Die Editors im Interview über das neue Album, Donald Duck und den Wunsch, fliegen zu können.
Die Editors sind die vier Männer, die die großen Melodien schreiben und den schwarzen Nebel, der sie umgibt, einfach nicht los werden. Das unterschreibt auch Sänger Tom Smith (zweiter von links), ein Mann mit leichtem Hang zur Exzentrik, dem die Nachdenklichkeit ins Gesicht geschrieben steht. Motor.de traf ihn und Bassist Russell Leetch (zweiter von rechts) zu einem Gespräch über nicht vorhandene Traurigkeit, den “Dark Overlord” sowie kleine Macken und Eitelkeiten.
motor.de: Wie ist das eigentlich mit Wintersleep und The Maccabees, die euch auf der derzeitigen Tour begleiten: Habt ihr die beiden Support-Bands selbst ausgesucht?
Tom: Ja, wir haben die Maccabees mindestens hundert mal gebeten, mit uns zu spielen und nie hat es wirklich geklappt. Umso besser, dass es nun funktioniert.
Russ: Wir suchen unsere Support-Bands immer selbst aus.
Tom: Es ist cool, mit ihnen zu spielen, wenn sich die Leute dann auch über alle drei Bands freuen. Ich erinnere mich noch an mein erstes Konzert gemeinsam mit meine Eltern. Das waren REM zusammen mit Radiohead und The Cranberries. Das war echt ein tolles Konzert.
motor.de: Ihr habt ja einen sehr speziellen Sound. Denkt ihr eigentlich, dass es heutzutage noch möglich ist, einen eigenen Sound zu entwickeln? Oder gab es das alles schonmal?
Russ: Ich denke viele neue Bands haben ihren eigenen Sound. Jeder Mensch wird durch irgendetwas anderes beeinflusst. Die Technik schreitet voran, und so klingen die Sachen auch anders.
Editors – The Racing Rats (live)
motor.de: Ihr habt bei Google Maps die »Orte eingetragen, die Einfluss auf euer Album hatten.
Tom: Wir wollten, dass die Leute die Platte auf eine andere Art und Weise erleben können. Die Platte wurde sehr stark von London inspiriert. Die Menschen, die unsere Musik hören, sollen auch hinter die Kulissen schauen können. Also haben wir die Orte markiert, die „In This Light And On This Evening“ beeinflusst haben.
motor.de: Ich frage mich oft, warum euch nachgesagt wird, dass eure Songs traurig und düster wären. Eigentlich ist doch eher das Gegenteil der Fall?
Tom: Die Songs kommen aus unseren Herzen und entstehen eben einfach. Da ist die Klangfarbe meiner Stimme und der Band, die natürlich etwas düsterer als die vieler anderer klingt, das finde ich gut. Die Leute die sagen, unsere Musik wäre traurig, liegen aber tatsächlich falsch. Nimm den Song „In This Light And On This Evening“, der erste unseres neuen Albums, in dem es um die Schönheit eines einzigen Moments geht. Das ist nichts Trauriges. Natürlich gibt es Textzeilen, die auch etwas schaurig sind. Aber ich würde sagen, Leute, die unsere Songs als deprimierend bezeichnen, liegen falsch.
Russ: Die sind vielleicht einfach dumm.
Tom: Kann schon sein. (lacht)
motor.de: In einem Song singst du „Open your arms and welcome people to your town“. Irgendwo war dann eine Beschreibung zu lesen: „Tom Smith, der auf einem Berg im Nebel steht und die Außenseiter mit offenen Armen begrüßt, während Krähen um seinen Kopf schwirren“.
Tom: Das ist übrigens wieder eine sehr positive Textzeile. Jaja, ganz genau so hört sich unsere Musik auch an. (zieht die Augenbrauen hoch und lacht) Weißt du, die Leute wollen Schlagzeilen haben und Sensationen, also denken sie sich irgendetwas aus, um Aufmerksamkeit zu kriegen. Schade, dass ich das nicht lesen konnte. Manchmal glaube ich auch, die Leute sehen mich gern als „Dark Overlord“. (lacht)
motor.de: Lasst uns als nächstes über euer neues Album reden – es wirkt ja sehr cineastisch…
Russ: Ja, wir mögen Filme. Das Album ist auch sehr pompös. Uns gefällt das. Viele Menschen vertragen das nicht und denken, wir wollen Aufsehen erregen und uns damit darstellen. Dabei möchten wir eigentlich, dass nur die Musik mächtig und kraftvoll wirkt.
motor.de: Seid ihr auf dem Weg zur riesigen Stadionband?
Tom: Wir mögen es zumindest, vor vielen Leuten zu spielen und diese Menschen mit eben genannten Sound zu erreichen.
Russ: Es war so toll, als wir mit REM getourt sind. Diese Orte waren beeindruckend, da würden wir gern wieder spielen.
motor.de: Tom, du hast mal gesagt, es wär langweilig, immer nur in einer Rockband zu spielen und deshalb…
Tom: (eingeschnappt) Das habe ich nicht gesagt, das ist eine Lüge!
motor.de: Lass mich kurz ausreden. Also… Du hast einmal gesagt, es wäre langweilig, immer nur Rockmusik zu schreiben, deshalb wolltet ihr euren Sound verändern.
Tom: Achso, entschludige. Ja, nach gewisser Zeit kommt einfach eine Routine in die Musik. Hätten wir so weiter gemacht wie auf den ersten beiden Platten, hätte die Dynamik bei uns selbst gefehlt. Es war nicht mehr so aufregend wie es sein sollte. Das war ein bisschen ängstigend, muss ich sogar sagen. Oder langweilig, das ist wohl wirklich das richtige Wort. Und wir wollten einfach den Reiz und die Aufregung zurück.
motor.de: Apropos Sound, ihr ward doch bestimmt auch in anderen Bands vor den Editors.
Russ: Ja, wir waren in ziemlichen Scheißbands in der Schule. (lacht)
Tom: Wir waren sogar eine Scheißband, als wir angefangen haben. (lacht)
motor.de: Tom, welches Bild ging dir eigentlich durch den Kopf, als du den Text zu „Raw Meet = Blood Drool“ geschrieben hast? Der Song wirkt so ironisch.
Tom: Dieser Song ist inspiriert von einem Bild von Banksy. In meinem Kopf waren Männer in Anzügen, die lachen. Vielleicht keine Politiker, aber auf jeden Fall Menschen mit Geld. Diese Art von Leuten, die unsere Existenz kontrollieren. Ich habe mir vorgestellt, wie sie auf rohem Fleisch rumspringen und es sich gegenseitig in die Hand drücken. Ich habe nicht so viel Vertrauen in solche Menschen und – das ist tatsächlich kein Spaß – das Bild hat mich zum Lachen gebracht, denn da steckt wirklich Sarkasmus drin.
Editors – Raw Meet = Blood Drool (live)
motor.de: Lasst uns mal kurz hypothetisch werden. Wenn ihr beiden einen Wunsch frei hättet, was würde das denn sein?
Russ: (todernst) Mmmh, Weltfrieden. Das klingt so abgenutzt und ist eine einfach Sache. Aber es ist so.
motor.de: Und wenn es ein Wunsch nur für euch selbst wäre?
Russ: Oh, was ich mir für mich selbst wünschen würde, wäre Flügel zu haben.
Tom: Willst du einfach nur fliegen können oder wirklich auch Flügel haben? Ich finde Flügel sind nervig und scheiße.
Russ: Okay, wahrscheinlich würde man vom Flügel flattern schnell müde werden…
Tom: Und wie willst Du so eine Jacke tragen?
Russ: Ja, ist ja gut… Dann hätte ich vielleicht einen ulkigen Buckel unter der Jacke.
Tom: Da gibt es einen Film namens „Ricky“, ein Baby mit Flügeln. Er ist ein Engel. Den musst du dir mal ansehen, ich glaub Ricky hat ein cooles Leben.
motor.de: Und was würdest du dir wünschen, Tom?
Tom: Also ich würde mir wünschen, dass an dieser Stelle (Tom zeigt auf eine kahle Stelle in seinem Bart) endlich mal Haare wachsen würden! (lacht)
motor.de: Wenn ihr eine Zeitreise machen könntet, wo würde es hingehen?
Russ: Lustig, das haben wir gestern Nacht auch mit den Maccabees diskutiert. Ich würde gern zurück zu den Dinosauriern.
motor.de: Findest du Dinosaurier nicht ein bisschen angsteinflößend?
Russ: Nicht, wenn du dich im Baum versteckst. (lacht)
Tom: Dinosaurier sind eigentlich ganz gut, aber ich glaub ich würde eher in die Zukunft reisen. Es wäre beruhigend zu sehen, dass es uns immer noch gibt. Ich hab auch richtig Angst, weißt du? Oh scheiße…
motor.de: Russell, wenn du einen eigenen Planeten hättest, wie würde er heißen und aussehen?
Russ: (grinst) Leetch, und Leetch würde voller Ichs sein.
Tom: (lacht) … jeder wäre du und jeder hätte dein Gesicht?
motor.de: Wär das nicht langweilig?
Russ: Nein… (denkt kurz nach) Nein.
Tom: Nicht für ihn!
motor.de: Aber da gäbe es ja dann gar keine Frauen…
Tom: Ja doch da wären Frauen, aber sie würden aussehen wie Russ! (lacht)
motor.de: Wenn ihr ein Buntstift sein würdet, welche Farbe wärt ihr und warum?
Russ: Ich wäre schwarz, weil man damit auf alles schreiben kann, außer auf schwarz.
Tom: Ich wäre eine dieser Farben, die in der Nacht leuchten… (schaut geheimnisvoll) Unsichtbar bei normalem Licht, aber unter bestimmtem Licht kann man meine geheime Nachricht dann lesen…
motor.de: Erzählt doch mal, ob eurer Band etwas komisches auf der Tour passiert ist.
Russ: Eigentlich nicht, aber Tom hat sich heute verlaufen.
Tom: Ja, ich musste Google Maps benutzen, um zurück zu finden.
motor.de: Das ist doch nicht so schlimm.
Russ: Es ist arm. (lacht)
Tom: Ich habe das neue Fever Ray-Album gehört. [Maccabees Sänger] Orlando hat es mir gegeben. Und dann war ich abgelenkt.
motor.de: Apropos komische Sachen: Euer Gitarrist Chris stellt immer solche Action-Figuren auf seinen Verstärker…
Tom: Das sind Wrestler.
Russ: Chris ist so stolz darauf, dass er einer der größten Wrestling-Fans in Großbritannien ist. Er geht so oft zum Wrestling.
Tom: Da steckt auch keine Ironie drin. Er meint es völlig ernst. Es ist gut, eine Leidenschaft zu haben…
Russ: (lacht) … jaaaa …
Tom: Manchmal wundere ich mich, dass ihn gar nichts schert, also bin ich ganz froh, dass es doch noch etwas gibt, was ihn entflammt. (lacht)
Russ: Die stehen auch immer in einer anderen Reihenfolge und führen verschiedene Kämpfe aus…
motor.de: Seit wann macht er das denn?
Tom: Ich glaube, er wurde von Peter Buck von REM inspiriert, der hat nämlich Dinosau… DINOSAURIER – alles dreht sich um Dinosaurier dieser Tage – auf seinem Amp stehen. Chris dachte wohl, das ist eine coole Idee und ist heim gefahren und hat seine Figuren geholt. Seitdem stellt er sie auf.
motor.de: Russ, ich hab mal davon gehört, dass du lustige Stimmen machen kannst. Ist da was dran?
Russ: Wer hat dir das verraten?
Tom: Gib es zu, du kannst sprechen wie eine Ente.
Russ: Ja, ich spreche fließend Entensprache, wie Donald Duck. (an dieser Stelle ahmt Russel Donald Ducks Stimme nach und lacht)
motor.de: Weihnachten ist ja nicht mehr allzu weit weg, was war denn das blödeste, was ihr je geschenkt bekommen habt?
Russ: Ich hab mal ein Geschenk bekommen, da sollte man einen Traktor aus Streichhölzern und Leim basteln. Das ist ziemlich langweilig.
Tom: Ich wollte unbedingt Dungeons and Dragons haben. Dabei ist das so ein Scheiß.
motor.de: Abschließend noch zu neuem Material, was ihr ja bekanntlich beim Touren schreibt…
Tom: Ein paar Songs sind schon entstanden. Wir werden sie wohl im Januar im Studio fertig stellen. Ein neues Album dauert aber noch und B-Seiten wollen wir nicht veröffentlichen, ich glaube, das Zeitalter von B-Seiten ist vorbei. Keiner kauft mehr Singles und ist gespannt auf den anderen Song der drauf ist, der sogar besser sein kann als die Single selbst. Deshalb haben wir ein paar Songs auf eine extra CD gepackt, die man zum neuen Album dazu kaufen kann, für unsere ganz großen Fans. Jetzt touren wir erstmal bis Sommer und dann schauen wir, was passiert.
Interview: Elli Eberhardt
No Comment