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Ein Hauch von Versöhnung mit dem guten Musikgeschmack: Die amerikanischen Grammys und die Brit Awards sind soeben durch. Aber im März droht der Echo.
Brit Awards 2011: Adele triumphiert.
Es ist genau ein Jahr her, als Adele allein neben einem Flügel auf der Bühne der riesigen Londoner O2-Arena stand und “Someone Like You” sang; so ergreifend, dass sie sich selbst am Ende kaum die Tränen verkneifen konnte. Es waren die Brit Awards 2011, Adele war Live-Gast, soeben erschienen war ihr Album “21” – so alt war sie da – und jedem, der Ohren hatte und wenigstens einen Hauch von Musikgeschmack, war spätestens jetzt klar, dass dieses Jahr das Jahr von Adele werden würde. Ein Jahr später hat sie ungefähr zehn Fantastrilliarden Alben verkauft, ein halbes Dutzend Grammys gewonnen und – da schließt sich vorläufig der Kreis – soeben die wichtigsten Brit Awards als “British Female Solo Artist” und “British Album Of The Year” abgeräumt.
Es ist Award-Zeit, traditionell werden im Februar die beiden wichtigsten Musikpreise der Welt verliehen – zumindest sagt man das immer gern in den einschlägigen News-Meldungen nach den Galashows. Das ist nicht prinzipiell falsch, schon weil die jeweils abgedeckten regionalen Musikmärkte tatsächlich die wichtigsten der Welt sind: Nordamerika und Großbritannien. Und um Musikmärkte geht es vorrangig. Grammys und Brit Awards sind in ihrem Kern Veranstaltungen der Musikindustrie, die widerspiegeln, was sich im Mainstream so getan hat, was der durchschnittliche Musikkonsument über das Jahr am Meisten goutiert hat. Es ist das Prinzip des Scheißens auf den größten Haufen, könnte man nicht zu Unrecht monieren. Gerade auf der Insel hat diese Politik der Preisvergabe in den letzten zwanzig Jahren einen derartigen Überdruss bereitet, dass sich mit dem Mercury Prize eine hoch renommierte Konkurrenz der Musikkritiker etabliert hat. Dass nebenher nahezu jedes der wahrlich nicht raren britischen Musikmedien – allen voran natürlich der New Musical Express mit seinen “Brat Awards” – eigene Preise vergibt, gehört zum gern rezipierten popmusikalischen Tagesgeschäft. Die Musiklandschaft des Kingdom gibt das locker her.
Brit Awards 2012: Adele triumphiert, das Sequel.
Die Brit Awards jedenfalls sind 2012 weitgehend überraschungsfrei geblieben, Foo Fighters, Bruno Mars und – es scheint nicht vermeidbar – Coldplay sind die Haupt-Preisträger, neben den üblichen hierzulande praktisch unbekannten Teenie-Band-Größen der Insel und dem aktuellen Newcomer-Schmusesänger Ed Sheeran. (Es gibt einen ungefähren Drei-Jahres-Zyklus, in dem sich ein neuer gefühliger Jungmann-Star durchsetzt, der sich im Wesentlichen von seinem Vorgänger-Modell à la James Blunt oder James Morrison kaum unterscheiden lässt, falls man nicht zur Liga heranwachsender Mädchen oder gelangweilter Hausfrauen gehört – immerhin seit Anbeginn ihrer Existenz Kernzielgruppen der Musikindustrie.)
Dass eine Adele diesseits und jenseits des Atlantiks so dominierend sein würde, ist wenig überraschend. Denn sie funktioniert am allerbesten als Antithese zum inzwischen nun aber hoffentlich wirklich überdrehten Lady Gaga-Overkill. Der Award-Durchmarsch ist die – ja sogar in den aktuellen Casting-Shows reflektierte – Mainstream-Manifestation der schon länger wahrnehmbaren Rück-Orientierung zum kompetenten Musik-Handwerk in einem engeren Sinn als ihn die Popmusik eigentlich erlaubt, weg von der “Künstlichkeit” hin zum “Authentischen”. Selbst die ultimative Kunstfigur des Jahres – Lana Del Rey, “International Breakthrough Act” bei den Brits – hat ihre Inszenierung dem untergeordnet, indem sie eine altmodisch aufgeladene Authentizität vorzeigt, während die konzeptionellen Grundlagen ihrer Musik und ihres Marketings selbstverständlich ultramodern angelegt sind.
“Outstanding Contribution To Music”: Blur bei den Brits.
Bei den Grammys selbst sorgte dieser Trend immerhin für eine doch einigermaßen handfeste Überraschung. Ausgerechnet Sonderling Justin Vernon bekam für sein eher als Außenseiter gehandeltes Projekt Bon Iver den Grammy als “Best New Artist” und für das beste “Alternative Music Album”. Damit folgt die Grammy-Vergabe nach dem Vorjahr erneut der Vorgabe des eher Indie-hörigen Musikkritiker-Konsens, hatten damals doch Arcade Fire die einschlägigen “Beste Alben”-Listen der angestammten Musikmedien angeführt – es gab dann den Grammy für das “Album Of The Year”. 2011 hatte sich Bon Iver reihenweise in den Redaktionen durchgesetzt. Man kann das mit ein bisschen gutem Willen und einer gehörigen Portion Optimismus als eine Art Annäherung an das real existierende Musikbusiness abseits der wenigen Megaseller der Industrie deuten. (Wobei man nicht vergessen darf, dass Adeles “21” auf einem nominellen “Independent”-Label (XL Recordings) veröffentlicht wurde.) Diese Realität ist dabei, den Graben zwischen Mainstream und Underground, zwischen Produkt und Kunst, mal wieder ein Stück weit zuzuschütten. Etliche der angestammten Szene- und Kritikerbands der letzten Jahre haben weltweit betrachtet einen auch kommerziell enormen Erfolg. Was wiederum deren Fans, die sich unterdessen noch als musikalische Avantgarde wähnen, oftmals noch gar nicht bewusst ist.
Die Brit Awards sind von derlei Modernitäten noch weitgehend sicher, sogar ein James Blake – noch so ein Überflieger des letzten Jahres – ging bei denen leer aus. Aber es ist halt Großbritannien, das Land, in dem man eine Handvoll Awards irgendwohin wirft und es trifft garantiert wenigstens noch ein paar Richtige. Deutlich schlimmer wirds im März beim deutschen Vorzeige-Preis Echo. Der preist sich zwar gern als bedeutenden Award mit globalem Effekt. Allein ein Blick in die ersten bekannt gegebenen Nominierungen zeigt jedoch, dass Deutschland in Sachen Musikawards nur in Sachen Peinlichkeit ganz oben mitspielt.
Augsburg
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