Hammer und Zirkel im Gespräch über ihr Leben nach dem Musikbusiness, die Zusammenarbeit mit Sido und warum Deutsche nicht “Flavourn” können.
Warum wird man in Berlin eigentlich an jeder Ecke angequatscht? Hier soll man für Amnesty International spenden, dort für den WWF und an der nächsten Ecke steht schon wieder jemand mit Stift und Klemmbrett. Ganz pragmatisch sehen das die beiden Musiker Hammer & Zirkel, die den Spendensammlern an einem Dienstag Nachmittag am Berlin Ostkreuz ins Netz gehen. „Sobald ich es mir leisten kann meinen Traum zu leben, fang ich sofort an zu spenden“, sagt Zirkel der jungen Frau beschwichtigend. Gut zu verstehen, denn die Hohenschönhausener Rapper haben sich auch für ihr zweites Album „Wir sind Freunde, darum machen wir Musik“ kräftig in Unkosten gestürzt. Ein Label gibt es nicht und so ist es wenig verwunderlich, dass die zwei leicht mitgenommen am vereinbarten Treffpunkt ankommen. Beide sind gelernte Erzieher und arbeiten auch täglich in diesem Job. Interviewtermine gehen da nur abends, oder am Wochenende. motor.de traf Georg und Patrick, wie die beiden Jungs bürgerlich heißen, zum entspannten Feierabendgespräch auf einer Tischtennisplatte im Friedrichshain.
motor.de: Ihr habt das Album hier im Friedrichshain aufgenommen. Wie kam es dazu?
Hammer: Das Studio, in dem wir unser erstes Album aufgenommen haben, war außer Gefecht. Da ist die Waschmaschine ausgelaufen und nach ‘nem Kurzschluss war alles hinüber. Dann hatten wir die Wahl: Bringen wir nichts raus, oder nisten wir uns bei Freunden ein, die einen netten Kumpel haben, der einen kannte, vom Bruder seiner Tante. So in etwa. (lacht)
motor.de: Die Arbeit fand im vergangenen Winter statt und ihr habt ziemlich gefroren, wie ich gelesen habe.
Hammer: Naja, die Heizung brauchte schon immer so eineinhalb, zwei Stunden, bis man überhaupt gemerkt hat, dass da ‘ne Heizung an ist. Manchmal ging sie auch gar nicht an. Ich saß dann da mit dicker Winterjacke und Laptop auf dem Schoß.
motor.de: Wie wichtig ist Euch das Berliner Umfeld? Ihr seid Berliner, ihr rappt mit Berliner Schnauze…
Hammer: Dit stimmt! Ich denke, der Dialekt ist schon das Wichtigste. Was unsere Themen angeht, könnten die wahrscheinlich auch in Köln, Bonn, oder Frankfurt spielen, aber die Berliner Schnauze machts aus. Dieses “Icke“, “Nicke” kommt so rüber wie “Ich hab kein Bock, machs aber trotzdem” und entertained dadurch schon irgendwie.
Zirkel: Apopos “Ditte“: Ich war neulich auf der uncle sally’s-Party im Rosi’s, wo der Typ von den Beatsteaks aufgelegt hat. Da standen zwei zugezogene Mädels hinter uns und eine hat sich tierisch darüber aufgeregt, dass ihre Freundin ständig “dit” gesagt hat. Da bin ich mal schön hingegangen und meinte: „Na dann zieh doch hier wieder weg, wenn dich der Berliner Dialekt so nervt, WIR brauchen dich jedenfalls nicht.” Daraufhin isse aufs Klo verschwunden… Kleene Anekdote. (lacht)
motor.de: Ihr hört also nicht nur Hip Hop, sondern geht auch mal auf ne Rock’n’Roll-Party?
Zirkel: Das war seit langem die geilste Party. Vor allem weil der DJ sehr cool war, Totze hieß der glaub ich.
Hammer: …da reimt sich ‘nen mieses Schimpfwort drauf, will ich nur mal gesagt haben, als Rapper. (lacht)
Zirkel: Ich bin da musikalisch schon ziemlich offen. Ich brauch nicht nur Leute mit Cappis. Ich hab gehört, dass diese Party einmal im Monat stattfinden soll und da werd ich definitiv auch einmal im Monat sein.
Hammer: (übertrieben) In der Zeit, in der man sich darüber definiert hat, welche Musik man hört, bin ich in einem Umfeld aufgewachsen, dass durchweg Black Music gehört hat. Haste gehört, da kam der Erzieher durch. Ich feier mich gerade selber (lacht). Nein, ich hab schon früher Hip Hop gehört, hatte aber niemanden, der die Musik auch gut fand. Dann hab ich Patrick bei der Erzieherausbildung getroffen und der kam direkt am ersten Tag mit cooler Dickies-Hose und Schiebermütze an.
Zirkel: Jaja, früher waren wir so richtig Underground. Mit Opamütze, Pullunder in 2XL und weil wir uns keine Baggys leisten konnten, sind wir zum Kaufhof und haben uns Jeans in Übergrößen gekauft.
Hammer und Zirkel – “Liebessong für Britney Spears”
motor.de: Im Intro zur neuen Platte sagt ihr explizit, dass es kein weiteres geben wird, wenn nicht langsam Geld reinkommt. Wie denkt ihr, nehmen die Leute das auf: Erst gibt es viel von Euch zum kostenlosen Download und dann wollt ihr auf einmal Geld dafür?
Zirkel: Das ist eine schwierige Frage. Sagen wir mal so, Geld steht ja bei uns auch nicht an oberster Stelle, aber es wäre schon schön, wenn man wenigstens die Kohle, die man in so ein Album steckt wieder herausbekommt. Bei uns steht eben kein Label dahinter, dass uns mal eben 10.000 € für eine Platte vorstreckt, sondern wir zahlen das alles selbst.
motor.de: Ihr habt verlauten lassen, dass ihr nach der Release auf Tour gehen wollt. Wie sehen die Pläne aus?
Zirkel: Wir planen zusammen mit Harris, der im September sein Album “Der Mann im Haus” veröffentlicht, auf Tour zu gehen. Soweit zumindest der Plan. Sowas will ja auch erstmal vorfinanziert werden. Wenns klappt, dann auf jeden Fall in diesem Winter.
Hammer: (überlegt noch immer)…ich bin immer noch auf dem Klicksthema hängen geblieben. Man könnte uns das ja wirklich so negativ auslegen, wie du es formuliert hast: “Erst machen sie einen auf Internet und dann wollen sie auf einmal Geld haben.” Wir sind da aber nie so rangegangen. Die Leute mussten erstmal begreifen “Ok, die sind lustig, haben aber auch was im Kopf” und das war zu der Zeit als wir angefangen haben überhaupt nicht “In”. Mit den Sachen auf Myspace zu überzeugen, sodass Leute dann auch das Album haben wollen, das war eigentlich das Konzept.
motor.de: Braucht man heute denn noch zwingend ein Album um die breite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen?
Zirkel: Merkwürdiger Weise schon. Einerseits hat sich der Markt vollkommen verändert, andererseits gibts noch veraltete Mechanismen, die den neuen Markt nicht zulassen. Weißt du wer am meisten an unserem Album verdient? MediaMarkt und Saturn. Die bekommen gut die Hälfte der Einnahmen. Doch nicht nur die Firmen, auch die Leute haben sich noch nicht angepasst. Steht dein Album nicht bei Saturn oder MediaMarkt, ist es automatisch weniger wert. So ist eben die Denke.
motor.de: Wurmt Euch das dann, wenn man sieht was mittlerweile hinter diversen alten deutschen Hip Hop-Künstlern für eine Marketingmaschinerie steckt?
Zirkel: Nö, gar nicht. Die haben sich das auch verdient. Natürlich sind sie auch zu einer Zeit an den Markt gekommen, als es leichter war. Gerade in den Neunzigern wurde ja alles gesignt was nur ne Kappe auf hatte. Sowas wie Philly MC zum Beispiel…
Hammer: …oder Cappuccino…
Zirkel: …oder Cappuccino. Da wurde alles weggesignt, es gab nen fetten Vorschuss und es hieß: “Ja komm, macht mal Euren Hip Hop-Kram“.
Hammer: (singt) “Ich betrete unsere Wohnung, zum ersten Mal allein. Die Ruhe ist so schön, genauso sollte es sein.”
Zirkel: Ick kack dir gleich auf deinen Fuß… (lacht) Nee, da ärgern wir uns nicht, den die sind ja wirklich lang genug dabei und haben ja auch eine Menge geleistet.
Harris feat. Hammer & Zirkel – “Ngeiler Tach”
motor.de: Was wäre denn, wenn heute so jemand kommen würde?
Zirkel: Das kommt darauf an wie der drauf ist. Wenn der mir sagt: “Ich geb dir ne Million, dafür musst du aber in den nächsten drei Jahren mit rosa Tu-Tus rumlaufen“, zeig ich ihm den Mittelfinger. Sagt er aber: “Ich sicher Euch die nächsten drei Alben ab und ihr müsst nur so bleiben wie ihr seid“, dann würd ich sagen: “Cool!“
motor.de: Also jetzt der Major-Deal, dann das „Rap-Game“ durchziehen und mit 40 wieder zurück in den Erzieher-Beruf?
Zirkel: Voll!
Hammer: Er ja, ich nicht. Ich würde lieber in der Musikbranche Fuß fassen. Ich kann mir durchaus vorstellen, ein 40-jähriger Musiker zu sein, aber kein 40-jähriger Rapper, da würd ich mich schämen. Komischerweise geht das aber bei Jay-Z. Der ist ja auch nicht mehr der Jüngste und steht noch auf der Bühne. Die Amis können das irgendwie…
motor.de: Vielleicht muss man bis dahin Gelder aus anderen Branchen akquirieren, wie eben Jay-Z.
Zirkel: Wenns den Weg in Deutschland geben würde… Wir sind hier halt nicht in Amerika. Hier musste andere Wege finden. So richtig hart: Ticken auf der Straße, oder so. (lacht)
motor.de: …oder ein Tattooladen, wie Euer Albumgast Sido?
Zirkel: Das ist für mich einer der cleversten Moves, den ein deutscher Rapper in den letzten Jahren gebracht hat. Siggi nimmt sein Geld und sichert sich seine Existenz durch etwas, was ihm selber taugt. Was gibts denn cooleres?
Hammer: Es ist in Deutschland eben so, dass du über Leistung definiert wirst. Deutsche können nicht “Flavourn“. Deutsche erwarten bei Rock harte Gitarrenriffs, dann ist es krass. Wenn Rock-Bands das erfüllen, haben sie ihren Job erledigt und wir finden die gut. Wenn man dann als Rapper sagt: “Ey, ich wollte in dem Song einfach mal swaggern. Hier musste den Flavour fühlen, musst zwischen den Zeilen lesen“, dann kann Deutschland das nicht. Ich seh noch 50 Cent bei TV Total mit seinem Parfüm vor mir: “…der ganze Spirit ist in meinem Duft. Wenn du den hast, dann besitzt du ein Teil von der Hip Hop-Attitüde und dem Movement“. Dann werfen sie mit Begriffen um sich, die man nicht anfassen kann und das funktioniert in Deutschland nicht. Deutsche müssen immer was be-greifen. Denen musst du sagen: “Das riecht jetzt nach Kohle und wenn du dich damit einsprühst, dann riechst du wie ein echter Arbeiter“. Deswegen ist ein Tattoo-Laden wirklich was Gutes, da es ein anerkanntes Handwerk ist.
motor.de: Wie kam die Zusammenarbeit mit Sido?
Zirkel: Wir haben auf unserem ersten Album mit seinem langjährigen Kumpel “Bobby” B-Tight gearbeitet. Dadurch waren wir ihm wahrscheinlich ein Begriff und er war uns ja auch schon so ‘n bisschen bekannt. (lacht) Wir haben ihm dann von unserer Idee berichtet, dass wir ihn im Song immer abwürgen, weil er die Erzieherausbildung nicht fertig gemacht hat. Das fand er cool und hat mitgemacht.
motor.de: Ist er der Einzige, mit dem man das machen kann?
Zirkel: Auf dem Level? Auf jeden Fall. Mit Tokio Hotel bräuchten wir das nicht machen. (lacht) Ich könnt mir aber auch keinen anderen Rapper vorstellen der das mitgemacht hätte. Samy, oder Azad – so krass sie als Rapper sind – kann ich mir in dem Track bei Leibe nicht vorstellen. Die nehmen sich als Kunstfiguren dafür zu ernst.
motor.de: Ist das vielleicht der Schlüssel im Musikgeschäft, sich nicht ganz so ernst zu nehmen?
Hammer: Der Schlüssel ist Ideen zu haben, zu versuchen Neues zu machen.
Zirkel: Sido bekommt ja viele Anfragen, aber dadurch das bei uns ‘ne coole Idee dahinter stand, fällst du automatisch auf.
Hammer: Die Erfahrung haben wir schon öfter gemacht, dass die Leute unsere Ideen gut fanden und so blöd das jetzt klingt, sind wir dann auch noch sympathisch genug, dass viele auch was mit uns machen. Ganz am Anfang bei Joe Rilla war das genauso. Da sind wir schüchtern zu ihm gegangen: “Wäre es eventuell vielleicht mal möglich, dass du über unser Mixtape drüberguckst? Wir wissen zwar nicht wie wir dich bezahlen sollen, würden dich aber gern zum Essen einladen.” (lacht)
Zirkel: Mittlerweile ist das eine Art Tradition. Auch nach diesem Album haben wir alle, die dabei geholfen haben, in den Schnitzelkönig eingeladen. Dann sitzt da ne Traube von 20-25 Leuten, es wird noch eine kleine Rede gehalten, die etwas anrührend ist und dann gibts Essen. Wahrscheinlich wirkt das… Tja, so sind wir halt.
Interview: Christoph Berger
»Hier gibts sowohl das erste, als auch das aktuelle Album von Hammer und Zirkel.
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