Als Universal Chef musste ich die Frage Journalisten unendlich oft beantworten: „Wozu brauchen Künstler in Zukunft eigentlich noch Plattenfirmen?“ Es war nicht die Frage als solche die mich nervte, sondern die latente Schadenfreude, mit der sie zumeist gestellt wurde. Viele Journalisten schienen nicht zu bedenken, welche Verwerfungen der Untergang der ungeliebten, musikindustriellen Systeme für Mitarbeiter und Künstler haben würde. Oder es war ihnen schlichtweg egal. Das fand ich noch schlimmer.
„Wofür brauchen Journalisten eigentlich noch Zeitschriften?“ fragte Michael Arrington letzte Woche auf dem DLD. Einmal jährlich versammelt sich dort auf Einladung von Hubert Burda die internationale Medienelite. Egal ob Mark Zuckermann von Facebook, Chad Hurley von YouTube oder Rene Obermann von der Deutschen Telekom, alle kommen sie nach München, um gemeinsam die Zukunft zu diskutieren.
So eben auch Michael Arrington. Reich wurde er mit der Programmierung und Verkauf des technischen Backends der Western Union Bank, bekannt wurde er durch seinen Blog TechCrunch. Dort kommentiert er die Entwicklung von Silycon Valley und des technischen Fortschritts. Das wird so oft gelesen, dass ihn das Time Magazin letztes Jahr zu einem der hundert einflussreichsten Menschen der Welt wählte. TechCrunch schreibt er zu Hause am Küchentisch.
In München auf dem Podium grinste er breit, als er seine Frage stellte. Selbst dem eigentlich coolen Tyler Brulé (Begründer des Magazins „Wallpaper“ und heute Herausgeber von Monocle) entglitten die Gesichtszüge. „Wozu brauchen die Verlage eigentlich noch Zeitschriften?“ setzte Arrington nach. „Ist es nicht vielmehr so, dass Zeitschriften produziert werden, damit Verlagshäuser weiter glauben machen können, die Kontrolle über Kreativität sei käuflich? In der digitalen Welt stimmt das nicht mehr, der Kreative ist und bleibt unabhängig, das Format Zeitschrift obsolet.“
Ich fühlte mich zu Hause. Wahrscheinlich war ich der Einzige im Saal dem das so ging. Der Rest war mehrheitlich fassungslos. Was war geschehen? Man ersetze Journalist durch Musiker, Zeitschrift durch CD und Verlag durch Plattenfirma und somit hatte das DLD Publikum eigentlich nur gehört, dass die Krise der Musikwirtschaft, unwiderruflich auch das Medium Print erreicht hatte. An sich keine große Überraschung, das hätte den meisten schon vor Monaten und Jahren auffallen können. Manchmal braucht es aber jemanden, der es so schonungslos wie Arrington ausspricht, damit der Groschen fällt.
Der Widerspruch war dennoch heftig. Selbst der Gastgeber schaltete sich ein. Das Internet sei ein Pennybusiness, welches unmöglich durch Ads und Banner das substituieren könne, was im Printmarkt durch Vertriebs- und Vermarktungserlöse zu erzielen sei, warf Hubert Burda ein. Das hatte Arrington aber auch gar nicht behauptet. Ohne die großen Strukturen, braucht es nämlich auch nicht die großen Einnahmen.
Für angehende und etablierte Journalisten ist das eine gute Nachricht. Leute mit dem Wissen, der Bekanntheit und dem Potential eines Arrington können allein im Netz mindestens genauso gut überleben, wie im Verlag. Junge Schreiber bekommen dort einen Chance, die sie in Zeitungen und Zeitschriften oft nicht haben. Aber was passiert mit dem Mittelstand, all denen, die zwischen Starschreiber und Rookie stehen. Die Antwort habe ich, genauso wie in der Musik, noch nicht parat. Aber die Frage hat Arrington erstaunlicherweise auch keiner gestellt…
Es grüßt euer Tim
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