(Fotos: Alexander Mertsch)
Es war immer ein Mittel der Unterdrückung, den Status Quo zu zementieren. Egal ob die Kirchen des Mittelalters den Bauern suggerierten ihr armseeliges Leben auf den Lehen sei gottgewollt und im Himmel würde die Belohnung warten, oder jungen Männern in der preußischen Armee das Rückgrad gebrochen und der Gehorsam gelehrt wurde – es ging immer darum, die bestehende Ordnung zu sichern und Veränderung zu verhindern.
Pop und Rock’n’Roll funktionieren genau andersherum. Seit jeher geht es dort darum, das Existente in Frage zu stellen, Neues zu versuchen. Rock’n’Roll erschütterte die starre Nachkriegsordnung mit zuvor ungehörten Rhythmen, die Beatnik und Hippie Bewegung stellte die Gesellschaft in Frage, Punk erschütterte die Post-Revoluzzer-Gemütlichkeit, mit Techno und Hip Hop wurde der Exzess dem politisch korrekt gewordenen Establishment entgegen gestellt. Pop und Rock’n’Roll war immer auch Ausdruck von Veränderung und Freiheit. Nun finden wir an jeder Straßenecke ein Zeichen des Stillstands. Die Kanzlerin hat keine Botschaft mehr, außer dass es darum geht, Veränderungen zu verhindern. Alles und jeder wird umarmt (sogar der Kontrahent im „Kanzlerduell“). Es gibt kein Dagegen mehr, nur ein gemeinsam zu wahrenden Status Quo. Was früher Aufstand war, wird vom Establishment vereinnahmt und so wurde Bushido CDU Bundetagspraktikant, genauso wie Mietze von Mia jetzt neben dem menschenverachtenden Zyniker Bohlen bei DSDS Platz nehmen wird. Alles ist scheinbar egal geworden.
Wer mit Pop und Rock’n’ Roll groß geworden ist, darf sich von diesem Mainstream der Gleichgültigkeit nicht lähmen lassen. Gerade jetzt geht es darum zu zeigen, dass die Kultur die uns geprägt hat eine der Veränderung ist. Sie hat uns Freiheit gelehrt und somit den Weg gezeigt über das Existente hinaus zu denken. Natürlich ist da eine gewaltige Wand des Stillstands, aber gerade jetzt müssen wir Anlauf nehmen und dagegen rennen. Sie wird beim ersten Mal wohl nicht umfallen, aber wenn wir nicht anfangen, bleibt sie immer stehen. Wir sind es uns und dem Pop und dem Rock’n’Roll schuldig. Dies ist ein Wahlaufruf.
Tim Renner
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