Nach ewigem Wachstum, getrieben durch die CD, einem Tonträger der doppelt so teuer war wie sein Vorgänger die Schallplatte und dem Boom der Compilations, Kopplungstonträger mit denen dem Konsumenten unter Titeln wie Bravo-Hits oder Kuschelrock ein zweites Mal verkauft wurde, was dieser bereits zuvor als Single oder Album erworben hatte, brach das Geschäft der Musikwirtschaft ab 1999 ein. Schuld waren nach Auskunft des Managements nicht das Management selbst, sondern die dummdreisten Konsumenten. Statt einfach immer mehr von immer dem Gleichen zu hohen Preisen im Bundle zu erwerben, gingen diese Schurken von ehemaligen Kunden doch einfach ins Internet und holten sich das, was sie wollten. Song für Song, also stückweise, stellten sie ihre Sammlungen zusammen. So entstanden Sammlungen von Musik die ihnen durchgängig gefiel und das Ganze auch noch illegal. Legal gab es einzelne Songs ja erst ab 2003 herunterzuladen…

Die schönste Übung der Wirtschaft ist es, und dabei ist es völlig egal, ob wir über Plan- oder Marktwirtschaft sprechen, einen Schuldigen zu finden. Schließlich will der Manager an seinen Zielen gemessen und bei Erreichung dieser reich belohnt werden. Sollten diese nicht eintreffen, muss es einen geben, der daran Schuld ist. Und wenn man den Schuldigen gefunden hat, fordert man erst die Erfolgsbeteiligung, also den Bonus („…das Internet war schließlich eine Naturgewalt, was sollten wir tun?“) und dann die Politik, damit diese endlich handeln möge (Zum Beispiel: Alle Downloader einsperren oder zumindest, wie jetzt in Frankreich geplant, den Nutzern illegaler Dateien den Internetzugang sperren).

Bei der Musikwirtschaft haben wir alle schon lange verstanden, wie und was da schief gelaufen ist. Politiker und Journalisten haben gemeinhin eine Stahlplatte vor dem Herzen, wenn deren Manager zu jammern anfangen. Die haben das verstanden und fangen prompt an, neuerdings auch Lösungsorientiert zu argumentieren. Dafür haben andere Industrien schnell von der Musikindustrie gelernt.

Bei einem gesetzten Essen hatte ich neulich das Vergnügen mit einer Bankerin. Die versuchte mir bei der Vorspeise doch allen Ernstes zu erklären, dass die Krise der Finanzwirtschaft durch ein Zuviel an staatlicher Einmischung verursacht sei. Nur da es Banken gäbe, die auf staatliche Bürgschaften zurückgreifen könnten, so die Herrin der Derivate, hätte sich der Markt so überhitzen können. Den Retter zum Täter zu machen, ist ein ähnlich interessanter Ansatz, wie ihn die Musikwirtschaft verfolgte, als ihr Kunde zum Dieb wurde. Den Hauptgang nahm ich an einem anderen Tisch ein.

Im Gegensatz zur Finanzwirtschaft stellt die Automobilindustrie wenigstens etwas Konkretes her. Sie hat dabei bloß das gleiche Problem wie die Zigarettenindustrie: Wachstum bedeutet Tod. Steigert der Kunde seinen Zigarettenkonsum deutlich, wächst die Gefahr dass er ob Ablebens als Käufer ausfällt; steigert die Menschheit die Autonutzung extrem wächst die Gefahr, dass die Klimakatastrophe die Erde ziemlich unbefahrbar und die Autos ziemlich nutzlos macht. Diesem Problem kann man entgegentreten, indem man das Produkt weniger schädlich macht und das Geschäft diversifiziert. Phillip Morris haben das durch Zukäufe (Kraft Suchard etc), Filter und Light-Zigaretten seit Jahrzehnten getan. In der Automobilindustrie haben jedoch nur die Japaner (mit Hybridmotoren) vorgebaut. Der Rest mit ihren Hummers und SUVs (Landrover für die Stadt) stehen da wie Drogendealer, die die Dosis ihrer Abhängigen ständig erhöht haben und nun staunen, dass diese statt nach Heroin nach Hilfe und Medikamentierung verlangen.

Natürlich ist es nicht verfehlte Produktpolitik mit billigender Inkaufnahme der Zerstörung unseres Planeten aus kurzfristigen Gewinnstreben, sondern die Finanzkrise, die so plötzlich die Automobilindustrie weltweit ins Taumeln und die Politik in einen Handlungszwang bringt. Das Problem ist jedoch, dass Banken und Versicherungen, so wie die Automobilindustrie nach Wegfall von Zigaretten und teilweise auch Alkoholwerbung neben der Konsumgüterindustrie die wichtigsten Werbekunden sind. Diese Werbung wird primär in den Medien geschaltet. In diesen Medien arbeiten Journalisten die nun merken, dass die Einnahmen um sie herum deutlich erodieren.

Die Medien selbst sind ein Wirtschaftsbereich der, ähnlich wie die Musikwirtschaft, den Wandel in die Digitaldistribution noch nicht geschafft hat. In digitalen Welten überspringt man nämlich Werbung einfach und die Masse der Nutzer bedeutet nicht zwingend eine Masse an Einkünften. Auch das Geschäftsmodel der Medien wird sich ändern müssen. Kombiniert mit dem Zusammenbruch einiger Hauptwerbekunden ist die Angst also groß.

Die Industrie hat ein Interesse daran, die Zukunft in düstersten Farben zu malen, denn nur so erzielt sie moderate Lohnabschlüsse und staatliche Zuwendungen. Die Medien haben allen Grund, über eine scharfe Krise zu berichten, denn sie befinden sich längst selbstverschuldet in einer solchen. Der Bürger kauft derweil genauso fröhlich zu Weihnachten ein, wie im Jahr zuvor (bislang ist das Umsatzniveau identisch). Das wiederum wird medial ignoriert. Die Frage ist nur, wie lange es dauert bis die fatalen Lehren aus der Musikwirtschaft, die Manager aus der Finanz-, Auto und Medienindustrie gezogen haben, dazu führen, dass wir in einer herbei geredeten Weltfinanzkrise landen, an der, um in der Logik zu bleiben, dann der erste Peer-to-Peer Papst Shawn Fannig persönlich Schuld trägt…

In harten Zeiten amüsiert grüßt

Euer Tim