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Im Augenblick der Nacht – Wolf Parade im Interview

Sie sind eine der wichtigsten Indie-Rock-Bands unserer Zeit und kennen auch mit dem neuen Album „Expo 86“ nur ein Ziel: Ganz nach oben.

Im Sommer 2008 stand die europäische Musikwelt Kopf. Aus dem weit entfernten Kanada eroberte eine dem Namen nach bissige Band Publikum wie Fachpresse im Handumdrehen und plötzlich waren Wolf Parade die alleinigen Retter des Rocks. Ein Titel, der für das Sängergespann Spencer Krug und Dan Boeckner einer Erlösung gleichkam: Da nur wenige Exemplare des 2005 veröffentlichten Wolf Parade-Debüts „Apologies To Queen Mary“ über den Ladentisch gingen, hatten die beiden zu diesem Zeitpunkt bereits eine fünfjährige, äußerst Kräfte zehrende Durststrecke hinter sich.

Der Nachfolger „At Mount Zoomer“ sorgte indes für den Durchbruch und verschaffte dem Quartett einen Bekanntheitsgrad, der die Protagonisten anfänglich leicht überforderte. „Wir wissen gar nicht, warum das alles passiert, aber es fühlt sich irgendwie gut an“, erklärte Boeckner damals und so machten Wolf Parade einfach unbeirrt weiter. Dieser Tage melden sie sich endlich mit einem ebenso beeindruckenden, wie sperrig-schönen dritten Studiowerk namens „Expo 86“ zurück.


Im motor.de-Gespräch stellt Sänger und Keyboarder Spencer Krug klar, wie der ganze Trubel dann doch verarbeitet wurde, warum die vielen Nebenprojekte der einzelnen Mitglieder kein Problem sind und das eine Weltausstellung manchmal Berge versetzen kann.

motor.de: Kaum ein Jahr ist es her, da warst du noch mit Sunset Rubdown auf Tour und Dan mit den Handsome Furs aktiv – gönnt ihr euch auch irgendwann mal Pausen?

Spencer Krug: Diese Frage kommt oft und ich muss immer wieder betonen, dass jeder innerhalb von Wolf Parade mit den Einnahmen der Band leben kann. Soll heißen, wir haben viel Freizeit nebenher und da es nicht nur mein Job, sondern auch mein allergrößtes Hobby ist, kommt das Songwriting stets an erster Stelle.

motor.de: Gib es Schnittmengen zwischen Wolf Parade, Sunset Rubdown oder den Handsome Furs?

Spencer Krug: Ich gönne mir musikalische Ausflüge mit anderen Bands wie Sunset Rubdown nur, wenn Wolf Parade grünes Licht geben. Nach „At Mount Zoomer“ beschlossen wir ein Jahr keinerlei Songs aufzunehmen und so ergab sich Zeit. (überlegt) Es ist aber noch nie passiert, dass ich einen Song für Wolf Parade schrieb, den ich dann später für ein Nebenprojekt verwendete.

motor.de: Dan und du, ihr beide wirkt sehr vertraut miteinander. Inwiefern unterscheidet ihr euch hingegen als Songwritinger?

Spencer Krug: Er tickt anders als ich. Wenn er einen Track aufnimmt, geht es ihm mehr darum, wie ein Instrument klingt, als darum, welches Instrument es genau ist, das er durch den Verzerrer jagt. Er ist ein Tüftler, ich bin eher der Mucker und deswegen klappt es mit uns beiden so gut. (lacht)

Wolf Parade – “I’ll Believe In Anything”


motor.de: Wobei die Aufnahmen zu „At Mount Zoomer“ als schwierig bezeichnet wurden – ging die neue Platte „Expo 86“ leichter von der Hand?


Spencer Krug
: Es gab weniger Diskussionen. Im vergangenen Herbst trafen wir uns das erste Mal und während ich mich beim Schreiben eher zurückhielt, tauchte Dan mit acht neuen Demos auf. Allerdings verstanden wir beim ersten Vorspiel kein einziges Wort seiner Texte, weil er die Regler voll aufdrehte. Ich fragte ihn, was das soll und er antwortete: ‚Rockmusik, was sonst?‛ Mir gefiel dieser raue und direkte Ansatz.

motor.de: Aktuell sind die Songs keine siebenminütigen Ausflüge mehr, sondern begnügen sich gerne mit vier Minuten Spielzeit.

Spencer Krug: Ich würde nicht von einem Konzept sprechen, aber die Richtlinie roh und unverkrampft aufzunehmen, zog sich durch die gesamten Sessions. Etwas, dass ich bislang nur von meinen Nebenprojekten kannte, schafften plötzlich auch Wolf Parade: Der erste Take saß oftmals sofort.

motor.de: An welchen Stellen wird die Platte der 1986er Expo-Weltausstellung in Vancover gerecht? Oder ist der Titel eher ein Scherz?

Spencer Krug: Ich lernte dort Dan das erste Mal kennen. Wir beiden waren noch sehr jung und hätten wohl kaum gedacht zwanzig Jahre später eine gemeinsame Band zu haben. Zudem feierte Vancover damals seinen 100sten Geburtstag und irgendwie denke ich oft daran zurück – war eine Menge los in meiner Heimat. Albennamen sind für mich aber generell ein Graus: Ich tu mich schwer den passenden Titel zu finden und bin froh, wenn jemand mit einer guten Idee vorbeikommt.

motor.de: Würdest du sagen, dass Wolf Parade aktuell so gut wie nie aufeinander eingespielt sind?


Spencer Krug:
Jeder weiß, was von ihm erwartet wird, aber auch, was er von der Band erwarten kann. Dan will vor allem seinen Spaß haben und wenn er davon nur ein kleiner Teil für mich übrig lässt, bin ich zufrieden. Egal ob das jetzt nachvollziehbar ist, oder nicht.

Interview: Marcus Willfroth

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