Im Laufe der letzten Jahre hat Alex Ridha so ziemlich jeden Winkel der Welt bereist, um als Boys Noize seine Beats unter die Massen zu bringen. Von einem Rockstar- Leben in Saus und Braus ist er trotzdem weit entfernt. Mit uns sprach er über das teure Hobby Musik, seine Popularität und das Jetsetten.
(Foto: Denis Ignatov)
This is what you want – das sind die ersten Worte des neuen Boys Noize-Albums “Out Of The Black“. Angemessener kann der Einstieg in den dritten Langspieler kaum sein: Wie kein zweiter trifft Boys Noize mit seinen Tracks den Nerv der Zeit. In den letzten Jahren haben ihn seine Gigs von kleinen Kellerclubs bis in die Hallen der Republik befördert – ohne das dabei zwangsläufig der Begriff “Sellout” aufkommt. Und welcher andere DJ kann schon von sich behaupten, gleichzeitig hohe Positionen sowohl auf dem SonneMondSterne als auch bei Rock am Ring und Rock im Park für sich zu beanspruchen? Für motor.de nahm sich Alex Ridha vor seinem Berlin-Gig Zeit, um über diesen Werdegang, seine Arbeitsweise und die neue Live-Show zu sprechen.
motor.de: Was hättest du zu jemandem gesagt, der dir 2007 prophezeit hätte, du würdest in wenigen Jahren die Columbiahalle in Berlin und Rock am Ring bespielen?
Alex Ridha: Ja, das ist schon verrückt! Ich habe das echt nicht vorhersehen können. Bis heute mache ich immer noch alles so, wie ich es denke und will, ohne mich der Industrie anzupassen. Dass das dann soweit führen kann, etwa hier in der Columbiahalle auftreten zu können, ist schon ziemlich abgefahren.
motor.de: War das anfangs eher ein Hobby, welches sich verselbstständigt hat, oder hast du in irgendeiner Art und Weise darauf hingearbeitet?
Alex: Ich habe vorher schon Musik gemacht – Schlagzeug und Keyboard. So richtig fing es dann mit dem Auflegen an. Aber selbst dann, mit 16, war es immer noch ein Hobby. Damals hatte ich auch noch nicht das Bedürfnis, groß Geld zu machen oder weltweit aufzulegen. Das einzige, was ich gedacht habe, war: Hoffentlich kann ich das Geld, was ich für das Vinyl ausgebe wieder mit meinen Gigs reinkriegen!
motor.de: Dann hast du dein Hobby also ziemlich erfolgreich zur Berufung gemacht…
Alex: Genau, dann ist noch das Label dazugekommen und die ganzen Künstler. Aber was heute noch geblieben ist, ist der Fakt, dass ich das Label bis heute nicht habe, um Geld zu verdienen. Ich hab auch noch nicht einen Cent dran verdient – im Gegenteil! Ich butter immer rein, weil es etwas ist, was ich liebe – und am Ende geht es um die Musik und die Kunst. Ich hab auch nie irgendwelche Hits gesigned. Darum geht’s mir auch nicht. Von daher kann man schon sagen, dass es mein teures Hobby ist.
motor.de: Es scheint aber dennoch ganz gut zu laufen mit deinem Label Boys Noize Records – schließlich steuerst du ja schon bald auf die hundertste Veröffentlichung zu.
Alex: Naja – es ist wirklich nicht einfach, ein Label zu führen in der heutigen Zeit. Besonders finanziell gibt es viele Probleme: Ich kümmere mich um das Kreative, muss aber auch Leute einstellen, die mir helfen, weil ich mich nicht um alles kümmern kann. Das ist schon schwierig. Ich möchte das Label aber auf jeden Fall weiter führen.
motor.de: Klingt nachvollziehbar – besonders, wenn man sieht, wie schnelllebig die Zeit auch auf musikalischer Ebene mittlerweile ist.
Alex: Genau. Was mich daran am meisten stört ist, dass man schnell einen neuen Musikrichtungs-Style entdeckt – und nach ein paar Monaten ist das schon wieder uncool. Das hat damals schon ein paar Jährchen länger gedauert! Aber im Bezug auf mich selbst als DJ würde ich sagen, dass es davon eher unbefleckt ist und ich einen natürlichen Werdegang habe. Klar, gab es den Moment, wo es plötzlich krass abging. 2007 war der Zeitpunkt, an dem ich dachte: Okay was ist denn hier los? Jetz spiel ich hier schon in Amerika langsam fette Shows. Was geht eigentlich ab?
Boys Noize – Live auf dem Berlin Festival 2011
motor.de: Steckt da eigentlich viel Druck dahinter? Vor drei Jahren haben wir mit dir ein Interview geführt, bei dem du gemeint hast: “Ich habe ein bisschen Angst, dass es zu viel wird, und dann will ich auch nicht mehr so viel damit zu tun haben”.
Alex: Persönlich hab ich keinen Druck verspürt, beispielsweise als ich mein neues Album produziert habe. Aber ich musste mir auch eingestehen, dass ein Sound sich doch länger halten konnte als ich dachte. Als alle angefangen haben, Justice-Produktionen nachzubauen, dachte ich zunächst: Okay, bald geht’s vorbei damit, weil zu viel schlechte Produktionen draußen sind. Aber dann ging es doppelt und dreifach weiter – und es geht immer noch weiter! Das ist jetzt schon so ‘ne Art Monster geworden. Das hätte ich nicht gedacht!
motor.de: Also ist es auch für dich als festes Mitglied der Szene schwierig einzuschätzen, in welche Richtung sich bestimmte Trends hin entwickeln?
Alex: Mittlerweile ist es ja so, dass nicht mehr nur die DJs bestimmen, welcher Sound in den Clubs gespielt wird, sondern auch die Verbraucher. Es gibt nicht mehr nur Schallplatten im Plattenladen: Man veröffentlicht etwas, und das können dann alle hören – das hat die Karten komplett neu gemischt.
motor.de: Wenn man in deinen Tourplan schaut, ist dort ja einiges los. Bist du denn Jetsetter aus Leidenschaft oder ist das eher ein notwendiges Übel für dich?
Alex: Nein, ich liebe das Reisen! Natürlich könnte man sich beschweren, dass man einen Monat im Jahr tatsächlich nur in der Luft verbringt. Aber ich bin deifnitv glücklich, überall hinzukommen. Mittlerweile brauch ich das auch – ich kann nicht mehr nur zu Hause rumsitzen.
motor.de: Gibt es Orte, an denen du noch gar nicht warst und gern auflegen würdest?
Alex: Ich war noch nicht in Südafrika, da würde ich gerne hin. Es gab auch schon mehrere Male Angebote, aber es hat zeitlich leider nie gepasst.
Boys Noize Live 2012. Foto: AkaSlomo
motor.de: Schwenk zurück nach Deutschland: Du bist in Hamburg großgeworden und bist dann nach Berlin übergesiedelt. Kannst du dir vorstellen, wieder zurückzugehen oder hat dich Berlin fest im Griff?
Alex: Ich bin sehr glücklich hier in Berlin. Als ich hier hergezogen bin, war alles sehr inspirierend. Ich bin da aber nicht wirklich festgelegt. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, nach Hamburg zurückzukehren – ich liebe die Stadt immer noch. Das wird aber wohl nicht passieren, weil meine Freundin nicht der größte Hamburg-Fan ist.
motor.de: Allein aufgrund des Techno-Images würde die Stadt ja auch viel besser zu dir passen.
Alex: Hamburg und Berlin waren schon immer sehr unterschiedlich in diesen Belangen. Als ich in Hamburg aufgelegt habe, war das die Stadt, in der überall House lief – und in Berlin waren immer die harten Technojünger. Das hat sich aber schon ziemlich geändert. Außerhalb des Berghains findet man nicht mehr so den originellen Sound. Da läuft überall die selbe groovige Houseplatte. Das finde ich sehr Berlin-untypisch! Berlin war eigentlich immer ein bisschen mehr Punkrock, auch im Techno.
motor.de: Dein neues Album “Out of the Black” hast du ja auch zu Hause im Kämmerlein aufgenommen und nicht unterwegs. Hat das Auswirkungen auf den Sound gehabt? Unter den Umständen könnte man ein wenig Introspektive dahinter vermuten.
Alex: Ich bin da eigentlich sehr unkonventionell, was das Produzieren angeht. Ich bin natürlich auch immer interessiert an neuen Plugins und Techniken, mit denen man etwas zerstören kann. Ich hab um die 20 Tracks gemacht – und die 12, die am besten zueinander passten, sind dann auf dem Album gelandet. Ich konnte mich einschließen und tun worauf ich Bock hatte. Für mich soll Musik die einfachsten Emotionen hervorrufen. Ich brauche dafür keine tiefe Story oder Selbstreflexion.
motor.de: Welches Equipment hast du denn für die Platte vordergründig benutzt?
Alex: Für dieses Album habe ich ganz viel mit dem OB8 gearbeitet, das ist ein alter Synthie aus den 80ern. Ein riesiges Schiff, mit dem damals auch der Terminator-Soundtrack eingespielt wurde. Dieser dunkle Basssound landete auf zwei, drei Tracks. Dann habe ich die neue Tempest-Drummachine von Roger Linn & Dave Smith benutzt, die ist super! Und natürlich wie immer alle Sachen von Elektron. Den Arp 2600 habe ich mir auch zugelegt. Eigentlich bleibt es aber letztenendes nie so, wie ich es aufgenommen habe. Ich nehme die Schnipsel und Parts, die mir gefallen – und setze sie dann zusammen.
Boys Noize – “Got It” (feat. Snoop Dogg)
motor.de: Spannend ist ja auch die Zusammenarbeit mit Snoop Dogg. War es denn so, wie du es dir vorgestellt hast? Lief das überhaupt vis-à-vis ab oder habt ihr alles über das Internet gemacht?
Alex: Ich war tatsächlich mit ihm im Studio! Es war total abgefahren und bizarr. Er hat mich in sein Apartement eingeladen und ich hab ihm ganz viel Chicago/Bootyhouse-Nummern vorgespielt. Die Stimmung war super, es wurden ein paar Songs aufgenommen – es war wie im Traum. Es war zwar eine lange Nacht – aber es war auf jeden Fall fett. Wenn ich daran zurückdenke, kommt es mir fast schon surreal vor.
motor.de: Du hast ja generell ziemlich viele Projekte mit anderen Musikern am Start – ist demnächst noch irgendwas anderes geplant?
Alex: Im Moment nicht, zur Zeit konzentrier ich mich nur noch auf die Tour. Es wird aber eine neue Dogblood geben, hab ich gehört! Ich kann mir auch auf jeden Fall vorstellen, noch mal etwas mit Gonzales zu machen.
motor.de: Für deine aktuelle Tour hast du ja eine Live-Show konzipiert. Wie kam es zu der Idee, deine Songs jetzt Live zu spielen?
Alex: Für die Live-Show gab es mehrere Gründe. Zum einen ist es jetzt mein drittes Album und ich habe ohne Ende Material. Ich könnte ohne Probleme stundenlang meine eigene Musik spielen, wenn ich wollte. Und dann dachte ich: Es ist mal an der Zeit, das zu tun! Ich habe schon lange darüber nachgedacht, und in diesem Jahr habe ich mir auch die Zeit genommen, um mich damit zu beschäftigen. An der kompletten Show habe ich seit einem Jahr getüftelt. Ich habe auch mit mehreren Kollegen zusammengearbeitet. Mit Siriusmo habe ich den Kopf entworfen, mit der Pfandfinderei habe ich die Visuals entworfen, die ich auch live kontrolliere. Das war einfach eine neue Herausforderung. Aber das wird jetzt auch nicht immer so bleiben. Ich liebe es aufzulegen, und ich werde auch immer DJ bleiben – wahrscheinlich noch mit 50.
Text und Interview: Danilo Rößger
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