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Es ist noch keine zwei Jahre her, da lief in allen besseren Radios des Landes ein Song, bei dem jeder sofort die Ohren spitzte: „Wovon lebt eigentlich Peter?“ fragte ein gut gelaunter Truckerkappenträger, begleitet von einem äußerst charmanten Rumpeln und Rocken. Der Truckerkappenträger heißt Winson und die Musik seines 2004 erschienen Debütalbums „So sah die Zukunft aus“ war ein überschäumender Lo-Fi-Cocktail aus biologisch angebautem Electro-Folk, fair gehandelten Beck-Einflüssen und ein paar trashigen Spritzern Scooter.
Und nun, Sie ahnen es sicher längst, ist Winson zurück. Mit einem Album, das nicht einfach nur hält was der Vorgänger versprach, sondern gleich neues Terrain erschließt: „Frag die richtigen Leute!“ ballt die Faust über dem Kopf und schreit: Punk-ROCK! Um dann gelassen nachzulegen: Aber bitte tu mir den Gefallen, und hör dir auch die geilen Sounds an, die Winson zusammen mit Produzent O.L.A.F. Opal so ausgefuchst zum Klingeln, Röhren und Summen gebracht hat. Der auf dem Debüt so reichlich vorhandene schräge Humor, ist feiner geworden, hintergründiger, besser. Und manchmal ist diesem geborenen Entertainer auch ausgesprochen ernst wovon er singt.
Okay, okay, werden einige jetzt denken, aber wer ist denn nun dieser Winson überhaupt? Und wovon lebt er eigentlich? Also: Markus Daniel Jürgen Winson flüchtete vor neun Jahren aus dem Schatten der Frankfurter Bankentürme nach Berlin und natürlich träumte er davon Musiker zu werden. Leider rockten seine Bands unter einem schlechten Stern. Gitarristen wurden krank, Drummer gingen verloren und unser Neu-Berliner verlegte seine künstlerischen Aktivitäten auf den heimischen Computer. Tagsüber arbeitete Winson als Ton-Assistent für Filmproduktionen, unter anderem auch für Rudolf Thomé, dem wir den Klassiker „Rote Sonne“, mit der göttlichen Uschi Obermeier verdanken. Die Nächte nutzte der gelernte Bassist um an digitalen Songs zu schrauben, die von Tag zu Tag besser wurden. Charmante Trash-Chansons und wilde Stubenrocker, voll von sympathischem Krach und guten Melodien.
Im Juni 2004 kam dann das Debüt „So sah die Zukunft aus“ in die Läden. „Ich finde die Platte immer noch spitze, ganz schön abgefahren und ganz schön verrückt“, sagt Winson heute. „Aber das Album hat auch dazu geführt, dass manche Leute denken, dass der Winson „Quatsch-Songs“ macht und dolle berlinert.“ Natürlich übertreibt der Künstler ein wenig, weil er die Überlegenheit seines neuen, ernsthafteren Werks herausstellen möchte. Doch soviel ist klar: Das stürmische Debüt, mit all seinen Comedy-Elementen, war weit mehr als eine trashige Fingerübung.
Die Zeit vor und während der Aufnahmen zu „Frag die richtigen Leute!“ vertrieb sich Winson mit einem Nebenjob als Moderator der MTV-Show „Rockzone“ und wer Glück hat hört seine Stimme gelegentlich auch bei Motor FM. Doch die meiste Zeit des letzten Jahres klebte Winson wohl vor seinem Computer, schrieb Songs, nahm Demos auf. Manchmal kam einer der Musiker seiner Band vorbei.
„Die Live Truppe ist auch jetzt wieder mit dabei gewesen.Bei Demos spiele ich praktisch alles allein, im Studio versuche ich möglichst viel an meine Mitmusiker abzugeben, weil die an ihren jeweiligen Instrumenten besser sind als ich“.
Eine wichtige Rolle bei „Frag die richtigen Leute!“ spielte zweifellos O.L.A.F. Opal. Der Produzent aus Bochum brachte bereits Notwists „Neon Golden“ zum Funkeln. Bei Winson bündelte er die vielen verspielten Ideen und musikalischen Ansätze zu einem abwechslungsreichen, aber stimmigen Album: „Olaf ist für mich ein Bandmitglied, er hat ein Vetorecht, der kann entscheiden was auf die Platte kommt. Und er darf auch mal selber eine Gitarre spielen, was er auch gemacht hat“. So hat Winson ihm auch gleich ein eigenes Stück auf dem Album gewidmet. „Producer“.
„45mal/minute“ ist sicherlich eine der strahlendsten unter den vielen Sternstunden des Albums. Da hört man zu Anfang den grundsympathischen Olli Schulz als schmierigen Plattenfirmen-Arsch. Auch bei ein, zwei anderen Stücken hat das Herrchen von Hund Marie noch ein, zwei Ideen und etwas Backing-Vocals beigesteuert. Das Beste an dem auch als Single ausgekoppelten Stück ist allerdings Winsons aggressiv lasziver Gesang – purer Sex’n’Roll. „Worauf ich sehr stolz bin, sowohl kompositorisch, als auch textlich ist „Liebespielsalon“. Das ist ein Lied über einen traurigen Ecstasy-Dealer und das finde ich schon deshalb erwähnenswert, weil es total untypisch ist für eine Winson Platte“, behauptet der Künstler und natürlich hat er recht: Ein schräger Text wird sehr sanft umhüllt von einem fast akustischen Arrangement. Wenn Musik verführen kann, dann diese.
„Frag die richtigen“ ist entstanden, weil ich „In die Augen“ von der ersten Platte noch mal machen wollte: „Guck dir die Leute an und sieh ihnen in die Augen, wenn du mit ihnen sprichst“. Diesmal ist die Moral dahinter eine schlechte, mit den falschen Tipps. Man soll eben besser die richtigen Leute fragen. Das ist auf jeden Fall eins meiner Lieblingsstücke“.
„Roboterliebe“ ist mindestens genauso heiß: Zu einem grandiosen Wall-of-Guitar-Sound singt ein Engelchor, der sich aus Mitgliedern der Augsburger Band Nova International zusammen setzt, und die sind – ohne Scheiß! – ehemalige Sängerknaben. Und gerade wenn man denkt melancholischer, schöner und besser könne das gar nicht mehr werden, genau in diesem Moment fegt die Gitarre von J. Mascis durch den Song wie ein geschmeidiger Schneidbrenner. Yeah!, Mr. Dinosaur Jr himself hat es sich nicht nehmen lassen ein sattes Solo einzuspielen.
Die Frage wie die beiden eigentlich zusammen kamen führt uns wieder zurück zum Anfang und der Frage: „Wovon lebt eigentlich Peter?“ Nun, Peter gibt es wirklich, aber das soll Winson besser mal selbst erzählen: „Der Peter, der original „Was macht eigentlich Peter?“-Peter, dreht gerade eine DVD-Doku über Dinosaur Jr. Er war die ganze Zeit mit denen unterwegs und im Zuge dessen hab ich J. auch ein paar mal getroffen, weil die mittlerweile auch befreundet sind. „Roboterliebe“ hat mich und Opal ein bisschen an Dinosaur Jr. erinnert. Dann hab ich irgendwann gesagt: „Opal, wart mal, ich hab noch einen Trumpf im Ärmel.“ Und jetzt hat Peter den J. tatsächlich überredet sich hin zu setzen und zu „Roboterliebe“ von Winson mal eben drüber zu gniedeln. Das ist so erbarmungslos geil, was der gemacht hat…“
Das Kompliment geben wir natürlich weiter an Winson: So vielseitig, so großstädtisch und dabei sensibel, so humorvoll, ohne gleich platt zu sein, klang deutscher Pop selten. Ob man das jetzt Disco-Punk, Rock-Elektronik, oder Sampler-Pop nennt, das sollen mal schön die Experten entscheiden. Soviel ist jedenfalls klar: Winson hat nicht nur die richtigen Leute gefragt – er hat auch die besten Antworten parat.
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