wenn das gewisse Umstände verursacht.
“To Lose My Life” könnte freilich als Fortsetzung vom aktuellen Glasvegas-Erstling verstanden werden. Aber natürlich machen die Londoner einiges anders als ihre schottischen Kumpanen: Die White Lies packen in ihre Songs dicht gedrängte Gitarrenriffs, einen oftmals phlegmatisch wirkenden Gesang und die treibenden Drums werden mit opulenten Keyboards kombiniert. Sicher nicht die Neuerfindung der Popmusik, aber für den Moment mehr als unterhaltsam. “New Movement” hin oder her.
Marcus Willfroth
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