Ist das überhaupt ‘ne Band? Und wenn ja, wie viele? Wenn Clean Bandit auftreten, kann man sich das durchaus fragen, denn hier wird der Auftritt gerne Mal zum Wo-ist-Walter-esquen Suchspiel. Da ist eine Bühne, vollgepackt mit Instrumenten und Technik, dazwischen versinken vier Menschen, und vorne wird gesungen.
Auflösung: Die dazwischen versinkenden vier Menschen sind Walter die Band, genauer Jack und Luke Patterson, Grace Chatto und Neil Amin-Smith. Auf der Suche nach der Band haben wir uns in Berlin mit Jack unterhalten.
Der Gründungsmythos von Clean Bandit ist schnell erzählt: Grace und Neil haben bereits vor Jahren während des Studiums in Cambridge in einem Streicher-Quartett zusammen gespielt, ganz klassisch, klassisch. Dort trafen sie dann auf Jake, der Aufnahmen des Quartetts an seinem Computer mit Beats unterlegte, und herum zu basteln begann. Zack, feddich: Clean Bandit waren entstanden. Klar, es musste noch einiges getunt und herumgefrickelt werden, aber das Grundrezept blieb bestehen.
2012 setzte die Band dann zum Sprint an: Die erste Single, A+E wurde veröffentlicht, jetzt, zwei Jahre später sind es bereits fünf, darunter das überaus ohrwurmige Rather Be. Als logische Konsequenz kommt jetzt das Album New Eyes, das den Single-Reigen nochmal um acht Songs ergänzt. Markenzeichen ist offiziell ein Crossover aus Klassik und elektronischer Musik, das jedoch oft genug in Richtung letzterer abdriftet, die ab und an mit Streichern ergänzt wird. Das Prinzip hat weitestgehend schon Coolio bei Gangsta’s Paradise beherrscht, der dadurch aber auch noch lange nicht das Klassik-Hip-Hop-Crossover Genre erfunden hat.
Aber wie kam es dazu? Jack, der auch heute noch für die Produktion verantwortlich ist, hat sich elektronischen Einflüssen auch erst später zugewendet. Aber was waren dann seine Einflüsse?
Jack: Als ich Grace und Neil damals kennen lernte, hatte ich mit elektronischer Musik eigentlich gar nichts am Hut. Ich hatte immer mal wieder was gehört, aber immer von Acts, die eher Crossover gemacht haben, mit Rock, Jazz oder Akustik.. Leute wie Squarepusher, der ja eigentlich Bassist war, oder Radiohead mit Amnesiac und Kid A, die als Rock-Band elektronischer geworden sind. Neil und Grace haben mir dann immer mehr elektronische Musik gezeigt, in die ich mich dann verliebt habe. Unser Album ist, was Genres angeht, eigentlich sehr gemischt. Aber wird kategorisieren das nicht gern, daher ist das wohl so geworden.
Die angepriesene Verschmelzung von Klassik und Elektronik funktioniert am Besten beim Opener von New Eyes, Mozart's House, aber auch beim Outro des Albums, das ein Streicher-Sample aus den Anfangszeiten der Band beinhaltet:
Jack: Das ist die Aufnahme eines Streicher-Quartetts, etwas von Dvorzak. Grace und Neil haben das damals 2009 in einem Quartett eingespielt, in der King’s College Chapel [in der Universität Cambridge]. Es ist wirklich gut diese live-Performance dabei zu haben. Es ist nur ein kurzer Ausschnitt, aber das bringt alles eigentlich gut auf den Punkt.
Ok, das lassen wir zählen, ausnahmsweise. Was außerdem bei Clean Bandit auffällt, ist deren bandinterne Gesangslosigkeit; die Stimme wechselt fast von Track zu Track. Unter den Vokalisten ist Love Ssega, der ganz am Anfang sogar fast fest Bestandteil von Clean Bandit war:
Jack: Als wir damals angefangen haben, hatten wir tatsächlich nur einen Sänger, und zwar Love Ssega, der auf dem Album bei Mozart’s House und Telephone Banking dabei ist. Irgendwann wollte er dann seinen Doktor machen, in Cambridge, und er war damit sehr beschäftigt. Wir wollten aber mehr Musik machen. Daher haben wir dann mit anderen Sängern angefangen, um wachsen zu können. Seitdem haben wir Spaß daran gefunden, da zu wechseln. Zuerst haben wir einige Leute ausprobiert, aber es fühlte sich nie richtig an. Es macht wirklich Spaß, immer wieder mit neuen Stimmen zu arbeiten. Das erste Treffen mit der / dem Sänger(in) ist immer wieder wirklich aufregend, und das bekommt man nicht hin, wenn man das immer wieder mit der gleichen Stimme wiederholt.
Wir halten fest: Clean Bandit hatten mal einen Sänger, bis dieser sich dann doch lieber mit seiner Doktorarbeit (!) beschäftigt hat. Rock’n’Roll geht zwar anders, aber vielleicht auch aus diesem Grund habt sich die Band in einem Interview mit dem Guardian bereits als „the cleverest and the most stupid band in pop“ bezeichnet. Superlative ahoi. Was Clean Bandit außerdem auszeichnet, und mit Sicherheit auch hilfreich für deren rasanten Internet-Aufstieg war, sind die Musikvideos der Band. Diese nehmen für Jack einen durchaus hohen Stellenwert ein:
Jack: Das ist wirklich wichtig für uns. Gut, jetzt hat sich das natürlich etwas geändert, weil wir ja ein Album gemacht haben, also ist der Anteil der Musik jetzt größer geworden. Normalerweise haben wir den Song und das Video immer gleichzeitig gemacht, das war immer eine Einheit. Der nächste Song kam immer erst dann, wenn das letzte Video fertig war. Zum Beispiel bei Telephone Banking, da war der Song noch gar nicht fertig, als wir mit dem Video angefangen haben. Sachen, die wir gefilmt haben, haben dann auch verändert, wie der Song an sich geworden ist.
Was dabei fehlt, ist allerdings die zweite Ebene: Was soll das nun alles bedeuten? Denn hinter, zugegeben, jeder Menge netter Ideen und Effekte sucht man in den Videos der Band vergeblich den roten Faden. Schade. Aber gut, daher sind Clean Bandit ja auch kein Indie, sondern Pop. Und der ist immerhin in erstaunlich großen Teilen selbst gemacht, soweit das eben möglich ist. Auch wenn es manchmal schwer ist, die Band zu finden.
(Foto: Warner Music / Text: Carsten Brück)
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