Manche Bands versprühen ihre Begeisterung für eine bestimmte Phase der Rockhistorie mit nahezu makelloser Mimesis. Andere zeigen ihr Geschichtsbewusstsein und zugleich auch -Wissen gepaart mit künstlerisch anspruchsvollem Kalkül. Louis XIV entscheiden sich auf ihrem aktuellen Album ‘The Best Little Secrets Are Kept’ mit herrscherischem Geschick erfreulicherweise für den Mittelweg, und kredenzen uns mit unverbraucht frischer, adoleszenter Chuzpe ein aktualisiertes Abbild der Siebziger zwischen T. Rex, Bowie und den Stones im königlich altem, neuen Gewand.

 

“… ich würde uns niemals als Glam-Band oder ähnliches bezeichnen.”

Sänger, Gitarrist und Pianist der Band Jason Hill, der zugleich auch noch in kompetenter Eigenregie den Produzenten-Thron für sich beansprucht, sieht sich, zusammen mit seinem auf den gleichen musikalischen Positionen aktivem, kreativen Partner Brian Karscig, keineswegs als einer der Köpfe einer Retro-Band, oder gar Rädelsführer einer neuen Glam Rock Revolution. Ursprünglich jeher ein rein britisches Phänomen, und doch glaubt man nach dem Genuss von ‘The Best Little Secrets Are Kept’ seinen Ohren nicht zu trauen, wenn man sich daraufhin mit der San Diego-Herkunft der Jungs konfrontiert sieht. Solch akzentuierte, akustische, wie auch lyrische, augenzwinkernde bis subtile Koketterie kennt man populärhistorisch doch eigentlich nur von der königlichen Insel. “Klar hören und lieben wir die Klassiker, aber ich würde uns niemals als Glam-Band oder ähnliches bezeichnen. Letztendlich ist die Rockmusik doch seit Anbeginn in einem Kreislauf von Austausch und gegenseitiger Beflügelung. Ohne den amerikanischen Blues von Muddy Waters hätte es ja auch die Stones so nicht gegeben.”

 

Bezüglich des eigenen Sounds hat Jason dann auch ganz eigene, vom wild experimentellen Pioniergeist beseelte Vorstellungen. “Ich kaufe mein Equipment immer bei Radiosendern, die jetzt alle auf digital umstellen und die geilsten Klamotten verramschen. Natürlich darf man denen nie zeigen, wie sehr man sich freut, ein fantastisches altes Mischpult für so wenig Kohle abzuschießen.” Mit solchen Errungenschaften kann sich der Klangtüftler dann auch tagelang beschäftigen, bis er damit ein Ergebnis erzielt, das seinen Ansprüchen gerecht wird. Lustigerweise scheint seine Intuition in diesen Belangen in nahezu gespenstischer Form den selben Weg zu nehmen, den einst seine großen Vorbilder entdeckt und beschritten haben. “Ich hatte auf einer großen Plattenfirma Party vor kurzem die Gelegenheit John Paul Jones (Led Zeppelin-Bassist, Arrangeur und Produzent) kennenzulernen und konnte mit ihm über Aufnahmetechniken fachsimpeln. Ich war total erstaunt darüber, dass sie damals auf viele dieser tollen Klangeffekte auf ähnliche Art und Weise gestoßen sind, wie ich heute bei meinen Versuchen.”

Wer sich von solch audiophilen Ansätzen eher abgeschreckt fühlt, sei beruhigt: Louis XIV klingen bei weitem nicht verkopf(t)-höret, wie man nun vermuten könnte, sondern rocken sich ungeniert frech und unglattgebügelt durch ihr famoses Album, ohne sich zudem auch einer sympathisch eigenbrötlerischen Querdenkerhaltung, zu weilen auch jenseits traditioneller Hörgewohnheiten, zu entbehren. Und da lässt man sich auch nicht reinreden. “Ich mußte mir immer wieder anhören, dass ein Song wie ‘Paper Doll’ so nicht funktionieren kann, weil er ja eigentlich keinen Refrain hat. Aber das Lied kommt eben nur genauso wie es jetzt ist, erst richtig zur Geltung.” Künstlerischen Visionen sollte man eben nicht mit etablierten Konventionen kommen, sonst entfährt dem eigentlich ruhigen und ausgesprochen umgänglichen Jason auch schon mal ein vehementes “L’état c’est moi”-Machtwort.

 

“Ich find unsere Texte keinesfalls frauenfeindlich oder machistisch. …”

Ach ja, bezüglich der eigenen Wortmacht, Louis XIV haben sich in ihren Texten ein anspielungsreiches, anzügliches Testosteron-Terrain zu Untertan gemacht, natürlich nicht ohne einen gehörigen Schuss Humor. Dennoch haben Zeilen wie ‘We don’t have to go to the pool if you want me to make you wet’ in puritanischen Teilen der USA schon für gehörig Proteste und Schelte gesorgt. Ein Punkt, den Jason überhaupt nicht nachvollziehen kann. “Ich find unsere Texte keinesfalls frauenfeindlich oder machistisch. Uns wurde sogar schon vorgeworfen, dass die Worte ‘Chocolate Girl’ (aus dem Stück ‘Finding Out True Love Is Blind’) gar rassistisch seien! Die Leute hören einfach nicht richtig hin, sondern schnappen nur irgendwelche Schlagworte auf. Zu unseren Shows kommen jedenfalls auch haufenweise Frauen, egal welcher Couleur, und die tragen sogar selbstgemachte Shirts auf denen dann ‘I Am Your Chocolate Girl’ steht. Die scheinen kein Problem damit zu haben.” Es gilt, so scheint es, was schon früher galt, womit sich der Kreis abermals schließt: the little girls understand. Nur, dass die Männer mittlerweile nicht mehr sagen können, sie hätten von all dem nichts gewusst.

Text: Frank Thießies