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Billy Talent im Interview

Billy Talent sind älter geworden, und mit ihnen auch ihr Sound – die Quellen der Inspiration sind jedoch immer noch die üblichen Verdächtigen: Nirvana, The Clash und die Ramones.

16 Jahre Bandgechichte und drei veröffentlichte Alben. Für die heutige Zeit mag das unverhältnismäßig klingen, doch Billy Talent gehören noch zum alten Schlag – ganz ohne Internet und MySpace fanden die Postrocker nach zehn Jahren endlich den Weg zum Erfolg. Zeit genug, um einmal zurück zu blicken. Billy Talent Gitarrist Ian D’Sa im Gespräch mit motor.de über den musikalischen Werdegang der Band, das neue Album “III” und einen Besuch bei Stefan Raab.

motor.de: Ihr habt, bevor ihr auch komerziell erfolgreich wart, schon zehn Jahre zusammen Musik gemacht. Wie hat alles angefangen?

Ian: Naja, man macht den Tag über so seinen Job oder geht aufs College, und abends trifft man sich zum proben. Wir haben zum Spaß damit angefangen und ein paar Jahre später dann Ernst gemacht. Erst gegen ’95 wollten wir wirklich damit durchstarten. Als ’99 dann immer noch nichts passiert ist, haben wir uns fast getrennt. Sieben Jahre sind eine Zeit, in der sich normalerweise etwas tut, wenn man gut ist, aber selbst danach waren wir sehr selbstbewusst und davon überzeugt, dass wir gute Songs schreiben. Also hielten wir durch und 2001 hat es dann auch endlich mit dem Erfolg angefangen.

motor.de: Heute werden Bands oft sehr schnell berühmt – denkst du, es ist besser klein anzufangen?

Ian: Ja, ich denke es ist viel gesünder für die Karriere der Band. Viele haben schon in sehr jungen Jahren Erfolg und verstehen nicht, wie viel Arbeit dahinter steckt, so etwas aufzubauen und dann auch weiterzumachen. Sie werden sofort ins Rampenlicht geschubst und dann implodieren sie irgendwann. Wir hatten eigentlich Glück, dass wir uns diese ersten zehn Jahre so den Arsch aufgerissen haben, um irgendetwas zu erreichen. Man weiß es mehr zu schätzen, wenn man wirklich so weit kommt, fängt an noch härter zu arbeiten, um dieses Level halten zu können. Für uns ist es ein Job, aber gleichzeitig etwas, das wir lieben und bei dem wir mit Leidenschaft dabei sind.

motor.de: Also genießt iohr jetzt die Früchte eurer Beharrlichkeit?

Ian: Auf jeden Fall. Es ist einfach ein wahnsinns Gefühl in so großen Arenen zu spielen, das kam ja auch nicht einfach so. Wir touren schon sieben Jahre in Deutschland, als wir das erste Mal da waren, haben wir vor 150 Leuten in einem kleinen Club gespielt. Damals hatte noch niemand von uns gehört. Es hat sich wie gesagt alles langsam aufgebaut.

motor.de: Wie würdest du eure musikalische Entwicklung beschreiben?

Ian: Ich denke, wir sind erwachsener geworden. Wir wollen uns musikalisch mehr herausfordern und sind auf dem letzten Album in eine neue Richtung gegangen. Ich würde uns immer noch als Punkband bezeichnen, aber wir haben keine Angst davor, auch mit anderen Sachen zu experimentieren. Wir wollen uns nicht definitiv unter einem einzigen Genre abstempeln lassen. Wir sind eine alternative Rockband und haben einen bestimmten Sound, nämlich den Billy Talent Sound. Viele unserer Lieblingsbands halten das genauso. Z.B. Faith No More oder die Chili Peppers, die haben auch ihren eigenen Sound, experimentieren aber auch gerne in andere Richtungen. Und um nochmal deine Frage von vorhin aufzugreifen – ich denke, diese Bands sind genau deshalb auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich sowas länger hält, als jemand, der über Nacht berühmt wird.

motor.de: Euer letztes Album klingt ein wenig anders – orchestraler, etwas polierter und nicht mehr ganz so rau wie der Vorgänger…

Ian: Ja, wir wollten es diesmal eben ein bisschen anders machen. Wir haben mit Brendan O’Brien gearbeitet, es gibt mehr Percussion im Hintergrund und wir wollten nach den 16 Jahren die wir inzwischen zusammen spielen einfach mal was Neues ausprobieren. Es ist ja auch wichtig als Band zu wachsen.

motor.de: Was sind heute eure größten Einflüsse?

Ian: Für das letzte Album haben wir uns auf die Anfänge zurück berufen. Wir haben viele Punkbands gehört, wie Fugazi, The Clash oder The Ramones – wie damals als wir auf der High School waren. Und 1992 gab es natürlich eine große musikalische Revolution, auch das haben wir wieder viel gehört – Soundgarden, Nirvana, Pavement. Die haben uns damals schon verändert.

motor.de: Was erwartet uns bei eurem nächsten Album?

Ian: Das kann ich noch gar nicht sagen, wir haben vor ein paar Monaten erst das letzte Album veröffentlicht, deshalb denken wir da noch nicht drüber nach.

motor.de: Ihr wart vor kurzer Zeit bei Stefan Raab in seiner Show TV Total zu Gast – wie hat euch das gefallen?

Ian: Es war toll! Uns wurde gesagt, dass es so was wie der deutsche Letterman ist – das ist sehr beeindruckend. Stefan war sehr nett und die Show echt witzig.

motor.de: Passiert es manchmal noch, dass die Leute euch aufgrund des Bandnamens für einen Solokünstler halten?

Ian: In Deutschland oder Kanada eigentlich nicht, nein. In den USA manchmal, da sind wir nicht besonders bekannt und spielen immer noch in kleinen Clubs. Wenn die Leute zur Show kommen, denken sie also, dass es eine Band von einem Typen namens Billy Talent ist.

motor.de: Was ist der Grund dafür, dass ihr hier so viel bekannter seid als in den Staaten?

Ian: Als wir unseren Labeldeal in den USA gesignt haben, war das mit Atlantic Records. In Deutschland und Kanada sind wir bei Warner. Atlantic hat seinen Job nicht so toll gemacht. Sie wussten nicht richtig, wie man eine Band wie uns promotet, da sie sich gerade eher als ein Label für Pop und R n’B spezialisieren. Wir haben bei den ersten beiden Alben nicht mal Singles veröffentlicht und hatten überhaupt keine Presse. Es ist einfach wichtig, dass das Label diese Arbeit macht, wenn man auf Tour ist. Wir sind dutzende Male durch die Staaten getourt, aber es macht keinen Sinn, wenn du vom Label keine Unterstützung bekommst und deine Platten nicht in den Läden stehen. Wir haben Atlantic jetzt verlassen und sind für das dritte Album zu Roadrunner Records gewechselt. Das ist viel besser, sie sind spezialisiert auf Rock- und Metal-Bands und wir machen schon viel mehr Interviews und laufen im Radio – es ist wie ein Neuanfang, denn sowas haben wir in Amerika die letzten drei oder vier Jahre nicht erlebt. Es hat denke ich nichts mit dem Publikum zu tun, wir haben ja auch in Amerika viele Fans.

Interview: Marc Lomenick
Fotos: Florian Kresse

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