Licht und Schatten liegen manchmal dicht beieinander: YSP!WSD! veröffentlichen mit “XXXX” ihr bisher stärkstes Album, haben aber den tragischen Tod ihres Drummers noch nicht verarbeitet.

Der 18.04.2010 wird sowohl der Band als auch allen Fans für immer in trauriger Erinnerung bleiben: An diesem Tag verstarb You Say Party! We Say Die!-Drummer Devon Clifford, nachdem er zwei Tage zuvor bei einem Konzert eine Hirnblutung erlitten hatte. So wird es sicher noch einige Zeit dauern, bis die Dance-Punk-Band aus der Nähe der kanadischen Metropole Vancouver einen Nachfolger präsentieren und wieder zum normalen Tour-Alltag übergehen kann. Zeit, die sich Fans von We Say Party! You Say Die! nun aber mit „XXXX“ vertreiben können, dem dritten Album der Band.

Doch dass es überhaupt zu diesem Album kommen würde, ist vor einigen Jahren noch nicht sicher gewesen. Ende 2007 war die Band nämlich so entnervt vom Touren, dass sie um ein Haar einen Schlussstrich unter das Kapitel You Say Party! We Say Die! gezogen hätte. So kam es beispielsweise ausgerechnet in einem Club in Berlin zu einer Konfrontation zwischen Sängerin Becky Ninkovic und zwei Punks, welche die attraktive Frontfrau kurzerhand vor die Tür setzten. Getoppt wurde dieser Vorfall kurze Zeit später durch einen Vorfall an der Grenze zwischen Kanada und den USA. Angeblich führte die Willkür eines Grenzbeamten damals dazu, dass die Band ein mehrjähriges Einreiseverbot in die Vereinigten Staaten erhielt. Für die kanadische Band natürlich ein Disaster. Die Wogen haben sich aber geglättet und die YSP!WSD! sich wieder auf ihre Stärken besonnen. Auch eine Tour durch Asien schweißte die Band anschließend wieder dichter zusammen.

Und diese neue Harmonie hört man auch „XXXX“ an. Das Album beginnt mit „There’s XXXX (Within my Heart)“ zwar noch etwas zurückhaltend, aber auch der Opener hat bereits das Zeug zum (Indie-)Dancefloor-Filler. „Glory“ macht dann klar, das auch das Prädikat Dance-Punk nachwievor passt, wenngleich sich die Band noch deutlicher als auf ihren vorherigenen Releases in Richtung New Wave bewegt. Dies wird vor allem in „Dark Days“ deutlich, welches sowohl gitarrentechnisch als auch im Hinblick auf die eingesetzten Synthies einen gewissen 80er-Vibe aufweist. Und auch auf den ewigen Vergleich zwischen YSP!WSD! und den Yeah Yeah Yeahs sollte man nach „XXXX“ endgültig verzichten. So sind You Say Party! We Say Die! nachwievor deutlich popaffiner und weniger abgedreht als Karen O und Co. Wahrscheinlich war auch eher die optische Ähnlichkeit zwischen den beiden Frontfrauen dafür verantwortlich, dass dieser Vergleich immer wieder bemüht wurde. Und selbst dieses Thema dürfte sich mit der neuen Frisur von Becky Ninkovic endgültig erledigt haben.

Was YSPWSD! selbst über ihr neues Werk zu berichten wissen, von der Gleichsetzung mit anderen Musikern halten oder zur aktuellen WM zum Besten zu geben haben, konnten wir kurz vor ihrer Album-VÖ noch via Mail-Interview in Erfahrung bringen. Hier das Ergebnis:

motor.de: Nach einem Vorfall an der Grenze zwischen Kanada und den USA durftet ihr für einige Zeit nicht mehr in die Vereinigten Staaten einreisen. Euer Bassist Stephen bekam sogar ein Einreise-Verbot bis 2011. Was ist da vorgefallen?

Damals im Jahre 2006 waren wir noch eine ziemlich naïve Band. Wir versuchten ohne Arbeitserlaubnis in die USA einzureisen und Stephen wurde in eine Situation verwickelt, die schließlich dazu führte, dass er für fünf Jahre nicht einreisen durfte. Wir haben danach mit einem Immigrations-Anwalt zusammen gearbeitet, der uns bei dem Papierkram geholfen hat und rechnen damit, das wir in den nächsten Monaten einen Bescheid bekommen.



motor.de: Ihr werdet immer wieder mit den Yeah Yeah Yeahs verglichen. Geht euch das auf die Nerven oder seht ihr das als positive Referenz?

YSP!WSD!: Ohne Zweifel ist es eine tolle Sache mit so einer großartigen Band wie den Yeah Yeah Yeahs verglichen zu werden – gerade im Hinblick auf Leute, die unsere Band auschecken wollen- viel besser als z.B. mit Paramore. Aber mit der Zeit ist der Vergleich wohl immer unangebrachter geworden. Wir sind nun eine eigenständige Band und machen etwas vollkommen anderes. Es nervt irgendwann schon, wenn ständig jemand beide Bands vergleicht und sagt „hey, die sind sich ja voll ähnlich“. Es gibt eindeutig Unterschiede und wir haben nie versucht, sie nachzuahmen. Es ist ein bisschen so, als würde man sagen Kanada und Deutschland wären sich so ähnlich, nur weil es in beiden Ländern McDonald-Restaurants gibt.

motor.de: Was denkt ihr, wer wird Fußball-Weltmeister?

YSP!WSD!:
Was mich am meisten an der WM interessiert, ist, ob die Organisatoren in Südafrika genauso viele Gemeinden zwangsumsiedeln, wie während der Olympischen Spiele in Vancouver, um Platz zu schaffen für riesige Werbeflächen. Als wäre Coca Cola verantwortlich für den Erfolg von Athleten.

motor.de: Eure neue Platte trägt den Titel “XXXX”, die Abstraktion des Wortes „Love“. Wäre „Love“ ein zu plakativer Name für das Album gewesen oder warum dieser kryptische Titel?

YSP!WSD!: Bereits seit unserer ersten EP “Dansk Wad” haben wir vier Xe in das Artwork unserer Alben eingebaut. Als wir erstmals am Artwork für dieses Album gearbeitet haben, fügte Becky die vier Xe als ihr Zeichen für Liebe ein. Nachdem wir uns das Artwork unserer voran gegangenen Alben und die neuen Songs betrachtet haben, erschien uns „XXXX“ als geeigneter Titel. Es gab keinerlei Diskussionen diesbezüglich, so dass die Namenswahl eine der einfachsten Entscheidungen wurde, die wir je getroffen haben.

motor.de: Auf “XXXX” hat sich euer Sound vom Dance-Punk vergangener Tage deutlich in Richtung New Wave entwickelt. War das geplant oder kam diese Entwicklung einfach mit der Zeit?

YSP!WSD!: Wir alle sind im Jahr 2008 durch eine Art Heilungsprozess gegangen und haben gelernt wieder Freunde zu sein bzw. eine wirkliche Familie zu werden. So lernten wir auch beim Musizieren, wie wir den anderen unterstützen können und wo wir uns wohlmöglich zurück halten müssen. Unser Sound hat sich ganz natürlich entwickelt, während wir zusammen Songs geschrieben haben, ohne dabei zu denken, wir müssen jetzt „Dance Punk“ sein. Ich denke es ist ganz natürlich, dass Bands sich mit der Zeit weiter entwickeln und es war eine tolle Erfahrung, sich Zeit zu nehmen und an einer großartigen Platte zu arbeiten. Wenn man dann im Endeffekt realisiert, dass das Ergebnis „New Wave“ statt „Dance Punk“ ist, dann ist das eben so.

Festzuhalten bleibt also, dass „XXXX“ ein rundherum gelungenes Indie-Pop/New Wave-Album geworden ist, welches Freunden von The XX, mit denen der Albumtitel im Übrigen nicht das Geringste zu tun hat, genauso viel Spaß machen dürfte, wie Fans von tanzbareren Kapellen wie Vampire Weekend und Co.


Text & Interview: Thomas Kasperski

VÖ: 18.06.2010

Label: Universal

Tracklist:

01. There Is XXXX (Within My Heart)
02. Glory
03. Dark Days
04. Cosmic Wanship Avengers
05. Lonely’s Lunch
06. Make XXXX
07. Laura Palmer’s Prom
08. She’s Spoken For
09. XXXX Loyalty
10. Heart Of Gold