Harry McVeigh von den White Lies über die besondere Leere in Songs, Videodrehs in Russland und das Geheimnis des neuen Produzenten.
Drei Anfangzwanziger aus London mit einem Hang zur großen Geste und einer dunklen Ader nehmen ein Debütalbum mit zehn Songs auf, geben ihnen plakative Namen wie “Death” und “The Price Of Love” und von der BBC bis zu MTV springen alle darauf an. Die Story der White Lies klingt ein bisschen zu straight, um wahr zu sein, doch das Trio hat große Substanz und ihr Album “To Lose My Life…” ist sicher eines der Highlights 2009.
Im Gespräch mit motor.de gibt ein freundlicher, aber müde wirkender Harry McVeigh, Frontmann der Band, Auskunft über den Aufstieg der White Lies – nur beim Namen des Produzenten des neuen Albums verweigert er die Auskunft.
motor.de: Ihr habt eure erste Band mit 15 gegründet. Wieso gerade in diesem Alter?
McVeigh: Es war eigentlich bloß ein Hobby. Wir hatten uns alle gerade Instrumente gekauft, ich eine Gitarre, Charles einen Bass und Jack hat ein Schlagzeug zu Weihnachten bekommen. Also beschlossen wir, zusammen Musik zu machen. Es ist einfach der spaßigere Weg ein Instrument zu lernen als es alleine zu versuchen. Vielleicht war ein Grund auch Langeweile. Einige Bands in England oder ganz Europa gründen sich, weil es nicht viel Anderes zu tun gibt. Wir mussten auch eine Menge Zeit drinnen verbringen, wegen des Regens. [grinst]
motor.de: Der Aufstieg der White Lies schien sich seit letztem Jahr mit Überschallgeschwindigkeit zu vollziehen. Wie lange brauchtet ihr aber wirklich bis zum Erfolg?
McVeigh: Eigentlich liegt der Ausgangspunkt schon in unseren Anfängen. Es dauert eine lange Zeit, bis man weiß wie man sein Instrument spielt, wie man gute Songs schreibt, wie man auftritt und aufnimmt. Die ganzen verschiedenen Aspekte der Musikindustrie. Es dauerte sechs Jahre, bis wir das einigermaßen hinbekamen, und wir lernen immer noch. Ab einem bestimmten Punkt lief es aber ganz gut. Wir haben nicht auf den Erfolg oder eine professionelle Karriere abgezielt.
motor.de: Ihr habt vor kurzem einen Q Award als “Best New Act” gewonnen. Wie wichtig sind euch solche Preise?
McVeigh: Es ist ein Kompliment. Es ist immer schön, von jemandem eine Auszeichnung zu erhalten – besonders von einem der größten Musikmagazine in Großbritannien. Ich denke aber nicht, dass Awards besonders wichtig sind. Man sollte Musik für sich selbst, sein Vergnügen und seinen Stolz machen und nicht, um Preise zu gewinnen.
motor.de: Euer schwarzer Klamottenstil fügt euren Songs noch eine besondere Komponente hinzu. Wie bedeutend ist dieses Visuelle?
McVeigh: In letzter Zeit war es nicht mehr nur Schwarz, sondern insgesamt neutrale Farben. Aber hauptsächlich Schwarz und Weiß. Es ist uns wichtig, einen gewissen Look zu haben, bestimmte Klamotten, die man bei der Arbeit trägt. Es ist doch schön, für das Publikum smart auszusehen, und Schwarz und Weiß sind sehr smarte Farben.
motor.de: Denkst du dir deswegen manchmal, wenn du nach Hause kommst: “Jetzt ziehe ich meine grüne Hose und mein gelbes T-Shirt an”?
McVeigh: Ich besitze gar nicht so viele farbige Klamotten. [lacht] Meine eigenen Sachen sind meist auch schwarz oder weiß.
motor.de: In welchem Ausmaß wird der Sound der White Lies von deiner besonderen Stimme definiert?
McVeigh: Die Stimme ist ein wichtiger Teil jeder Band. Darauf hören die Leute, den Gesang und die Texte. Deswegen ist es ein bedeutender Teil des Sounds. Aber es gibt noch viele andere Dinge, die den White-Lies-Sound ausmachen. Wenn ich einen Song von jemand Anderem singen würde, klänge es nicht wie ein White-Lies-Track.
motor.de: Es gibt aber nicht so viele Bands, die einen Bariton als Sänger haben.
McVeigh: Ich habe zwar eine tiefe Stimme, aber in vielen Songs singe ich relativ hoch. Das fällt aber Vielen gar nicht besonders auf. Es gibt nicht viele Bands – und das ist muss nicht schlecht sein –, die so melodisch sind wie wir. Bei denen der Gesang eine so exponierte Stellung einnimmt. Es gibt viel Leere bei den White Lies. Es gibt viele Momente in unseren Sets und unseren Songs, wo nicht mehr als ein Instrument spielt bzw. den Gesang begleitet – mal ist es ein Keyboard, mal ein Bass. Eine besondere Charakteristik unserer Musik ist diese Leere.
motor.de: Es war also eine bewusste Entscheidung, jedem Instrument genug Platz einzuräumen?
McVeigh: Auf jeden Fall. Beim Aufnahmeprozess ging es mehr darum, Sachen wegzulassen als hinzuzufügen. Wir bauen einen Song auf und entfernen anschließend alles, was nicht unbedingt nötig ist.
motor.de: Die Videos zu euren Songs haben alle eine düstere Atmosphäre. Wie sehr seid ihr in diesen Prozess involviert?
McVeigh: Vieles an unserer Arbeit ist Kollaboration. Wir arbeiten mit den Produzenten unserer Platten zusammen, den Regisseuren unserer Videos, den Leuten, die das Artwork entwickeln. Die Videos entstanden zusammen mit Andreas Nilsson aus Schweden, ein fantastischer Regisseur. Die Bilder, die er geschaffen hat, passen perfekt zu unserer Musik. Es war ein Glück für uns, mit ihm arbeiten zu können.
motor.de: Waren die Aufnahmen für das Video zu “Farewell To The Fairground” sehr hart? Immerhin war es im Winter in Russland…
McVeigh: Es war sehr harte Arbeit. Es war extrem kalt, minus 30 Grad. Der Dreh war aber auch eine besondere Erfahrung, die ich für den Rest meines Lebens nicht vergessen werde. Es war cool, diese Erfahrung zusammen zu machen. Die Leute, die im Video vorkamen, waren auch Menschen, die wirklich dort gelebt und gearbeitet haben. Wir haben keine Schauspieler benutzt. [grinst] Niemand kannte unsere Band dort vorher. Ich würde gerne noch einmal zurückkehren und einen Gig spielen.
motor.de: Erwarten eigentlich viele Leute aufgrund eurer dunklen Texte, dass ihr traurige und morbide Menschen seid?
McVeigh: Ich denke schon. Viele Leute wissen nicht, was sie von uns als Personen erwarten sollen, nachdem sie sich unsere Musik angehört haben. Wir sind aber keine besonders traurigen Menschen – eigentlich macht uns unsere Musik sogar ziemlich glücklich, wir haben einen der aufregendsten Jobs der Welt. [lacht] Es gibt keinen Grund, traurig zu sein.
motor.de: Müsst ihr euch in eine bestimmte Stimmung vor den Konzerten versetzen, um zu fühlen, was ihr spielt?
McVeigh: Wir müssen uns auf der Bühne sehr konzentrieren. Ich konzentriere mich stark auf die Performance und den Gesang. Deshalb müssen wir uns in eine bestimmte Stimmung versetzen, ja.
motor.de: Denkst du, dass euch das Touren zu einer besseren, selbstbewussteren Band gemacht hat?
McVeigh: Auf jeden Fall. Wir sind sicher besser geworden im Umgang mit unseren Instrumenten und im Zusammenspiel als Band. Es ist ein großer Unterschied zu früher. Es versetzt uns in eine gute Position für unser nächstes Album, weil wir einfach eine bessere Band geworden sind. Und das hat auch dem Selbstbewusstsein auf der Bühne geholfen.
motor.de: Ist Touren wichtiger geworden als noch vor zehn Jahren? Auch vom finanziellen Standpunkt aus?
McVeigh: Ja, aber es ist schon immer wichtig gewesen, auf Tour zu gehen. Bands haben schon immer mehr Geld durch Auftritte als durch Platten verdient. Im Moment machen wir auch noch nicht die große Kohle, es geht vielmehr darum, die Leute für unsere Band und unsere Musik zu begeistern. Das ist der Hauptgrund für das Spielen von Konzerten. Natürlich hoffen wir, damit auch Geld zu verdienen, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht wichtig. Live zu spielen ist einfach das Beste daran, in einer Band zu sein.
motor.de: Besuchst du eigentlich die Clubabende, bei denen deine Kollegen nach den Shows manchmal auflegen?
McVeigh: Nein, obwohl ich es mal tun sollte. [lacht] Meistens bin ich zu müde und gehe ins Bett. Nicht sehr Rock’n’Roll, was? Ich trinke noch ein paar Bier danach, aber ich hatte nie großen Spaß daran, zu tanzen oder in einen Club zu gehen.
motor.de: Habt ihr schon an neuem Material gearbeitet?
McVeigh: Nein. [lacht] Aber wir können es nicht erwarten, daran zu arbeiten – allerdings erst nach der Tour. Wenn wir nach Hause kommen, brauchen wir erstmal ein bisschen Pause, aber im nächsten Jahr beginnen wir sicherlich mit dem Schreiben neuer Songs.
motor.de: Habt ihr schon einen Produzenten im Hinterkopf, mit dem ihr gerne arbeiten würdet?
McVeigh: Ja, aber ich kann dir leider noch nicht verraten, wer das ist. Es ist noch nichts bestätigt.
Interview: Eric Bauer
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