Schuldbewusste Fans, lebensgefährliche Tourmomente, seltsame Auftrittsorte – Fanfarlo haben motor.de einiges aus ihrem Musikeralltag zu erzählen.
Für nur einen Dollar verkauften Fanfarlo ihr Album „Reservoir“ auf ihrer Homepage. So macht man in Zeiten der sogenannten Musikkrise und einer unüberschaubaren Vielfalt an Bands dann doch noch auf sich aufmerksam. Mit diesem Schritt ist der jungen britischen Band, getreu dem Motto „Erstmal groß anfangen“, der Sprung über den großen Teich gut geglückt. Und was ist mit dem europäischen Festland? Auch hier erspielen sich Fanfarlo mit ihrem dynamischen Indie-Folk eine stetig wachsende Fangemeinde – ihre Show in der Hamburger Prinzenbar war sogar ausverkauft, und zwar nicht als einzige auf der Tour. motor.de traf Schlagzeuger Amos und Trompeter Leon zum spannenden Zwischenfazit.
motor.de: Ihr habt „Reservoir“ eine zeitlang für nur 1 $ verkauft. Würdet ihr das mit eurem nächsten Album auch tun?
Amos: Wahrscheinlich nicht.
Leon: Es war einfach gut und richtig zu der Zeit. Wir wollten unsere Musik unter die Leute bringen und dadurch, dass wir das Album selbst veröffentlicht haben, waren wir auch in der Position, das auf diesem Weg tun zu können. Ein Label hätte uns das nicht erlaubt. Wir dachten, wenn wir das Album für nur 1 $ verkaufen, kann einfach keiner widerstehen. Tja, und nun gibt es kein Zurück mehr (lacht).
motor.de: Glaubt ihr, es würde ein zweites Mal funktionieren?
Amos: Auf jeden Fall, aber bestimmt nicht für jede Band. Es ist ja nicht so, dass wir total unbekannt waren. Wir hatten schon einige 7-Inches veröffentlicht, aber noch kein Album. Es wäre nicht richtig, ein Album für 1 $ wegzugeben, wenn es das allererste ist, was man veröffentlicht. Das Angebot galt auch nur für einen Monat. Wir wussten, dass es Leute gibt, die auf jeden Fall die CD kaufen. Erreichen wollten wir aber die, die uns noch nicht kannten.
Leon: Das Witzige ist, dass wir sogar Leute getroffen haben, die sich schuldig gefühlt haben, weil sie so wenig dafür bezahlt haben. Viele von denen haben sich dann auf den Shows noch die CD gekauft.
Amos: Selbst nach über einem Jahr kamen noch Leute zu uns und erzählten uns, wie sie auf die Aktion aufmerksam geworden sind.
Leon: Ich finde auch die Psychologie dahinter interessant: Man kann das Album legal und für nur 1 $ downloaden oder es sich illegal holen, was sicherlich der einfachste Weg ist. Aber trotzdem haben viele noch eine Verbindung zur Musik. Gerade im Fall von jungen und weniger bekannten Bands scheint es nach wie vor ein Bewusstsein dafür zu geben.
motor.de: Und was haltet ihr dann von Musikflatrates?
Leon: Ich denke, das ist ein zukünftiges Modell, wie man an Musik kommt. Allerdings ist es auch nur eine Möglichkeit von vielen. Auf jeden Fall ist der Zugang zu Musik jetzt schon viel besser als früher.
Amos: Es ist spannend, so etwas gefragt zu werden, denn wir sind ja selbst auch Musikkonsumenten. Allerdings gehen wir noch in Musikläden und hören uns an, was neu veröffentlicht wurde. Ich denke, das kommt nicht mehr so oft vor wie früher. Die ganzen Musikblogs und Foren im Internet nehmen einem da viel ab. Es gibt Empfehlungen und oft gleich den Link zu Amazon. So ist das halt: Die Dinge ändern sich, aber man verändert sich mit ihnen. Man passt sich seiner technologischen Umgebung an. Bestes Beispiel ist das Handy. Keiner wartet mehr auf einen Anruf Zuhause.
motor.de: Ihr steckt gerade mitten in einer langen und weltweiten Tour. Was war bisher euer kuriosester Moment?
Leon: Wir wären einmal fast gestorben. Wir sind mit einem großen Anhänger durch die USA getourt und hatten teilweise ziemlich schlechte Wetterbdingungen. Einmal sind wir mit dem Anhänger ins Rutschen gekommen und auf die Gegenfahrbahn gekommen. Kennst du diese riesigen Trucks auf den amerikanischen Highways?
Amos: Zum Glück waren in dem Moment keine Fahrzeuge um uns. Sonst wäre das eine ganz andere Geschichte geworden.
Leon: Es hätte das Ende der Band sein können.
Amos: Es wäre nicht das schlimmste Ende gewesen…
Leon: Es gibt sicherlich schlimmere Arten, zu sterben, aber…
Amos: Wir wären alle zusammen gegangen, irgendwo ist es auch romantisch…
Leon: (lacht nervös) Ja, Amos…Jedenfalls war das der haarigste Moment.
Amos: Der seltsamste Ort, wo wir gespielt haben, war auf einem Schreibtisch in einem Büro. Es gibt eine Radiostation, National Public Radio, die sogenannte „Tiny Desk Concerts“ veranstalten.
Leon: Wir haben auf einem normalen Schreibtisch in einem echten Büro gespielt mit den ganzen Angestellten um uns rum. Das war komisch.
Fanfarlo – The Walls Are Coming Down
motor.de: Ihr seid dieses Jahr zum dritten Mal beim South By Southwest vertreten.
Amos: Ja, wir waren 2008 das erste Mal da, als wir noch keine Platte und noch kein Management hatten. Wir haben alles selbst organisiert. Flüge, Unterkunft und so. Jeder in der Band hatte eine bestimmte Aufgabe. Ich habe mich um Unterkunft und Essen gekümmert. Es gibt dort ein Programm, wo man bei Familien in Austin wohnen kann. Die bekommen dafür freien Eintritt für das Festival. Leon hat sich um die Visa gekümmert.
Leon: Amerikanische Arbeitsvisa – das war ein Albtraum. So etwas mache ich nie wieder.
Amos: 2009 hatten wir schon mehr Organisation um uns rum, sodass wir uns auf die fünf Shows konzentrieren konnten, die wir in den vier Tagen gespielt haben. Das war hart, wir wollten jedes Konzert so gut spielen, wie wir konnten. Was wir nicht wussten, ist, dass jemand von einer Plattenfirma da war, der sich wirklich jedes einzelne unserer Konzerte dort angesehen hat. Letztendlich haben wir so unser Label gefunden. Dieses Jahr werden wir uns aber eher um ein paar Radiostationen dort kümmern, die wollen, dass wir für sie spielen.
Leon: Die amerikanischen Radiostationen sind wirklich sehr gut zu uns und spielen uns oft. Amerika gibt uns viel Liebe und wir wollen viel Liebe zurückgeben.
motor.de: Vielleicht schon eine etwas späte Frage, aber was sind eure Wünsche für 2010?
Amos: Mehr freie Tage. Und Zeit zum Üben.
Leon: Ich freue mich sehr darauf, in Japan zu spielen.
Amos: Zeit haben, um an einem weiteren Album zu arbeiten, aber vielleicht plane ich damit auch schon zu weit.
Leon: Dann müssten wir aufhören zu schlafen (lacht).
Interview: Claudia Jogschies
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