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Die Jungs von Madrugada können sich glücklich schätzen. Seit ihrem letzten Geniestreich “Grit” gehört das Trio zweifelsohne zu den wichtigsten Rock-Kapellen des europäischen Kontinents. Ausverkaufte Hallen, Platin-Ehrungen im Heimatland Norwegen und die ersten Chart-Erfolge in England. Trotzdem drehen sich die meisten Songs auf dem neuem Album “The Deep End” um düstere Plots wie Trennung, unerwiderte Liebe und exzessiven Drogenmissbrauch. Für Sänger Sivert Hoyem und Gitarrist Robert Buras eine logische Konsequenz. Im persönlichen Gespräch erklären sie, warum.
Für euch waren die letzten zwei Jahre die erfolgreichsten eurer Karriere, doch trotzdem klingt eurer neuestes Werk vergleichen mit dem rockigen Vorgänger wieder melancholischer. Warum?
Sivert Hoyem: Der Erfolg bestimmt unsere Musik nur tendenziell. Wir neigen dazu, traurige Songs zu schreiben, obwohl es uns eigentlich sehr gut geht. Das klingt merkwürdig, aber nur so bekommt man die nötige emotionale Distanz zu den Themen.
Robert Buras: Wenn man am Boden zerstört ist und dann auch noch deprimierende Songs schreibt, geht jede Hoffnung verloren. “Grit” war beispielsweise ein sehr rockiges Album, doch als wir es aufnahmen, waren wir alle sehr niederschlagen, durch die Strapazen des Erfolges. Nun geht es uns besser, deswegen klingen wir wieder melancholischer. (lacht)
Stets überraschet ihr mit neuem Sound. Fand man auf dem 98er Debüt “Industrial Silence” noch reinsten Americana, gab es auf “Nightly Disease” düsteren Sad-Rock, gefolgt von experimentellen Rock’n’Roll auf “Grit”. Wie würdet ihr “The Deep End” einordnen?
SH: Melancholischer bis heiterer Folk-Gitarren-Pop-Rock. (lacht) Wir haben ehrlich gesagt nicht den blassesten Schimmer, darüber machen wir uns keine Gedanken. Wir lassen den Hörer am besten für sich selbst entscheiden.
Für Madrugada untypisch, habt ihr das erste Mal einen Produzenten hinzugezogen. Wie kam es dazu?
RB: Wir hatten diesmal das Gefühl, dass ein Produzent noch mehr aus den Songs herausholen könnte. George Drakoulias schien uns der Richtige. Wir mochten seine bisherigen Produktionen für Primal Scream, Tom Petty oder die Black Crowes. Es kann sich sehr gut auf die Wünsche einer Bands einstellen. Einige Songs, wie zum Beispiel “Hard To Come Back” tragen deutlich seine Handschrift. George kann einfach die richtige Stimmung erzeugen!
Apropos Stimmung, was ist denn der “tiefe Grund”, das “Deep End” in eurem Albumtitel?
SH: Es ist eine Art Gefühl. Als ob du auf den Grund eines Swimming Pools tauchst und das Gefühl hast, die Kontrolle zu verlieren und an den Punkt zu gelangen, an dem es im Leben heißt – schwimmen, schwimmen, schwimmen.
RB: Es gingen uns mehrere Assoziationen durch den Kopf, als wir über den Titel nachdachten. Das gefiel uns, und so beschlossen wir das Album danach zu nennen.
Ihr nehmt unter den skandinavischen Bands eine Sonderstellung ein. Eure Songs sind weder traurig-ruhig wie die der Kings Of Convenience, noch rocken sie wie die von Turbonegro…
SH: Ich mag das Gerede von der norwegischen Rock/Pop-Szene nicht. Zu Green Day kommt auch niemand und meint: Eure Songs klingen aber typisch amerikanisch! Weswegen wirft man alle norwegischen Bands immer in einen Topf?
RB: Wir sehen uns nicht als norwegische Band. Klar, unsere Wurzel kommen von dort aber wir sind eine eigenständige Band! (lacht) Ganz ehrlich, das Meiste, was über Norwegen und seine Bands geschrieben steht, stimmt nicht, es entspricht nicht der Realität. Skandinavien als Herkunftsland ist nichts besonderes.
Trotzdem werdet ihr aber immer wieder in Interviews gefragt, inwieweit Norwegen euren Sound beeinflusst, oder?
SH: Das stört uns auch sehr. Nur weil wir aus Oslo kommen und Skandinavien die höchste Selbstmordrate Europas zählt, heißt das noch lange nicht, dass wir depressive Musik machen müssen. Das sind unsinnige Rückschlüsse, sowas langweilt uns.
Alles andere als langweilig ist eure Bühnenpräsenz. Mit knapp 150 Konzerten 2002/2003 habt ihr euch den Ruf als beste skandinavische Live-Band erarbeitet…
RB: Wir freuen uns über solche Komplimente immer sehr. Ein Konzert ist eben die einzige Möglichkeit, aus erster Hand zu erfahren, wie die Songs angekommen sind. Deswegen stellen wir uns nicht einfach nur auf die Bühne und rattern die Setlist runter, sondern versuchen, mit den Publikum in Kontakt zu treten.
SH: Vielleicht kann man den einen oder anderen, der von der aktuellen Platte enttäuscht ist, mit einem guten Gig umstimmen. Live kommen die Songs schließlich immer anders rüber als auf Platte. Deswegen ist jedes Konzert für uns wichtig.
Euer Publikum ist überraschenderweise breitgefächert. Auf eurer letzten Tour habt ihr auch bei Gothic-Festivals wie dem Woodstage oder Mera’Luna Halt gemacht. Wie war das inmitten lauter schwarzer Gestalten?
RB: Das wundert uns in Deutschland sehr. In Norwegen hört der typische Goth kein Madrugada, das ist für ihn fieser Mainstream. Hier in Deutschland ist man da offener. Das mögen wir und kommen gerne, wenn wir merken, dass sich auch solch ein Publikum von unserer Musik angezogen fühlt. Zwar haben wir immer ein mulmiges Gefühl, bevor wir rausgehen, aber dann wurde es bisher immer gut.
SH: Es ist schon sehr ungewöhnlich, aber wir versuchen immer an so vielen Orten wie möglich zu spielen!
Wird es zur aktuellen Platte wieder eine ausgedehnte Europa-Tour geben?
SH: Nein, wahrscheinlich nicht, denn wir planen auch ein paar Auftritte in Amerika. Aber ich kann versichern, dass wir uns gerade deshalb sehr bemühen werden, unserem Status gerecht zu werden. Wir freuen uns schon sehr auf tolle Live-Erlebnisse, denn schließlich ist keine Tour wie die andere.
Text: Marcus Willfroth
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