Anna Calvi würde sicher auch größere Locations füllen, doch der Privatclub in Kreuzberg sollte es sein. Dafür gleich an zwei Tagen hintereinander. Ausverkauft, beide.

Mit den roten Vorhängen und der schummrigen Beleuchtung scheint der Club wie gemacht für Anna. Keine riesige Bühne, keine grellen Scheinwerfer, keine Securities, die sich vor der Bühne aufbauen. Für die ersten Reihen ist sie gar zum Greifen nahe. Seit der Veröffentlichung ihres Debüts sind gerade einmal zwei Monate vergangen. Calvi wurde dafür von der Musikpresse gefeiert wie lange keine Solokünstlerin fernab vom Mainstream. Die Euphorie sorgte dafür, dass ihr Konzert am Samstagabend im Privatclub so schnell ausverkauft war, dass man einen Ersatztermin ansetzte. Dieses Kartenkontingent überlebte jedoch auch nicht lange. Das alles spricht dafür, dass man Anna Calvi vermutlich demnächst nicht mehr in solch intimen Locations antreffen wird. Gut, dass wir das noch miterleben durften.

Intime Location heißt im Falle des Privatclubs hohe Temperaturen, obwohl sich niemand bewegt, sowie eine so flache Bühne, dass man die kleine Anna nur in den ersten Reihen richtig sieht. Sie zu sehen ist aber ein wichtiger Teil des Erlebnisses. Ein weiterer Nachteil: Der Club hat keinen Bühneneingang. So müssen Anna und ihre Band vom Security durch die Menge geführt werden. Und ja, sie ist sehr klein selbst mit High-Heels und ja, sie schaut auf den Boden, als sie durch die Menge läuft. Anna Calvi ist schüchtern, bis zu dem Moment, an dem sie die Bühne betritt.

Anna Calvi – “Jezebel”
(live)

Das Konzert beginnt mit “Rider To The Sea”, dem Instrumentalstück, das auch ihre Platte eröffnet. Danach “No More Words” und die erste Gänsehaut, die bis zum Ende des Auftritts nicht so recht verschwinden will. Meist schließt sie die Augen, reißt ihre Gitarre herum und hält sie wie eine Waffe, mit der sie ihre Stärke demonstriert. Ihr Ausdruck auf der Bühne ist enorm und sie begibt sich jedes Mal erneut in ihre eigene Welt. Doch trägt sie so viele Emotionen nach außen, dass man die Songs nicht nur hören, sondern auch spüren kann. So kitschig das auch immer klingen mag, doch die Unwetter, die sie auf ihrem Album entfacht, lässt sie auch live auf die Zuhörer los. In den Pausen zwischen den Songs lächelt sie wieder schüchtern ins Publikum und bedankt sich, als könnte sie das ihr Glück für den Moment gar nicht fassen.

Das Publikum aber bringt der Band allen Respekt entgegen, in Stücken wie “The Devil”, in denen sekundenlang Stille herrscht, dringen keine Unterhaltungen, kein Gläserklirren, kein Tuscheln nach vorn. Calvi hält sie alle fest gefangen. Müde seien sie, sagt Anna, schließlich ist das der letzte Gig auf ihrer Tour. “Let’s play ‘Desire'”, meint sie zu ihren Musikern und grinst dabei, als hätte sie gerade entschieden, dass sie jetzt Lust auf diesen Song hat. Mally Harpaz beginnt mit dem großen Harmonium das wohl beste Stück auf “Anna Calvi”. Nach einem Cover von Elvis‘ “Surrender”, unendlichen Gitarrensoli und leidenschaftlichen Steigerungen bis an den Rand des Pathos, endet Anna Calvi ihre Tour mit dem Song mit dem sie einst begann: “Jezebel” vereint nochmal Annas ganze Stärken, die Leidenschaft, das Selbstvertrauen und die Kraft zu solch einem umwerfenden Auftritt.