“Boomkats Musik ist das Resultat von unterschiedlichsten Einflüssen – von den Beatles über A Tribe Called Quest und Motown bis hin zu Depeche Mode und Oasis”, sagt Kellin Manning, der Kopf hinter den vielschichtigen Beats, Samples und farbenprächtigen Live-Sounds der Formation. “Unser Album spiegelt all die Musik wider, mit der wir aufgewachsen sind – und das ist auch der Grund dafür, dass es schlicht unmöglich ist, uns punktgenau auf einen Stil festzulegen.”
HipHop – hier insbesondere die Old-School-Breaks – sind ein wichtiges Markenzeichen der musikalischen Mixtur, aber ebenso sind Pop, Soul, Electronica und das geradezu mystische Band zwischen den Geschwistern elementare Bestandteile.
“Weil wir gemeinsam aufgewachsen sind, verstehen wir uns sozusagen blind, wissen genau, was im Kopf des anderen vorgeht – musikalisch und geistig”, bestätigt auch Kellins Schwester Taryn, deren rauhe, bluesige Stimme gepaart mit ihrer “don’t-mess-with-me” Attitüde dieses spezielle Feuer entfacht, das sich durch das komplette Album “boomkatalog one” brennt (VÖ: Februar 2003 auf DreamWorks Records). “Es war immer in uns, es war immer da und es wird immer da sein. Das Resultat sind Songs, die alles repräsentieren, was wir je erlebt haben. Das Album ist wie eine Reise durch unser Leben – sowohl die Dinge, die jeder für sich selbst erlebt hat, als auch die, die wir gemeinsam hatten.”
Der musikalische Trip geht denn auch von “raw-and-ready” Club-Tracks bis zu feinfühligen, mit Emotionen geladenen Balladen; von den faszinierenden Rhythmen der ersten Radio-Single “The Wreckoning” und dem eher beschaulichen Statement à la “Look At All The People” bis zum fröhlich-frustrierten “Wastin’ My Time”; dem sehr persönliche Erinnerungen präsentierenden “Daydreamin'” bis zu dem beschwingten Ausruf der Art von “Crazylove”.
“Ich denke, dass alles, was wir erlebt haben, für Kellin und mich Elemente sind, aus denen wir Musik kreieren. Musik, die den Zuhörer dazu bringt, etwas spezielles zu empfinden”, sagt Taryn. Kellin fügt hinzu: “Wir schaffen Stimmungen – traurige, glückliche oder die schwerer zu beschreibenden Stimmungen irgendwo zwischendrin.”
Taryn und Kellin sind in der Kleinstadt Falls Church geboren. Nach der Trennung ihrer Eltern zogen sie dann gemeinsam mit ihrer Mutter nach Tucson, Arizona. Trotzdem fuhren sie so oft wie möglich an die Ostküste, um ihren Vater zu besuchen, und obwohl die Entfernung enorm groß war, übernahmen und lernten sie sehr viel von ihm: War er doch ein angesehener Musiker, der sang und Keyboards und Drums in diversen bekannten Bands in der Gegend um Washington spielte (und tagsüber als Hotel-Manager arbeitete).
“Ich erinnere mich daran, wie ich meinen Vater in den Sommer- und den Weihnachtsferien besucht habe – in all diesen verschiedenen Hotels die Ostküste rauf und runter, wo immer er gerade arbeitete”, sagt Kellin. “Das war ein echter Spaß, in diesen Vier-Sterne-Resort-Hotels zu leben. Taryn machte die Hotelwäsche, ich machte den Zimmer-Service, trug das Gepäck und solche Sachen.” Taryn entsinnt sich: “Und wir sangen immer mit ihm zusammen in den Hotel-Zimmern. Er liebte diese Motown-Sachen. Wenn es kein Soul hatte, dann war es nichts für ihn. Er hatte eine großartige Stimme, ein herausragendes Gehör für harmonische Zusammenhänge, und er konnte fast jedes Instrument spielen, das er in die Hand nahm.”
Daheim in Arizona versuchte Taryn und Kellins Mutter mit einem Verwaltungs- und Sekretariats-Job der kleinen Familie das Auskommen zu sichern. “Sie arbeitete sogar als Kellnerin in einem Strip-Lokal”, sagt Taryn. “Ich erinnere mich daran, wie sie, bevor sie zur Arbeit ging, in unser Zimmer kam und so wunderschön aussah. Sie hatte eines dieser tollen 70er-Jahre Outfits an, etwas ganz enges. Ihr Stil, ihre ganze Ausstrahlung hat mich sehr beeindruckt und beeinflusst.”
Nachdem Kellin die High School beendet hatte, absolvierte er ein Praktikum bei einer Tochtergesellschaft von NBC TV in Tucson. Während er in Tuscon blieb, um zum College zu gehen, übersiedelten Taryn und ihre Mutter nach San Diego, um ein besseres Leben zu beginnen. Dort zog es Taryn mehr und mehr zu den Künsten (“nebenbei” war sie begeisterte Karate-Kämpferin und mit 11 Jahren State-Champion ihrer Alters- und Gewichtsklasse, was sie ein Jahr später wiederholte. In San Diego wurde sie mit 16 “National-Champion in Dance”). “Ich musste immer irgendwie aktiv sein”, bestätigt sie. “Ich wollte einfach nur eins – auf der Bühne stehen.”
Dann, 1993, lehrte der plötzliche und unerwartete Tod ihres Vaters Kellin und Taryn eine nachhaltige Lektion über die Unberechenbarkeit und Unbeständigkeit des Lebens – und wurde so zum Katalysator ihrer musikalischen Verbindung. Als sie sich ihrem Kummer konfrontiert sahen, begann Kellin ernsthaft über die Musik nachzudenken, vielleicht auch irgendwie mit dem Gedanken, das Vermächtnis seines Vaters weiter zu führen. “Bevor mein Vater starb, hatte er mit ein Drum-Set gekauft, so eins im Ringo-Stil – und die Drums wurden meine ‘offizielle’ Liebe”, sagt Kellin. “Ich hatte diese Band mit einigen Freunden zusammen, aber mit der Zeit reichte mir das Schlagzeug irgendwie nicht mehr aus. Ich bemerkte, wie ich Lust darauf bekam, auch die Kontrolle dafür zu übernehmen, was die anderen spielten, und ich wollte meine eigene Musik schreiben. Also nahm ich meine Miete und kaufte mir dafür eine Gitarre.”
Auch Taryn bemerkte, dass sie engagierter war denn je zuvor. So tanzte sie bei der anerkannten Orange County High School Of The Arts vor (und sie war eine der wenigen Bewerber, die bestanden). Während sie ihr tänzerisches Können perfektionierte, hatte Kellin gerade seine akademische Probezeit. “Ich war damals nicht sehr produktiv”, sagt er. “Aber es war ein perfektes Timing – ich kam nach Haus und konnte mich auch ein bisschen mehr um Taryn kümmern.”
Die nächsten Jahre sollten sehr prägend für die beiden Geschwister werden. Taryn nahm nach der Schule Schauspiel- und Gesangsunterricht (und pendelte zwischen ihrer Schule in Los Alamitos und Burbank und Encino), während Kellin weiterhin Musik machte. “Ich wurde aus drei Jobs gefeuert”, erinnert er sich. “Schließlich wurde mir klar, dass Musik das ist, was ich für mein Leben wollte. Ich hatte einen Sampler, eine Vier-Spur-Maschine und eine Effekt-Box, und ich begann, Grooves zu kreieren und überredete Taryn, dazu zu rappen und zu singen. Irgendwie wusste ich, dass, wenn ich es schaffen würde, sie auf die Bühne zu bekommen, sie bestens dazu passen würde.”
Taryns Schauspiel-Karriere startete gerade, und nach unzähligen Auditions und Ablehnungen bekam sie schließlich eine Rolle in “The Practice”, danach mehrere Auftritte in “Get Real” und “Boston Public”. Tatsächlich entwickelte es sich dann so, dass David E. Kelley, der Schöpfer von “The Practice” und “Boston Public” (u.a. auch “Ally McBeal”) die Demo-Tapes von Boomkat hörte, eine komplette Episode von “Boston Public” um Taryn herum schrieb und zwei Boomkat-Tracks in die Sendung nahm (“Daydreamin'” und “Now Understand This”). Taryn erhielt großartige Kritiken für ihre Rolle von Kirsten Dunsts drogenabhängige Freundin in dem Film “Crazy/Beautiful”; spielte dann auch in dem Britney Spears-Film “Crossroads” (aktuell kann sie in dem Film “White Oleander” neben Michelle Pfeiffer bewundert werden – genau wie in “8 Mile” zusammen mit Eminem und Kim Basinger. Ebenso ist Taryn sehr stolz darauf, dass sie in einer großen Gap-Werbekampagne dabei ist, in der sie zusammen mit Marianne Faithfull und Tweet den Staple Singers-Song “I’ll Take You There” covered).
“Ich habe so hart für meine Schauspielerei gearbeitet”, sagt sie. “Ich habe es wirklich gewollt und schließlich hat es sich ausgezahlt. Aber ich habe auch dieses tolle Gefühl, was unsere Musik angeht – und ich sehe keinen Grund dafür, nicht beides machen zu können.”
Nach einigen improvisierten Auftritten und diversen Meetings mit Label-Mitarbeitern ergatterte das Duo einen Demo-Deal. Als das Demo dann durchfiel, fühlten sich die beiden wie an den Anfang zurück geschleudert. “Ich war danach echt niedergeschlagen, deprimiert – ich habe mich zwei Monate lang in mein Zimmer eingeschlossen”, gibt Kellin zu.
Doch die Dinge entwickelten sich wieder positiver – durch Boomkats erste richtige Live-Show im The Mint in Los Angeles. “Wir haben damals so viele Leute eingeladen – und tatsächlich hatte es offensichtlich allen gefallen”, erinnert sich Taryn. Und so kam es, dass auch der Besitzer des The Mint, Chris Contogouris, derartig von der Musik begeistert und beeindruckt war, dass er sie in sein Aufnahme-Studio einlud, in dem sie ihre Musik perfektionieren und den letzten Feinschliff verleihen konnten.
Nicht viel später erreichten die Boomkat-News DreamWorks Records-Mann Robbie Robertson. Sofort erkannte er, dass Taryn und Kellin es geschafft hatten, einen kreativen Platz in der Branche zu finden, den niemand besetzt hielt. Kurzerhand machte Robertson den Deal für DreamWorks Records mit Boomkat perfekt. Contogouris stellte sie dann Martin Pradler vor, einen in Österreich geborenen, in LA ansässigen Pro Tools Wizard. Taryn, Kellin und Pradler erkannten schnell, wie gut sie musikalisch und persönlich zusammenpassten, und so begannen sie die Arbeiten zu “boomkatalog one”, das Boomkat und Pradler auch co-produzierten.
“Wir merkten, dass wir die Songs in den letzten Jahren nur ‘so aus Spaß’ geschrieben hatten”, sagt Kellin. “Nun aber war es angesagt, ins Studio zu gehen und das zu perfektionieren, was wir hatten.” Taryn fügt an: “Kellin und ich können gut und kreativ miteinander konkurrieren. Und während wir an dem Album arbeiteten, reizte ich ihn ein bisschen dadurch, dass ich sagte: ‘Du schreibst gute Songs und du schreibst sehr gute Songs – lass uns nur die sehr guten nehmen.’ Das war es dann auch, was wir taten.”
“Wastin’ My Time” – mit seinen Cello-Riffs und den melancholischen Gitarren-Klängen zur Unterstützung der begeisternden Performance von Taryn – war dann sogar so sehr gut, dass Eminem den Tune für den Soundtrack zu “8 Mile” auswählte (ganz ähnlich wie “Crazylove”, der in dem Film “Crossroads” zu hören ist).
“Uns boten sich mit dem Album viele kreative Chancen, die wir natürlich ergriffen. Und ich glaube, das Ergebnis ist einfach klasse geworden”, schließt Kellin. “Ich hoffe es wird zeigen, dass Pop-Musik nicht immer nach einem bestimmten Schema ablaufen muss, um gute Unterhaltung zu liefern.”
Aber das letzte Wort hat Taryn: “Im Endeffekt sind wir davon überzeugt, dass unsere Musik die Kraft hat, Leute zu bewegen, Emotionen zu provozieren. Und das ist das wichtigste!”
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