(Foto: Yesterday Shop)

Das berüchtigte zweite Album! Nach dem selbstbetitelten, großartigen Debut stecken Yesterday Shop gerade mitten in den Arbeiten an einem Nachfolger. Nicht, dass das genug wäre, nebenbei betreibt die Band das Label Trickser, das uns zuletzt ein Album der Woche von Dråpe schenkte. Um nachzufragen wie die Vorbereitungen laufen und man sich heutzutage als Gitarrenband in Deutschland durchschlägt, haben wir die Musiker und Labelbosse in ihrem natürlichen Lebensraum, einer zum Büro umfunktionierten WG in Friedrichshain getroffen.
 

Wir sitzen in der WG-Küche, trinken Kaffee und rauchen unsere Lungen schwarz. Wir, das sind Daniel, Sönke und Clemens von Yesterday Shop, und ich. Kennen gelernt irgendwo bei Stuttgart, gingen die Mittzwanziger nicht direkt gemeinsam nach Berlin, sondern verteilten sich erst ein mal über Europa. Das selbstbetitelte Debutalbum wurde noch über weite Entfernungen zusammen geschustert und die Töne als Bits und Bytes verschickt.

Nun leben zumindest die drei mir gegenübersitzenden Köpfe hier in Berlin. Ist dieser Schritt notwendig? Muss man zwangsläufig Anschluss an eine gewisse Szene knüpfen oder auf eine kulturelle Dichte bauen, um den „Newcomerstatus“ schnellstmöglich hinter sich zu lassen? „In erster Linie denkt man als Band ja gar nicht lokal! Ob du in Hintertupfingen der große Held bist interessiert ja keinen. Es bringt auch nichts in Berlin zu wohnen, wenn in Hamburg keine 200 Leute auf dein Konzert kommen“, sagt Sönke, und von Konkurrenzdruck könne im deutschen Gitarrenpop eh keine Rede sein, eher von gegenseitiger Unterstützung, so weiter Clemens, da man die Bands, die gerade releasen an zwei Händen aufzählen. Da wären wir eher in den 70er Jahren aufgeschmissen gewesen. Heute hat man es als Elektro-Pop Band bestimmt schwerer, die schießen ja gerade aus dem Boden wie Pilze und in England ist es generell schwierig.“ Sönke: „Man spürt die Größe Berlins eher daran, dass die Leute, die wir mit unserer Musik ansprechen, auch auf zwei andere Konzerte gehen könnten, wenn du an einem Freitag Abend irgendwo spielst.“

 

 

Und die Legende des schwierigen zweiten Albums? Kann man dahingehend von Druck sprechen, der auf des Musikers Schultern liegt? Der Druck sei schon da, so Sönke, aber „der Vorteil ist halt, dass wir mittlerweile ganz genau wissen, wann was passieren muss, welche Schritte es gibt und wo der rote Faden liegt, den wir brauchen, um kreativ zu sein.“ Der Druck abzuliefern kommt auf konstruktive Weise auch vom Produzenten, „man schaut als Musiker ja automatisch nur auf sein Instrument, da ist es gut, dass es jemanden gibt, der das Ganze von außen verknüpft. Er hat auch die Fähigkeit, das Album als Ganzes und nicht Song für Song zu sehen und kann auch die Hörerperspektive vertreten“ In der Vorproduktion sitzen die Fab Five dann erst mal mit dem Produzenten im Stuhlkreis und diskutieren die Ideen durch. „Bei fünf Personen sind das dann fünf Kompromisse – und das ist dann der Song! Aber keiner von uns will auf der Bühne stehen und ein Lied spielen, das er so nicht will.  Der Produzent will ja die Grenzen ausloten und macht Vorschläge a la ‚spiel doch den Beat mal 10 BPM schneller!’. Man steckt oft so tief drin in einem Lied, dass man in der Regel erst mal alle Veränderungen kacke findet. Dann lässt man das ruhen für eine halbe Stunde, trinkt mal einen Kaffee und dann ist das wieder ganz anders. Jeder sollte aber alles unterschreiben können.“ 

Jetzt, beim zweiten Album wollen sich Yesterday Shop mehr trauen, denn die Handgriffe des kreativen Verfahrens sind vertrauter als vor dem Debut. In Welche Richtung? „Zum Beispiel haben wir das Klavier als Instrument für uns entdeckt, das ist einfach viel direkter im Gegensatz zu dem verwaschenen Sound der sechs Saiten einer Gitarre.“ Auf „Yesterday Shop“ war klar, dass es immer drei von ihnen gab, eines der vielen neuen Ziele sei aber die Komprimierung und da tut das Klavier unverbrauchte Möglichkeiten auf.

Aber ganz ehrlich, lugt man als Band nicht auch auf eine steigende Wahrnehmung, oder forever Indie?  Den Bekanntheitsgrad raufzuschrauben muss ja längst nicht heißen kommerzielle Ansprüche zu stellen.  „Klar möchte man auch mehr Leute erreichen. Es gibt Musiker, die sagen sie machen Musik nur für sich selbst. Das nehme ich nur wenigen ab, denn man kriegt ja ständig Feedback, nach Konzerten, in Rezensionen und dieses Feedback nimmt man automatisch in das zweite Album auf. Wir wollen so vielen Leuten wie möglich auch live unsere Musik vorspielen und die maximal positivste Resonanz bekommen.“

 

 

Eine weitere Poplegende ist die vermeintliche Gegensätzlichkeit von Massenwirksamkeit und musikalischer Qualität. Auch da sei kaum etwas dran, sagt Clemens. „Es gibt so viele Beispiele für Bands, die Massen erreichen und musikalisch super sind, Radiohead zum Beispiel oder gerade Arcade Fire.“ Auf „Reflektor“ kann Clemens dann doch noch nicht so viele gute Worte lassen, dafür aber über The Notwist, die „immer ein Schritt drauf gesetzt haben und damit trotzdem unglaublich viele Leute erreichen.“

Möchte man erfolgreicher oder zumindest als Band größer werden, ist es also nicht der nötige Schritt, sich kreativ einzuengen und im Notfall eine Hook oder catchy Line mehr zu konstruieren. Im Gegenteil, meint Clemens, es gäbe kaum eine größere Herausforderung als das Schreiben eines klassischen Popsongs, der „nur drei Minuten geht und alles drin hat, also genug Teile um mich volle Kanne zu überzeugen. Die meisten Songs, die mich fangen gehen halt sieben Minuten, weil so viele verschiedene Teile drin sind, dich mich überraschen. Diese vielleicht mal in einen Dreiminutensong zu stecken empfinde ich als große Aufgabe.“ Trotzdem versucht man im Hause Yesterday Shop bestimmte Akkordstrukturen, die halt immer funktionieren, weil das menschliche Ohr einfach drauf anspringt, zu vermeiden. Und das ist keine Nebensache, das ist die letzte und tiefste musikalische Definition von Indie, unabhängig aller Sounds und Trends. Indie. Auch so ein Schlagwort.

 

Irgendwie kommen wir immer auf das Thema Elektro-Pop. Clemens kann sich nicht erklären, warum die Zahl der synthetischen Instrumente auf der Bühne und der generelle Anteil der Elektro-Bands so Überhand nimmt, sowie dass die Gitarrenbands unter den Tisch fallen würden und mit dem Vorwand zu kämpfen hätten, da käme nichts Neues, das hätte man alles schon mal gehört. Warum hinterfragt das niemand beim hundertsten Elektro-Pop-Revival? „Ich finde es erstaunlich, dass man glaubt modern zu sein, wenn man einen Computer benutzt. Ich kann doch auch mit einer Gitarre moderne Musik machen! Das Gegenteil wird einem tatsächlich oft vorgeworfen!“ Auch wenn aus den Staaten verstärkt grungiges Zeug kommt, Elektro-Pop-Bands bilden immer noch den Großteil der Newcomer, man muss sich nur mal bei den Showcase-Festivals wie First We Take Berlin umgucken. Natürlich dürfen wir die Hip-Hop-Renaissance nicht außen vorlassen. Als Clemens vor ungefähr fünf Jahren anfing Indie zu hören, war Hip Hop noch eine Art Schimpfwort. „Ich steh auf Hip-Hop, aber mittlerweile gehört es schon zum guten Ton, Rap cool zu finden. Ich nehme das den Leuten nicht so ganz ab.“

 

 

(Marc Augustat)