Wieder einmal beweisen Yo La Tengo, dass stille Wasser nicht nur tief sind, sondern auch durchaus Humor haben können.

Als Yo La Tengo Mitte der Achtziger anfingen, spielte die Band aus Hoboken, New Jersey, noch relativ konventionellen Indie-Rock mit melancholischer Schlagseite. Spätestens aber seit aus dem schnelldrehenden Besetzungskarussell um den Kern der Band – Schlagzeugerin Georgia Hubley und Gitarrist Ira Kaplan – Dank Bassist und Fernsehkenner James McNew ein festes Trio wurde, experimentieren die Drei mit allen Musikrichtungen, die nicht niet- und nagelfest sind. Bossa Nova? Her damit! Krautrock? Kann man machen! Easy Listening? Yo La Tengo-Style! Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Stattdessen und anlässlich des neuen Albums “Popular Songs” hier lieber ein paar Fragen an Ira Kaplan!

Motor.de: Eure letzten Alben wiesen eine enorme Bandbreite musikalischer Stile auf. Ist diese große Abwechslung eure Art und Weise, bandinterne Diskussionen und Streitereien zu umgehen – indem ihr einfach sozusagen jeden seinen Willen haben lasst?
Ira Kaplan:
Nein, ich denke nicht. Weißt Du, das ist eine komische Sache, denn tatsächlich wird dieses Thema oft diskutiert – allerdings eher in Interviews. Für uns ist es einfach etwas, das sich ganz natürlich ergibt und worüber wir gar nicht viel reden müssen. Obwohl, es gibt diesen einen Song auf dem Album; als wir ihn in dem Arrangement aufnahmen, in dem wir ihn geprobt hatten, stellten wir fest, dass irgendwas damit nicht stimmte – er “funktionierte” einfach nicht. Deshalb stellte ich die E-Gitarre weg, wechselte zur akustischen Gitarre, James spielte auch eine – und am Ende hatten wir einen viel “akustischeren” Song als zuvor. Anders als alle anderen auf der Platte. Und ich denke, das passiert uns einfach oft: Wir denken nicht, dass ein Song partout und unter allen Umständen komplett anders als alle anderen sein muss. Aber wir finden, dass ein Song durchaus eine eigene Persönlichkeit haben muss. Und oft ergibt sich daraus einfach die Form, die er annimmt.

Motor.de: Spiegeln denn diese unterschiedliche(re)n Persönlichkeiten der Songs die unterschiedlichen Persönlichkeiten der drei Bandmitglieder wieder?
Ira Kaplan:
Wir versuchen schon, uns allen dreien gerecht zu werden. Sicher gibt es Momente, in denen einer von einem bestimmten Song begeisterter ist, als die anderen. Dann versuchen wir einfach, so lange daran weiter zu arbeiten, bis alle überzeugt sind. Wir sind jedenfalls keine dieser Bands, wo einer kommt und sagt: “Dies ist mein Song, und ihr beiden spielt das, was ich euch sage! Und wenn Du einen Song bringst, dann spiele ich, was Du mir sagst.” So läuft das bei uns nicht. Uns macht es Spaß, zusammen zu arbeiten und herum zu probieren, bis etwas dabei rauskommt, an dem alle beteiligt sind und Spaß haben.

Motor.de: Spaß scheint ihr ja auch an eurer gegenwärtigen Tour zu haben – “The Freewheelin’ Yo La Tengo” ist das Motto, und dahinter verstecken sich Akustik-Shows mit Publikumsbeteiligung.
Ira Kaplan:
Ja, wir sind große Fans von Stand-Up-Comedy. Und einem Typen oder einer Frau dabei zuzusehen, wie sie sich nur mit ein paar Ideen bewaffnet auf die Bühne wagen, war inspirierend für uns, es auch einmal so spontan anzugehen. Es gibt allerdings ein Missverständnis bei der Sache – die Zuschauer sollen keine Songwünsche äußern, sondern Fragen an uns stellen, deren Antworten dann hoffentlich zu bestimmten Songs führen. Wir wollten ausprobieren, wie es ist, ohne die üblichen Schutzmechanismen auf die Bühne zu gehen, Dinge wie eine feste Set-List oder die Möglichkeit, sich hinter lauten Gitarren und Feedback zu verstecken…

Yo La Tengo – Tom Courtenay


Motor.de: Da fühlt man sich sicher etwas “nackt”.
Ira Kaplan:
Nun, wir haben im letzten Jahr eine Menge solcher Shows gespielt. Dieses Jahr aber erst vier – und dies ist erst die zweite überhaupt außerhalb des englischsprachigen Raums… eigentlich sogar außerhalb von Nordamerika. Wir versuchen damit aber natürlich nicht, irgendjemanden hereinzulegen oder zu enttäuschen. Ich denke aber, das Konzept geht auf und alle haben Spaß. An manchen Abenden allerdings läuft es besser als an anderen.

Motor.de: Eure letzte Platte habt ihr in Nashville aufgenommen, diesmal lief das etwas anders ab.
Ira Kaplan:
Die Neue haben wir tatsächlich in unserem Proberaum aufgenommen! Bei den letzten Alben war es so, dass wir in Nashville aufgenommen haben, und unser Produzent Roger (Moutenot) kam anschließend nach New York, um sie mit uns abzumischen. Diesmal kam Roger nach Hoboken, wir nahmen bei uns auf und fuhren anschließen nach Nashville, um dort den Gesang aufzunehmen und das Ganze zu mixen.

Interview: Stephan Behrens