In der unerträglichen Schwüle der ersten Sommernacht des Jahres sind die heiligen Hallen des UT Connewitz zu Leipzig the place to be – herrscht hier doch jahreszeitunabhängig eine angenehme Kühle, die man für nichts auf der Welt gegen beliebige Transpirations-Höllen naheliegender Indie-Discos eintauschen möchte. Erst recht nicht, wenn sich West Thordson wieder einmal die Ehre erweist; seines Zeichens Kreativkopf und Konstante der wunderbaren A Whisper In The Noise, von denen man nach dem überragenden “Dry Land” ohne Begründung lange Zeit gar nichts mehr hörte. Den Unkenrufen um eine heimliche Auflösung zum Trotz erschien im Februar dieses Jahres mit “To Forget” der langersehnte Nachfolger und die passende Tour führte AWITN zum wiederholten Mal in den Leipziger Süden.

A Whisper In The Noise – “Your Hand”

Für Liebhaber der rumpeligen Schwermut und den unvermittelten Brüchen früherer Werke könnte das neue Material seine Schwierigkeiten mit sich bringen – klangen A Whisper In The Noise doch selten friedlicher und in sich ruhender, als auf “To Forget”. Den Hang zum Moll wird West Thordson sicher niemand mehr austreiben, die Post-Rock-Anleihen scheinen sich jedoch mehr und mehr in Richtung des schützenden Slowcore-Unterstands zurückzuziehen. So ist die Violinistin Sonja Larson anno 2012 die einzig verbliebene Unterstützung für den Multi-Instrumentalisten und Filmscore-Komponisten. Das UT zog die logische Konsequenz aus der musikalischen Reduktion und entschied sich für ein Sitzkonzert – eine gute Entscheidung, wie sich heraus stellten sollte.

Den Auftakt erledigten zunächst 2/7 der Dresdner Folk-Formation Garda. Mit ihrem brandaktuell erschienenen Album “A Heart Of A Pro” im Gepäck merkte man dem Band-Rumpf die seichte Verunsicherung ob seines improvisierten Sets zwar an, ihre Sache machten sie aber sehr ordentlich. Die hörbaren Veröffentlichungen sind nichtsdestotrotz empfehlenswerter als die solide Lo-Fi-Variante aus Gesang/Gitarre und Drums. Bonuspunkte gabs für sächsischen Charme (“Wehe, jemand schläft ein!”) und den von Herzen kommenden Dank an alle Anwesenden fürs “Nicht-Grillen”.

Garda – “Upper/Lower Water Course”

Der große Vorteil der neuen/alten Bandbesetzung von A Whisper In The Noise: die quasi nicht vorhandene Umbaupause. West Thordson schlurfte schlicht auf die Bühne, parkte seine Gitarre und unterzog die dort bereits auf ihn wartende Drumpad-Synthie-Kombination einer letzten Prüfung – abschließend den obligatorischen Laptop aus dem Standbye erweckt und Frau Larson dazugebeten – schon konnte es losgehen. Und wie es das tat.

Von Beginn an voll aufeinander und auf die Musik konzentriert, begannen A Whisper In The Noise mit dem, was sie am besten können: den Zuhörer in den Mahlstrom ihrer stets etwas unheilvollen Melancholie zu ziehen. Dass beide Bandbestandteile keine besonders großen Freunde der Rhetorik sind, wurde dabei schnell klar, machte aber auch maximal gar nichts. Song um Song brachten sie den andächtig Lauschenden ihr generalüberholtes Soundgewand näher und was vor allem Thordson immer wieder aus geloopten Drums und fragilen Keyboard-Melodien heraus zu holen imstande war, das unterstrich zu jeder Sekunde seine atmosphärische Klasse. Laut wurde es dabei selten, einige ältere Stücke wie “As We Were” fanden aber glücklicherweise auch den Weg in die Playlist – das Publikum wusste es zu schätzen. Fasziniert lauschte und versank ich, sah Frau Larson bei unzähligen Pizzicato-Orgien zu und vergaß darüber sowohl mein Bier als auch die Zeit – bevor das Konzert dann auch recht jäh seinem Ende zuging.

A Whisper In The Noise – “Tale Of 2 Doves”

Nach einer abgerungenen Zugabe und Thordsons schüchternem Hinweis auf seine – in der Tat hörbar angeschlagene – Stimme fand der Abend schließlich ein schönes Ende. So schön, wie “To Forget” versprach, dass er werden würde. A Whisper In The Noise – das ist heute vielleicht eher melancholischer Ambient-Folk als düsterer Post-Rock dafür aber immer noch: vom obersten Regal! Danke an die Bands und liebes UT-Team: Danke, dass auch die Bar ihren Klimper-Pegel größtenteils an die kontemplative Atmosphäre angepasst hat. Jetzt müsstet ihr nur noch eure Tür ölen, dann wird alles gut.

Henning Grabow