Das Warten hat ein Ende, endlich kehrt einer der besten UK-Rapper mit taufrischer LP zurück. ‘Awfully Deep’ heißt das neue Werk von Roots Manuva, auf dem er mit intensiven Sounds und tiefgehend-verspielten Lyrics aufwartet. Nach den letztjährigen Erfolgen der Kollegen The Streets und Dizzee Rascal ist die Zeit wieder reif für seine erdigen und oftmals Reggae-beeinflussten Stücke.
Der Sound des neuen Albums ‘Awfully Deep’ ist weniger aggressiv und erheblich abwechslungsreicher als der der Vorgänger-Alben. “Auf den alten Platten ging es mir eher darum, einen Vibe und Energie einzufangen und weniger darum, dass sie technisch gut produziert waren. Jetzt lag der Fokus eher auf der Schichtung mehrerer Klänge und der Ausnutzung der Studiotechnik. Ich habe versucht, dem Studio-Prozess menschliche Gefühle zu injizieren. Bei der neuen LP hatte ich eher das Ziel, traditionelles Songwriting zu verfolgen und wollte meine Texte zu den Melodien und Akkorden schreiben. Es ging weniger um die Beats als um die emotionale Resonanz eines Akkords, einer Bassline oder einer Streichersequenz.”
Für Roots Manuva, der bürgerlich Rodney Smith heißt, handelt es sich bei seiner Musik eindeutig um HipHop, was die Mischung aus Dub, tiefen Bässen und elektronischen Sounds nicht gerade vermuten lässt. HipHop scheint für ihn ein Synonym für Offenheit im Umgang mit verschiedenen Musikstilen zu sein. “Meine Musik ist definitiv HipHop. Das mag vielleicht kein typischer HipHop sein, aber erst durch das Hören von HipHop wurde ich an andere Musikstile herangeführt. So habe ich gelernt, dass auch die Bestandteile frühen HipHop-Platten aus anderen Musikstilen kamen. Jetzt versuche auch ich, verschiedene Richtungen zu vermischen und immer mehr zu lernen. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass Kraftwerk aus Deutschland kommen und ‘Numbers’ bereits 1978 geschrieben wurde!”
Smiths Lebensstil entspricht nicht wirklich dem, was man von einem der erfolgreichsten Rappern der Insel erwarten könnte. Der Party-Szene und dem wilden Leben hat er nämlich als Familienvater mittlerweile den Rücken gekehrt und auch textlich hat er viel mehr zu bieten, als nur über Frauen und Partys zu reden. Sicherlich hat ihn auch das Vatersein dazu gebracht, sich intensiver mit den fundamentalen Dingen des Lebens zu beschäftigen und zahlreiche Konflikte des menschlichen Daseins in seinen Lyrics zu thematisieren. Mit viel Ironie und Wortwitz behandelt er auch Themen wie Glauben und Versuchungen aller Art. Auch der LP-Titel spielt darauf an. “Es kann gefährlich sein, an der Oberfläche zu kratzen. ‘Awfully Deep’ bedeutet, tiefe Gedanken zu erforschen, die normalerweise nicht ausgesprochen werden. Gefühle, die man eigentlich ganz weit weg verdrängen möchte. Ich wollte textlich nicht nur mein Leben als Rodney Smith reflektieren, sondern ein Schwamm sein, der Dinge aufsaugt, die er sieht. Es ging mir auch um Kämpfe aller Art, die jeder auszutragen hat, egal ob in sich drin oder nach außen. Vermutlich finden sich Aspekte meines Lebens in den Texten wieder, aber die sind übertrieben und viel üppiger als mein langweiliges Leben. Ich überquere z.B. eine Straße erst, wenn die Ampel grün ist! In der Musik kommt dann schon eher meine Wildheit zum Vorschein.”
Bei vielen der neuen Tracks fallen die Reggae-Einflüsse auf. Manche Texte werden fast wie Dub-Poetry vorgetragen. Rastafari-Inhalte sucht man aber dennoch vergebens, auch wenn religiöse Metaphern in vielen Texten eine Rolle spielen. “Das ist kein Wunder, schließlich bin ich ja als Sohn eines Geistlichen aufgewachsen. Ich versuche schon, die Dub-Sprache weiterzuentwickeln und den Ton beizubehalten. Meine Musik ist aber nicht so spirituell und etwas riskanter, auch wenn sie das Klang-Timbre von tiefen Bässen und Moll-Akkorden benutzt. Es ist viel eher eine Art Glam Dub, womit ich ein komplett neues Genre kreiert habe.” Mit dieser grandiosen LP im Gepäck könne Roots Manuva also dafür sorgen, dass 2005 das Jahr des Glam-Dub wird!
Text: Joachim Landesvatter
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