“Best New Artist” und Anlass für Bart-Witze, Hass-Tiraden und “Bonnie Bear”-Häme: Grammy-Gewinner Bon Iver.

Die Skrillex-Fans sind ganz schön sauer. Skrillex ist eine große Nummer in den amerikanischen Studentenstädten, sein “BroStep”-Sound der heiße Scheiß bei Collegepartys. Hört man. Was man auch hört, ist die Welle an Empörung über diesen seltsamen Typen mit dem Bart, der Skrillex den Grammy als “Best New Artist” weggeschnappt hat. Wie hieß der nochmal? Bonny Bear?

Aufregung um die Grammy-Verleihung gabs schon im letzten Jahr. “Who the fuck are these Arcade Fire?” war die meistgestellte Frage zur Grammy-Nacht. Überraschend hatten ausgerechnet die den Award für das beste Album eingeheimst. “The Suburbs” hatte sich bis dahin weltweit schon hunderttausendfach verkauft, Arcade Fire galten aber bis dato erstaunlicherweise im breiteren Bewusstsein gerade auch der eigenen Fans immer noch als Independent-Artrock-Band für Intellektuelle. Also als eine Band für Insider, als Antithese zu Mainstream und Kommerz. Der Grammy-Gewinn allerdings zeigte plötzlich ganz offensichtlich auf, dass es sehr wohl einen Massenmarkt für derlei gibt. Belegte, dass gerade in den zwangsdemokratisierten Social-Web-Zeiten auch “Indie” eine Marketingnische ist und keine Einstellung.

Bonnie Bear & Mr. Gramophone

In diesem Jahr hat sich erwiesen, dass dieser Trend keine Einjahresfliege war, dass die Grammy-Juroren tatsächlich sehr viel näher am allgemeinen “Kritiker”-Lob dran sind, als man das noch vor einigen Jahren für möglich gehalten hatte. Denn so wie Arcade Fire im letzten Jahr, hatte in diesem Bon Iver nahezu durchweg Spitzenplätze in den Jahrespolls der einschlägigen Musikmagazine belegt – nicht zuletzt auch bei motor.de. Dass Holzfällerhemden-Sound, akustische Gitarren und Bärte absolut mehrheitsfähig sind, ist allerdings nicht bei allen Musikfans so richtig angekommen. So wie sich letztes Jahr Arcade Fire beschimpfen lassen mussten, so stieß die Wahl Bon Ivers auf einiges Unverständnis. Vor allem, wie sich unschwer nachlesen lässt, bei Skrillex-Fans, die man gemeinhin allerdings auch nicht eben in die Liga der gehobenen Popmusik-Intelligenz einordnen möchte und die mit ihrem Unverständnis auch nicht unbedingt hinter dem Berg halten.

Um das festzuhalten: Es ist gut, dass man sich über Musik streitet. Auch Skrillex zählt schließlich in den großen Kontext zeitgenössischer Popmusik und der Streit über Bands, Musiker und Genres ist so alt wie die Popmusik selbst. Oder wenigstens so alt wie Beatles und Rolling Stones. Wer streitet, ist interessiert. Da kann man auch ungeniert lustig finden, dass es jetzt ganz viele böse Anspielungen auf “Bonnie Bear” gibt, eine Art amerikanische Teletubbie-Sendung. Justin Vernon, Mastermind von Bon Iver, immerhin, kann sich nicht vorwerfen lassen, er hätte um den Preis gebuhlt. Sogar einen angefragten Liveauftritt sagte er im Vorfeld ab. Und bei der Verleihung entschuldigte er sich praktisch noch. Aber auch das passt natürlich zum Image. Bescheiden, bodenständig, Folk. Fast schon wieder eine eigene Marketingnische.

Augsburg

(Bilder: YouTube-Screenshot)