Michael Drummer, Timm Brockmann und Franz Bargmann sind Camera. Seit gut zwei Jahren bespielen Sie den Berliner Untergrund mit minimalistischen Guerilla-Krautrock und haben sich mittlerweile nicht nur regional einen Namen gemacht. motor.de hat die drei Wahlberliner getroffen.

(Fotos: Alisa Resnik)

Promo-Termine, Management-Absprachen oder Interview-Marathon – alles gängige Vorgänge und Standards im Geschäft, nur für Camera nicht, denn Camera sind Anti. Und irgendwie kann man es dem Dreiergespann gar nicht verübeln, dass sie die gängigen Konventionen brechen. Das Krautrock-Trio tickt anders. Sie spielen am Liebsten spontan und unangemeldet – dort, wo Leute und Passanten irritiert werden können. Und das sind sie, wenn auf und unter Berliner U-Bahnhöfen Camera ihr Kraut-Mantra mit sphärischer Atmosphäre versprühen.

Michael Drummer, Timm Brockmann und Franz Bargmann haben das Unkonventionelle, das Antiautoritäre und Nonkonformistische zum Prinzip erhoben. Auch wir konnten uns davon ein Bild machen, als wir die Band zum Interview einluden – immerhin sind wir von der Qualität ihres Debüts “Radiate!” mehr als überzeugt. Kaum eine Handvoll Interviews gibt es über das Trio zu lesen. Ernsthafte Antworten haben wir nur bedingt erwartet, aber die uns entgegengebrachte Verweigerungshaltung enttäuschte – zunächst. Denn eigentlich zwang sie uns auch zur Reflektion, was machen wir hier eigentlich machen. Warum derartig viele Interviews, geht es da noch um die Musik, um Kunst gar oder sind wir alle gefangen in einem sich ständig wiederholendem System vorhersehbarer Handlungen, bei denen offener Meinungsaustausch nur selten zum Status Quo gehört?

Bereits während der ersten Frage beginnt Schlagzeuger Michael in einem Buch zu malen und demonstriert Abwesenheit. Unsere lockeren Einstiegsfragen? Mit Desinteresse abgeschmettert. Sie hätten nichts zu erzählen, sagen sie. Vielleicht haben wir uns auch einfach falsch vorbereitet, wir hätten drei Kästen Bier und eine Stange Kippen kaufen sollen (Ankündigung: das machen wir das nächste Mal). Gegen eine Behauptung wollen wir uns allerdings wehren: Nein, Camera haben sicherlich Spannendes zu erzählen, wenn sie denn wöllten. Des Öfteren stehen sie mit Krautrock-Legende Michael Rother (Neu!) auf der Bühne. Im Berliner hbc standen sie auch mit Dieter Möbius (Kluster/Harmonia) Seite an Seite. “Man schmücke sich ungern mit fremden Federn”, heißt es – nicht der Rede wert also. Das sehen wir anders. Nun denn, ein paar Informationen konnten wir den Dreien trotzdem entlocken, über dessen Qualität sich streiten lässt. Für unseren Aushilfsinterviewer war es eine Misere. Die Musik von Camera mag er trotzdem noch.

Camera, Michael Rother & Dieter Möbius (Live)

motor.de: Euer Debüt hat lange auf Euch sich warten lassen. Bislang bekam man nur schlechte Mitschnitte von Euren Konzerten zu hören. Wie kam’s nun dazu?

Timm: Wir haben die Platte im Januar aufgenommen. Wir hatten schon die gleichen Ansätze wie auf der Straße. Aufbauen, drauf losspielen. Standen nur nicht zusammen in einem Raum. Man könnte sagen es ist live eingespielt.

motor.de: Wie kam es dabei zu der Zusammenarbeit mit dem traditionsbewussten “Krautrocklabel” Bureau B?

Michael: Weil die gut sind, vielleicht. Es war simple, wir suchen immer den einfachsten Weg. Die sind an uns ran getreten.

Timm: Ja, das kam alles im richtigen Moment.

Michael: Wir sind aber gar keine Krautrocker.

Franz: Das gabs ja auch nur damals. Jetzt ist alles Neo.

Timm: Uns wird dann auch nur ein Stempel aufgedruckt. Wir hätten uns eigentlich nen eigenes Genre ausdenken sollen.

Franz:
Der Begriff Guerilla-Krautrock kam von nem Kumpel.
Er hat uns das so aufgetischt und wir habens angenommen und seitdem ist es in aller Munde.

motor.de: Wie kam es zum Kontakt zu Michael Rother?

Michael: Wir haben ihn angeschrieen bis er nicht mehr konnte. Dann hat er klein beigegeben.

motor.de: Die Album-Release-Party feiert ihr offiziell im Kater Holzig.

Franz: Ja, das ist unsere erste eigene Show, die wir selber veranstalten.

Michael:
Das ist nen schöner Raum. Gemütlich, verwinkelt. Da passen auch nicht so viele Leute rein.

Timm: Wir haben da schon mal gespielt und das hat uns gefallen.

motor.de: Sind die Jams auf den Straßen seit den Konzerten in Clubs etc. weniger geworden?

Franz: Zurzeit schon, weil unsere Lieblingslocation, ein Tunnel an der Warschauer Straße, derzeit restauriert wird.

Timm: Wir planen außerdem schon das nächste Album. Wir suchen ne Menge Kollaborationen, am Besten auf jedem Track ein anderer Künstler. Sodass das gar nicht mehr wirklich uns gehört.

motor.de: So wie die Flaming Lips?

Franz: Ach die haben das auch schon gemacht? Verdammt.

Timm: Das ist schon ne interressante Idee. Die Musik wird dadurch breit gefächert. Wenn man das dann später trotzdem zusammen in einen Guss zusammenbekommt.

Text: Sebastian Weiß
Interview: Jascha Kreft