Young The Giant aus Kalifornien wollen groß rauskommen, viel spielen und vor allem gut interviewt werden. Sänger Sameer im Gespräch mit motor.de.
Es ist interessant, wo einen so ein Interview manchmal hinführt. Hält man sich eng an vorher überlegte Fragen oder lässt man seiner Neugierde freien Lauf? Idealerweise sollte sich zwischen den Gesprächspartnern ein ungezwungener Plausch entwickeln. Doch das geht nicht auf Knopfdruck und noch weniger mit drängelnden Tourmanagern und den nächsten Schreiberlingen vor der Tür. Umso schöner sind deshalb die Gelegenheiten, in denen das nicht so ist. Da quatscht man sich dann schnell mal fest. Und so wurde aus dem Treffen mit Sänger Sameer Gadhia von Young The Giant aus einem ganz normalen Interview über das Band- und Tourdasein eine Lehrstunde über die Kunst des Interviewens…
motor.de: Wie ich gelesen habe, seid ihr momentan nonstop unterwegs?
Sameer: Vor ein paar Wochen haben wir eine Tour in den Staaten begonnen. Mittendrin, genauer im Januar, sind wir dann schon mal nach Europa gekommen. Da waren wir aber nur ganz kurz hier. Im Grunde sind wir also seit Anfang des Jahres ohne Unterbrechung unterwegs.
motor.de: Vielen Leuten ist ja gar nicht so bewusst, dass man bei solch langen Touren richtige Disziplin an den Tag legen muss…
Sameer: Ja, das ist sehr schwer. Am liebsten möchten wir nach jeder Show noch bleiben und neue Leute treffen. Aber dann ist man am nächsten Tag kaputt und würde auf Dauer den Stress einer Tour nicht aushalten. Noch schwieriger ist aber, so lang und so weit von Familie, Freunden und Partnern getrennt zu sein.
motor.de: Habt ihr denn mittlerweile schon alle Kontinente bereist?
Sameer: Bisher waren wir nur in Nordamerika und Europa. Im Juli geht es das erste Mal nach Australien und dann sogar nach Indonesien. Da freue ich mich schon besonders drauf.
motor.de: Hattet ihr schon mal Schwierigkeiten, euch zu merken, wo ihr gerade seid?
Sameer: Wenn, dann haben wir eher Schwierigkeiten, uns an unsere Zimmernummern zu erinnern (lacht).
motor.de: Ihr seid bestimmt auch schon bis zum Ende des Jahres ausgebucht.
Sameer: Wir wissen tatsächlich schon, wo wir bis dahin sein werden. Trotzdem habe ich keinen Schimmer, wo ich heute in einem Jahr bin. Wir schreiben alle gerne Songs und spielen Shows, aber wir machen ja auch noch andere Dinge. Es wäre schön, die Uni irgendwann fertig zu machen, wir sind alle noch am Studieren.
Young The Giant – My Body
motor.de: War denn von Beginn an klar, dass ihr in der ganzen Welt herumkommen würdet?
Sameer: Wir sind bei einem Majorlabel, das große Erwartungen an uns hat. Zwar hat es jetzt etwas gedauert, bis wir unser erstes Album veröffentlicht haben, aber diese Zeit brauchten wir auch um sozusagen eine “Story” zu kreieren, bevor wir herkommen konnten. Als vollkommen unbekannte Band macht das keinen Sinn und wäre auch viel zu teuer.
motor.de: Die Songs auf eurem Debüt sind dementsprechend auch schon älter?
Sameer: Teils teils. “Cough Syrup”, einer der ältesten, ist so ungefähr dreieinhalb Jahre alt. “Islands” und “Guns Out” sind die neuesten mit ungefähr eineinhalb Jahren. Selbst das ist ja eigentlich schon eine lange Zeit. Insgesamt hatten wir aber über 40 Songs, aus denen wir dann zwölf aussuchen mussten.
motor.de: Würdest du also sagen, dass diese zwölf Songs die aussagekräftigsten von Young The Giant sind?
Sameer: Nein, nicht unbedingt. Die Zusammenstellung macht auf jeden Fall Sinn, da gab es kaum große Diskussionen. Aber manchmal ist es für andere Songs einfach noch nicht an der Zeit. Es gibt Ideen, die verwirft man zwischendurch wieder und später denkt man ‘Hey, diese Melodie gefällt mir’ und erst dann wird ein richtiger Song daraus.
motor.de: Wo habt ihr die Videos für die “Open Sessions” gedreht?
Sameer: Das war ursprünglich ein Projekt von uns mit Alex Shamiri, unserem Fotografen. Er war auch mal mit uns als Tourmanager von Utah nach Kalifornien unterwegs. Dort gibt es eine riesige kahle Fläche, genannt die Salt Flats, wo man bis zum Horizont nur trockenes Land sieht. Wir dachten spontan, dass wir dort ein Video drehen sollten und haben “I Got” aufgenommen, was sehr gut wurde. So hat das Ganze seinen Anfang genommen. “Apartment” haben wir direkt bei der Golden Gate Bridge bei Sonnenuntergang gedreht. Allein sich zu überlegen, wo wir diese Videos machen können, macht sehr viel Spaß. Alex hat aus dem Konzept mittlerweile einen Blog “In the Open Sessions” gemacht.
Young The Giant – I Got (In The Open Session)
Sameer: Eigentlich könntest du ja schreiben, was du willst, ich kann das Interview ja nicht lesen…
motor.de: Das könnte ich theoretisch tun. Da musst du mir wohl vertrauen. Hast du etwa schon mal schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht?
Sameer: Nicht viele, aber es gibt manchmal seltsame und unangenehme Situationen. Einige Leute wirken total gelangweilt, stellen blöde Fragen oder sind nervös und aufgekratzt. Das ist dann nicht wie ein lockeres Gespräch, man fühlt sich unwohl.
motor.de: Hättet ihr denn überhaupt Zeit, die Interviews zu lesen?
Sameer: Wir tun das tatsächlich manchmal, dafür gibt es ja google alerts. Aber eigentlich ist das eine blöde Beschäftigung. Es bringt einfach nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was andere über einen denken.
motor.de: Die meisten Musikjournalisten schreiben wahrscheinlich sowieso dasselbe.
Sameer: Ja, das stimmt. Aber wir fangen ja auch gerade erst an und viele Leute kennen uns noch nicht, also ist das okay. So gesehen, kann man uns halt über viele Kanäle entdecken…Trotzdem bin ich der Meinung, dass gute Interviews in gewisser Weise eine Kunst sind. Du musst da sein, aber gleichzeitig unsichtbar. Du musst es schaffen, dass der Künstler sich wohl fühlt und nicht nur darüber nachdenkt, was er gerade erzählt. Finde einen Weg in seinen Kopf.
motor.de: Da ist was dran. Aber es spielt doch auch eine Rolle, ob der Künstler schon den ganzen Tag lang Interviews gibt, oder nicht? Standard-Antworten hört und liest man schnell heraus.
Sameer: Naja, jede Band hasst “Was bedeutet euer Name?” und “Beschreibt mal eure Musik”. Da schaltet jeder sofort ab, selbst die gesprächigsten und nettesten Musiker. Sie antworten dann zwar immer noch, aber sie sagen eben genau dasselbe wie immer.
motor.de: Vielleicht wollen die Leser genau das wissen?
Sameer: Man muss eben Vertrauen haben, dass die Leute lieber interessante Sachen lesen wollen. Es kann schließlich jeder einfach auf wikipedia gehen und nachlesen.
motor.de: Was war denn die furchtbarste Frage, die dir bisher gestellt wurde?
Sameer: Gerade heute Morgen hatte ich einige schlimme Fragen. Die Situation war sowieso sehr unangenehm. Unser Tourmanager hat mich geweckt, weil ich ein Email-Interview beantworten sollte. Ich hasse Email-Interviews, das ist schon mal das erste. Und dann waren die Fragen auch noch richtig schrecklich. Die gingen wirklich in die Richtung, ob wir mit unseren Fans schlafen würden. Die waren hoffentlich nicht ernst gemeint, aber da bin ich mir noch nicht mal sicher.
motor.de: Autsch, das geht doch entschieden zu weit. Warum stellt jemand solche Fragen?
Sameer: Absolut, ich habe mich schon beleidigt gefühlt. Selbst in einem persönlichen Interview wäre das unangebracht. Aber die Frage, die ich am meisten hasse, ist “Beschreibt eure Musik / euren Sound”. Selbst die schlechteste Band, die sich haargenau wie ihr Vorbild anhören, würde diese Frage hassen, weil sie für sich selbst viel origineller als das Original klingen.
motor.de: Sie würden dann zwar ihre Einflüsse aufzählen, aber immer noch sagen, dass sie nicht wie diese klingen wollen.
Sameer: Genau, wobei das natürlich wieder irgendwo stimmt. Keine Band kopiert ja einfach nur. Besonders, wenn Bands schon lange zusammen spielen und mehrere Alben haben, gibt es viele Einflüsse. Vieles geschieht auch unbewusst, beispielsweise wenn man gerade einen Song schreibt und es läuft Musik im Radio oder im Café, wo du gerade bist. Manchmal kann man sich nicht dagegen wehren und man erinnert sich später nicht mal mehr dran.
motor.de: In diesem Sinne vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Wir nehmen uns deine Ratschläge zu Herzen.
Interview: Claudia Jogschies
No Comment