Im Hintergrund beschimpfen sich Kofler und Geissler bei Maischberger. Der geläuterte Ex-CDU Generalsekretär wirft dem Privatfernsehmacher vor, sich auf Kosten Dritter bereichert zu haben. Er meint damit die Aktienoptionen, die den Manager Kofler sehr reich und die Börsennotierung, die seine Investoren ärmer gemacht haben. In Zeiten der globalen Finanzkrise liegt das nah. Wir leben in einer Wertegesellschaft, in der die Freiheit des Einzelnen eigentlich dort aufhören sollte, wo man andere bewusst schädigt. Da muss sich jemand wie Kofler spitze Nachfragen gefallen lassen.
Georg Kofler
Keiner fragt aber, wodurch Leute wie Kofler groß geworden sind. Ich erlebte ihn schon vor mehr als zehn Jahren auf einer Medien-Diskussionsveranstaltung in Berlin. Einem schüchternen um die Inhalte des Privatfernsehens besorgten Fragesteller bellte der damalige Kronprinz des Medienmoguls und Kohl-Spezis Leo Kirch entgegen: „Wer denken will, soll lesen anstatt Fernsehen zu gucken und wer gestalten will, soll schreiben anstatt Fernsehen zu machen!“ Er definierte damals schon die geistige Grundlage für „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Bauer sucht Frau“. Insofern war er immer Avantgarde.
Medien waren einmal Träger von Bildung. Jean Luc Godard und David Lynch haben ältere Semester wie ich durch das Fernsehen kennen gelernt. Kofler und Co. messen mediales Tun aber nicht an Inhalten sondern an Quoten. Es zählt für sie nicht die Leistung, sondern die Zahl, die am Ende da steht. Wenn aber nur die Zahl zählt, nicht aber die Art und Weise womit oder wodurch man sie erzielt hat, wieso disqualifizieren wir dann gedopte Radfahrer bei der Tour de France? Wenn auch die Disziplin, die einen einzigartig macht egal ist, wieso wird Hütchenspielen dann nicht olympisch, wo es doch ein weltweit ausgeübter Sport ist? Wieso hat die Medienwirtschaft geringer ausgeprägte Moralvorstellungen als der Sport, wo doch ihre gesellschaftliche Relevanz und Kommunikationskraft deutlich höher ist?
Auf der Grundlage, dass die Freiheit des einzelnen aufhört, wo er andere wissentlich schädigt, kämpfen sich Menschen mit Gewehr im Anschlag durch die Mohnfelder Afghanistans, heben Militär-Hubschrauber neben brennenden Anbauflächen in den Anden ab. Es ist ein Krieg, den die westliche Welt gegen Kokain und Heroin, ihre Produzenten und Händler führt. Sie tut dies, um Dritte vor den Folgen des Rauschs zu schützen. Dieser Rausch kann sie aus der Gemeinschaft katapultieren, dazu führen, dass sie ihre Werte und Selbstrespekt verlieren und sie in Einsamkeit, Verzweiflung und am Rande unserer Gesellschaft enden lassen.
Beim Drogenrausch ist die Sachlage scheinbar offensichtlich, wie steht es aber mit anderen Formen von Rausch? Ich will jetzt nicht fordern, dass die GSG 9 das Dschungelcamp stürmt und Herrn Bach und Frau Zietlow verhaftet, dass die Jamba Chefs von einem Sonderkommando der Berliner Polizei auf offener Strasse überwältigt werden und Dieter Bohlen erst recht nicht zum neuen Pablo Escobar machen. Aber darüber nachdenken, dass der Spaß aufhört, wo er anderen schädigt, das will ich schon.
Man kann sich daran berauschen wie C-Promis im Dschungelcamp gedemütigt werden, man kann high werden vom Taschengeld der Kinder, welches man mit Crazy Frog und Co. von ihren Prepaidkarten zieht, oder total darauf abfahren mit zynischen Kommentaren profilneurotische Casting-Kandidaten vor laufender Kamera zum Weinen zu bringen, aber normal ist das nicht. In anderen Fällen von Rausch setzt hier der Ruf nach Therapie ein. Und diejenigen, die an dem ganzen Treiben auch noch als Produzenten richtig fett verdienen, werden, wenn es um Drogen geht, zur Verantwortung gezogen.
Verantwortung ist das Schlüsselwort. Sender, Zeitungen, Plattenfirmen und selbst Klingeltonanbieter arbeiten schließlich nicht in einem wertfreien Raum. Will die Medienwirtschaft ernst genommen werden und Substanz bilden, muss sie auch eine Moral haben. Sie lebt von und mit der Gesellschaft und muss sich somit fragen, womit sie Erfolg haben will. Denn versetzt sie ihr Publikum, ihre Kunden in einen endlosen Rausch, kann sie dieses oder diese nur halten, wenn sie die Dosis immer weiter erhöht. Die einen werden abhängig, die anderen wachen mit einem furchtbaren Kater auf und wenden sich mit Grauen ab.
Verantwortung mag ein genauso konservatives Wort wie Treue und Nachhaltigkeit sein, die mich in den letzen beiden Blogeinträgen zum Schreiben getrieben haben. Sie zu erkennen und für sich selbst anzunehmen ist aber die einzige Chance, die Medienfirmen in einer sich schnell und deutlich wandelnden Medienwelt haben. Mit verantwortlichem Tun kommt Verlässlichkeit in Umbruchsituationen, egal ob auf dem Kreativ- oder Finanzmarkt, kann man Zukunft gestalten, statt sie zu gefährden wie unlängst last FM und haben Menschen wie Kofler viel entspanntere TV-Diskussionen.
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