Mit dem Release ihres mittlerweile fünften Albums und der Single “Sun”, waren Caribou plötzlich in aller Munde.
Warum das so ist, klärten wir im motor.de-Interview.


Dan Snaith ist der Mann hinter Caribou. Schon seit zehn Jahren veröffentlicht der 32-Jährige elektronische Musik. Doch so richtig bekannt wurde er erst mit seinem letzten Album “Swim”. Obwohl Snaith promovierter Mathematiker ist, erfüllt er doch nicht die Vorstellung vom zurückgezogenen Wissenschaftler, der in seinem Kämmerchen Theorien für den perfekten Dancehit aufstellt. Warum „Swim“ so durch die Decke ging, was Mathematik mit Musik zu tun hat und warum er kein visueller Mensch ist, erzählte uns Dan Snaith vor seinem Autritt im Leipziger Centraltheater.

motor.de: Wie erklärst du dir, dass du erst mit deinem mittlerweile fünften Album so erfolgreich bist? Hast du irgendwas anders gemacht als vorher?

Dan Snaith: Nein, das weiß ich nicht. Dieses hat definitiv viel mehr das Interesse der Menschen erregt als eins der vorherigen Alben. Ich habe nicht erwartet, dass das so wird und ich hätte noch nichtmal gedacht, dass dieses Album überhaupt beliebt sein wird. Da steckt kein Plan dahinter. Ich habe nichts Hinterhältiges gemacht, damit sie es mehr mögen.

motor.de: “Andorra” und “Swim” klingen sehr verschieden. Was hast du in Bezug auf Songwriting und Produktion verändert?

Dan Snaith: Dieses Album ist mehr von Tanz- und Clubmusik beeinflusst und “Andorra” ist eher ein Pop-Song-Songwriting-Album. Ich wollte kein zweites Album machen, das wie “Andorra” klingt, ich dachte ich bin damit durch. Trotzdem besteht “Swim” aus halb Dance-Musik und halb Pop-Songs, also es sind schon beide Teile beinhaltet.

motor.de: Gehst du selbst viel in Clubs?

Dan Snaith: Ja, das hat die Arbeit an diesem Album sehr beeinflusst. Genauer gesagt gehe ich viel in einen sehr kleinen Club in London namens „Plastic People“. Mein Freund Kieran von Four Tet legt dort viel auf. Ich habe auch mehr aufgelegt. Viel von der Musik auf “Swim” habe ich nur für meine DJ-Sets gemacht.

Caribou – “Odessa”

motor.de: Welche deiner eigenen musikalischen Vorlieben haben dich dabei beeinflusst?

Dan Snaith: Zu viele. Bei diesem Album ging es mir darum, nicht nur Sounds von jemand anderen zu kopieren. „Andorra“ klingt sehr nach den 60ern und ich wollte eine Platte machen, die nicht klingt wie etwas anderes. Es gibt viel Musik die ich möge, Leute wie Theo Parrish, Carl Craig, James Blake, James Holden, eben verschiedene Dancemusic-Produzenten. Aber ich habe nicht versucht ihren Sound nachzubilden. Ich wollte meinen eigenen finden.

motor.de: Jedes deiner Alben hat seine ganz eigene Atmosphäre. Wie kommt das?

Dan Snaith: Ich glaube es wäre langweilig wenn du immer wieder das gleiche machst. Ich mache Musik, weil ich es aufregend finde. Und wenn du immer wieder das gleiche machst, wie bekommst du dann dieses Gefühl der Aufregung hin? Das ist ganz natürlich: Es sind zehn Jahre vergangen, seit ich das erste Album gemacht habe. Jedes von ihnen dokumentiert verschiedene Abschnitte meines Lebens, in denen ich immer wieder andere Dinge aufregend fand.

motor.de: Nimmst du deine Songs eigentlich allein auf oder hast du dafür auch eine Band?

Dan Snaith: 95 Prozent davon bin ich allein. Die einzigen anderen Menschen auf der Platte sind ein paar Bläser, wie Saxophonisten, Flötisten und sowas, und Luke von den Born Ruffians, der „Jamelia“ singt. Das sind zwei vollkommen verschiedene Sachen geworden. Die Songs live sind anders als auf der Platte. Live sind wir alle darin involviert und nicht nur ich allein, der jedem sagt was er spielen soll.


motor.de: Wie beeinflusst die Mathematik deine Musik? Tut sie das überhaupt?

Dan Snaith: Nicht offensichtlich. Ich arbeite sehr chaotisch, emotional, intuituv und richte mich nach Gefühlen. Ich habe eine emotionale Bindung mit der Musik. Ich bin kein sehr technischer Mensch. Ich spiegel nicht das Bild wider, was die Menschen von einem Mathematiker haben, der sehr wissenschaftlich an Musik herangeht. Es macht definitiv einen großen Teil meiner Persönlichkeit aus. Mein ganzes Leben lang habe ich Mathematik gemacht. Und mein ganzes Leben lang habe ich Musik gemacht. Es ist schwer für mich den Einfluss des einen auf das andere zu trennen.

motor.de: Fühlst du dich eher als Musiker oder Mathematiker?

Dan Snaith: Ich fühle mich definitiv wie ein Musiker und Mathematiker. Musikmachen und Mathematik sind zwei verschiedene Prozesse, aber sie sprechen die gleichen Dinge in meiner Persönlichkeit an. Dieses Herumspielen mit Ideen, Dinge zusammenführen oder mit abstrakten Ideen spielen. All das gibt es in beidem.

motor.de: Für die meisten Menschen sind Mathematik und Musik zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Wie kam es, dass du, der schon vom Elternhaus her so in die mathematische Richtung orientiert war, anfingst, Musik zu machen?

Dan Snaith: Meine Eltern waren auch Amateurmusiker, mein Dad spielte Gitarre und Geige. Meine Eltern wollten, dass ich Klavierstunden nehme, was ich am Anfang hasste, wie wohl die meisten Kinder. Sie haben meine Schwester und mich ermutigt Musik zu machen. Aber auch auf der Schule durch meine Freunde lernte ich elektronische Musik kennen. Ich glaube ich kam einfach schon sehr früh mit Musik in Kontakt, auch wenn es die klassischen Klavierstunden waren, die ich nicht mochte.

motor.de: Sind denn Mathematik und Musik überhaupt so verschieden?

Dan Snaith: Oh ja, sehr sogar. Sie sind verschiedene Prozesse, sie versuchen verschiedene Dinge zu erreichen. Die Leuten wollen immer, dass ich sage sie seien das selbe, aber das sind sie definitiv nicht. Die einzige Überschneidung ist, dass sie beide irgendwie kreativ sind. Mathematik wird ab einem bestimmt Punkt ein kreatives Fach, es ist nicht wie Ingenieurwesen oder Buchhaltung, die sehr formelhaft sind. Die Leute wollen immer, dass ich ihnen sage ich hätte diese eine Formel, mit der ich diese Musik mache und deswegen mögen sie sie, weil da ein Geheimnis dahinter steckt. Aber diese Formel habe ich natürlich nicht.

Caribou – “Sun”

motor.de: Bei den Liveshows nutzt du immer bestimmte Projektionen auf einer Leinwand. Wie wichtig sind die Visuals in deinen Shows?

Dan Snaith: Ich glaube die sind so wichtig geworden, da ich auf der ersten Tour überhaupt nicht gesungen habe, es aber Gesang in der Musik gab. Also gab es Figuren in den Videos, die den Gesang übernommen haben. Denn ich war damals nicht wirklich überzeugt von mir als Sänger. So haben diese Figuren die Lücke gefüllt, die entstand, weil wir keinen Lead-Sänger hatten. Und ein anderer Grund ist, dass ich wollte, dass die Show irgendwie sinnlich überwältigend ist. Sie sollte so viele Sinne wie möglich anregen. Die Leute gucken uns dabei zu wie wir untereinander agieren. Das ist auch interessant. Aber es war früher so, dass das Publikum sich nur die Videos angesehen hat. Jetzt sind die Filme mehr integriert in die Show. Ryan, der Gitarre spielt, erstellt die Videos und er spielt sie auch bei Auftritten mit einer Reihe Pedale auf dem Boden ab. Sie sind wie ein weiteres Instrument und ein weiterer Teil der Erfahrung bei der Show.

motor.de: Siehst du Caribou also als eine Art Gesamtkunstwerk, das auditiv und visuell konsumiert werden muss?

Dan Snaith: Ja bei den Shows schon, was witzig ist für mich, da ich eigentlich keine sehr visuelle Person bin, ich achte eher auf das Auditive. Ich liebe und schätze die Videos, das Album-Artwork und die Videoproduktionen für die Show, aber das ist nichts, was ich selbst machen würde.

motor.de: Wie entscheidest du, wer deine Musikvideos macht?

Dan Snaith: Für dieses Album gab es ja ein Video für „Sun“ und eins für „Odessa“. Mit den Leuten, die sie gemacht haben, stehe ich schon seit Jahren in Kontakt. Sie haben uns vor fünf oder zehn Jahren gemailt und gesagt, dass sie gern irgendwann mal ein Video für uns machen würden. Ich sah, was sie für Filme gemacht hatten und blieb mit ihnen in Kontakt. Und letztendlich habe ich sie dann Jahre später gefragt, ob sie ein Video machen wollen. Aber ich vertraue ihnen und belasse es vollkommen bei ihnen was sie machen. Die Leute, die das Video für „Odessa“ gemacht haben, machen jetzt noch eins für „Jamelia“ , also der erste und der letzte Track des Albums. Und sie haben gesagt ‘Wir werden dir gar nichts darüber verraten, wie das Video wird.’ Und da habe ich gesagt: ‘Okay, macht das. Zeigt es mir wenn es fertig ist!’ (lacht)

Interview: Danilo Rößger & Laureen Kornemann