Sechs Jahre sind kein wirklich langer Zeitraum im Kosmos von Trent Reznor und Nine Inch Nails. Der medienscheue, verschlossene Meister des Industrial-Rock hat schon immer Platten nur dann herausgebracht, wenn es seiner Meinung nach passend war – und nicht dann, wenn es die Plattenfirma oder die Fans gerne gehabt hätten. Jetzt ist endlich mal wieder eine dieser langen Durststrecken vorbei, mit “With Teeth” erscheint NIN-Album Nummer 4. Allerdings hat sich in den letzten sechs Jahren vieles verändert – nicht nur in der Musik, sondern auch im Leben von Reznor.
Ein Gespräch mit Trent Reznor gilt als nicht gerade einfach. Er mag es nicht, ständig dieselben Fragen zu beantworten, zudem gilt e als medienscheu, verschlossen. Beim Promo-Termin zur Vorstellung der neuen Platte im Berliner Hyatt-Hotel ist von all dem allerdings kaum etwas zu spüren. Reznor gibt sich zwar eher zurückhaltend, gleichzeitig aber auch freundlich und auskunftsfreudig. Er wirkt ausgeglichen – und zufrieden. Und das erste Mal hat er nach eigenen Angaben keine große Angst mehr vor dem Medienecho, das nach der Veröffentlichung der neuen Platte auf ihn einprasseln dürfte. “Ich mache mir dieses Mal weniger Gedanken darüber, was die Leute über ‘With Teeth’ sagen werden. Ich bin ruhiger geworden. Ich kann dasitzen und Interviews geben und versuchen, über die Musik zu reden; aber ich weiß jetzt, dass ich keinen zwingen kann, diese Musik auch zu mögen.”
Mit der neu gewonnen Selbstsicherheit einher geht auch der Drang zu mehr Experimenten – ‘With Teeth’ ist deutlich abwechslungsreicher als jedes vorherige NIN-Album. “Ich bin durch eine schlimme Phase des Clean-Werdens gegangen. Deswegen hat die neue Platte auch so lange gedauert. Ich brauchte Zeit, um mein Hirn frei zu kriegen. Ich bin jetzt aber dadurch viel konzentrierter und sicherer bei dem was ich tue. Ich habe Sachen ausprobiert, die ich mich früher nicht getraut hätte. Es fühlt sich einfach anders an. Und hier geht es einfach mehr um mich, um das, was ich auch persönlich geleistet habe. Dementsprechend glaube ich, dass ich nicht so viel Angst habe vor der allgemeinen Meinung, die auf mich zukommen wird.”
Missverständnisse sind so allerdings ebenfalls vorprogrammiert – etwa bei der vorab veröffentlichten Single ‘Hand That Feeds’, die von vielen Fans auf Grund ihrer Eingängigkeit und des massiven Pop-Appeals mit großer Enttäuschung aufgenommen wurde. Trent gesteht, dass er in diesem Fall wohl nicht ganz bis zum Ende gedacht hat: “Ich denke, wenn man einer Person das Album hintereinander vorspielen würde, dann würde ‘Hand That Feeds’ auf jeden Fall hervorstechen. Ich hatte ein wenig Angst beim Schreiben des Songs, eben weil er so catchy ist, und auch nicht wirklich einer der kompliziertesten Songs, die ich je gemacht habe. Aber im Kontext der Platte macht der Titel Sinn, auch wenn er so eingängig ist – letzteres ist natürlich auch der Grund, warum ihn die Plattenfirma als Single ausgewählt hat. Woran ich aber überhaupt nicht gedacht habe, ist, dass damit genau das der Song der gesamten Platte sein wird, den die Fans als erstes zu hören bekommen. Und ich denke, er repräsentiert die Platte überhaupt nicht. Jetzt sagen die Leute: ‘Oh, Trent hat versucht, einen Radio-Song zu schreiben”. Aber ich kann meinen Fans nur sagen: Hört euch die Platte an, und dann entscheidet ihr, ob das auch wirklich stimmt.”
Denn Verkaufszahlen spielen für Reznor weiterhin nur eine untergeordnete Rolle: “Wenn ich an einer Platte arbeite, mache ich eins auf keinen Fall: dasitzen und mir überlegen, wie ich am meisten Platten verkaufe oder wie ich die Songs am radiotauglichsten gestalten kann. Am Ende war ich diesmal viel mehr selber überrascht, wie zugänglich manche Sachen geworden sind. Aber das hat niemand von außerhalb beeinflusst – der Druck, den ich mir selber auferlege, ist größer als der Druck von allen anderen. Ich habe immer versucht, die beste Musik zu machen, zu der ich fähig bin – unabhängig von all den Zeitforderungen der Plattenfirma oder anderen Einflüssen.” Keine Frage – mit ‘With Teeth’ ist ihm das einmal mehr gelungen.
Text: Tito Wiesner
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