“I saw your picture in a magazine / You looked bigger, brighter, stronger than everything” — verrät die neue Popschöheit Amanda in ihrer Single “Sense” gar etwas über ihre eigene Person?
Die allmählich sich selbst verzehrende Maschinerie der modernen Musikindustrie wird nicht müde, neue Gesichter in der Popwelt zu etablieren. War es zuvor noch das kleine Island, das bemerkenswerte Newcomer-Alben in die Plattenregale Europas und der Welt stellte, befindet sich nun Schweden auf dem neuerlichen Feldzug gen Deutschland, Großbritannien und den ganz großen Festivals. Die zerbrechliche Persönlichkeit der noch blutjungen Amanda Mair, von der schwedischen Insel Lidingö — einem Vorort Stockholms — könnte jetzt zum Sinbild dieser Kampagne erwachsen.
Im Gegensatz zu Amandas fragiler Statur und dem feinen Stimmchen, toben ihre Popsongs munter los. Von heiter-beschwingt bis ruhelos-treibend, bietet ihr neuerlich aufgelegtes, selbstbetiteltes Debüt eine höchst zugängliche Pop-Melange feil. Doch was steckt hinter diesem schier unantastbaren Perfektionismus. Der Kunst alles so glatt und schön und doch individuell wirken zu lassen? Wir haben Amanda getroffen und sie zunächst nach ihren Schwächen gefragt. Und siehe da — die Kleine hielt stand!
Amanda Mair – “Sense”
motor.de: Gerade eben war Musik machen noch dein Hobby, jetzt ist es dein alltäglichen Job geworden. Wie hart ist das?
Amanda: Im Studio zu sein, finde ich überhaupt nicht lustig. Also war auch die ganze Albumsache nicht wirklich zum Lachen und ziemlich hart. Dafür entschädigen mich die Auftritte. Live performen zu dürfen, ist für mich die beste Sache auf der Welt. Zwar haben mich schon viele Leute gefragt, ob ich langsam von meinen eigenen Songs gelangweilt bin. Aber ich denke, dafür ist es noch zu früh. Ich hoffe sie werden mich niemals langweilen.
motor.de: Kannst du dich an einen richtig beschissenen Tag im Studio erinnern?
Amanda: Ja, im vergangenen Sommer gab es so ein Erlebnis. Ich war mit Philip Ekström von The Mary Onettes unterwegs.
motor.de: Der Typ hat auch dein Album produziert?
Amanda: Genau. Es war eigentlich ein ganz normaler Tag im Studio. Zwar waren schon die anderen Tage ziemlich anstrengend und ich hatte schon keine große Lust mehr. Doch dann ist mir was verdammt Blödes passiert. Aus “Das hier macht keinen Spaß!” wurde plötzlich “Ich hab’s nicht drauf”. Ich begann, an mir selbst zu zweifeln.
motor.de: Warum ist das passiert?
Amanda: Der hauptsächliche Grund dafür war die ständige Wiederholung, der du dich Tag für Tag im Studio ausgeliefert fühlst. Glaub mir, wenn du immer wieder die selbe Zeile einsingen musst und das Ergebnis trotzdem nicht gut genug ist, dann beginnst du irgendwann dir die schlimmsten Vorwürfe zu machen. Das ist schrecklich.
motor.de: Was hast du gemacht?
Amanda: Ich musste mir eine Woche frei nehmen. Das Gefühl, einfach nur noch alles hinschmeißen zu wollen, musste erstmal weg. Als ich nach einer Woche wiederkam, spürte ich die frische Energie und konnte wieder arbeiten.
motor.de: Hast du noch andere Strategien gegen solche Katastrophen parat?
Amanda: Jetzt gerade sind ja Sommerferien. Aber oft hilft mir einfach die Schule, Ablenkung zu finden. In der Schule versuche ich so wenig wie möglich über mein Album oder meine Musik zu reden.
motor.de: Ist das nicht schwer, als Superstar?
Amanda: Ich bin kein Superstar.
motor.de: Komm schon, du weißt was ich meine…
Amanda: (lacht) Natürlich! Aber ich freue mich über jeden, der mich auf der Straße nach einem Autogramm fragt. Ich bin ja außerdem auf einem Musik-Internat. Dort gibt es viele, die gerne Songs aufnehmen würden. Also werde ich auch viel gefragt, wie ich das mit dem Album auf den Weg gebracht habe. Aber merk dir bitte: ich bin nicht Justin Bieber.
motor.de: Auf dem Internat wirst du sicher viel beneidet.
Amanda: Nicht wirklich. Die Leute, mit denen ich auf die Schule gehe, sind ja schon von Anfang an dabei gewesen und haben mich schon immer unterstützt. Zum Teil wie echte Freunde. Neid gibt es also keinen. Auch wenn zugegebenermaßen alles ziemlich gut geklappt hat.
motor.de: Im Internet dürftest du häufiger auf Neider stoßen.
Amanda: Natürlich! Und das Schlimmste sind YouTube-Kommentare! Eigentlich wollte ich es ja nie tun, aber eines Abends habe ich mich hingesetzt und jeden einzelnen Kommentar unter meinen Videos durchgelesen. Das habe ich seitdem nie wieder getan.
motor.de: Warum nicht, was stand denn da?
Amanda: “Wer glaubt, dass die hier wirklich Musik machen kann?” war unschön. Und solche Sätze bleiben wirklich tief in mir stecken. Oft für mehrere Wochen. Das habe ich schon früh herausgefunden. Wenn ich beispielsweise einen Artikel lese und der Redakteur schreibt nur Positives über mich, mein Album, meine Stimme. Und dann lese ich nur eine einzige kritische Zeile. Dann bedeutet der ganze Rest mir auf einmal gar nichts mehr.
motor.de: Hast du ein Mittel gegen solche Anfälle?
Amanda: Nicht mehr so viel lesen. Das ist das Einzige was hilft und sobald du es kapierst, geht es dir besser. Da sind all meine Freunde, die mich in jeder Minute unterstützt haben und meine Familie, die immer an mich geglaubt hat. Und dann lasse ich mich von einem einzigen YouTube-Kommentar fertig machen. Nur weil irgendein Fremder nicht glaubt, dass ich gut wäre.
motor.de: Glaubst du, dass du gut bist?
Amanda: Ähm… yeah! (lacht)
Interview, Text & Photo: Josa Valentin Mania-Schlegel
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