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Categories: Kolumne

Zu viel des Guten

(Foto: Monotreme Records)

Die Jungs von Trophy Scars setzen anno 2014 alles auf die Bombast-Karte. Wer hat noch nicht? Wer will nochmal? Wer fährt noch ne Runde mit? Am Ende dröhnt mir der Schädel. Quantität ist nicht gleich Qualität.

Auch nach dem zweiten Durchlauf des neuen Trophy Scars-Schaffens namens „Holy Vacant“ sitze ich noch mit einem großen imaginären Fragezeichen im Kopf vor den heimischen Boxen. Ist das nun große Kunst, oder nur der verzweifelte Bombast-Aufschrei einer Band, die kurz vor der Produktionsphase ihres vierten Albums schon innerlich mit sich abgeschlossen hatte? Doch ich muss mich jetzt entscheiden und tendiere eher zum Kopfschütteln.

Gerne würde ich dem Album, dem ein ganzes Drehbuch zugrunde lag und das inhaltlich zu einer bizarren  Achterbahnfahrt durch obskure Mystik- und Verschwörungswelten lädt, noch ein Dutzend Extra-Rundreisen gönnen, ehe ich mich festlege. Vielleicht komme ich in einem halben Jahr auch tatsächlich noch mit einem Nachbericht um die Ecke; für’s erste muss aber die Oberfläche herhalten. Und die ist in etwa so kratzig, verschroben und kantig wie ein Bully-Quadratmeter Eis nach einem Liga-Spiel der Hamburg Freezers.  

Ich meine, wer kommt schon auf die Idee, diverse Schaffenszutaten von Künstlern wie Bruce Springsteen, The Mars Volta, Guns ‚N‘ Roses  und Jimi Hendrix in einen Topf zu schmeißen? Crossover ist ja schön und gut, aber im Fall von „Holy Vacant“ klingt der Brückenschlag zwischen Extremen bisweilen doch sehr überschäumend und strukturlos.

So geben sich Hardrock-Riffs, Post-Core-Anleihen, Gospel-Einschübe und Stadion-Verweise wahllos die Staffelstäbe in die Hand, ohne dabei nach rechts oder links zu schauen. Zwar kommt es hier und da („Crystallophobia“, „Everything Disappearing“) trotz wulstiger Aneinanderreihungen dennoch zu flüssigen Momenten, doch rennen sich die meisten Beteiligten spätestens zur Zielgerade hin übermotiviert gegenseitig über den Haufen.

Und so fühle ich mich, als stünde ich mit weit aufgerissenem Mund abseits des  Siegertreppchens: „Aufstehen, Jungs! Aufstehen. Lauft solange ihr könnt. Vielleicht kommt er ihr dann irgendwann alle auch mal gemeinsam ins Ziel.“ Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

VÖ: 11.04.2013

Label: Monotreme

Tracklist:

01 – Extant

02 – Qeres

03 – Archangel

04 – Crystallophobia

05 – Burning Mirror

06 – Hagiophobia

07 – Chicago Typewriter

08 – Vertigo

09 – Gutted

10 – Every City, Vacant

11 – Everything Disappearing

12 – Nyctophobia

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