Lee Hazlewood wirkt nicht gerade wie jemand, der weiß, dass er nur noch wenig Zeit auf diesem Planeten verbringen wird. Dann wiederum: Vielleicht wirkt Lee Hazlewood genau wie eben Lee Hazlewood, der weiß… und so weiter. Was wir wissen: Hazlewood, Autor von “These Boots Are Made For Walking”, Idol für unzählige Musiker von Nick Cave bis Bela B., dieser Großmeister des düster-romantischen Humors (und Songs) hat Krebs, unheilbar und fortgeschritten. Trotzdem scherzt er, wirkt locker (lockerer als noch vor wenigen Jahren, als er angesichts seines 2002er Comebacks erstmalig seit Ewigkeiten Interviews gab) und entspannt.

Vielleicht liegt diese Gelassenheit auch daran, dass er seine – als solche lange angekündigte – letzte Business-Aufgabe fertig gestellt hat: Das Album “Cake Or Death”, nach eigener Aussage sein definitiv finales. Möglicherweise haben ihm auch die Ehrbezeugungen der jüngeren Vergangenheit gut getan: Der Mann, der so gut wie immer im Schatten der von ihm protegierten, mit Songs versorgten (und gelegentlichen Duettpartnerin) Nancy Sinatra stand, wurde 2002 mit einem eigenen Tribute-Sampler bedacht, und somit verspätet in den allgemeinen Coolness-Kanon aufgenommen.

Was ihn dabei am meisten mit Stolz erfüllt hat: “Dass die Leute für den Sampler nicht die Hits gecovert haben, sondern die obskuren Songs von meinen Solo-Alben bevorzugt haben.” Auch wenn manche seiner um mehrere Generationen jüngeren Fans auf merkwürdigem Wege an seine Musik herangeführt wurden: “Ich spielte in Europa, und niemand im Publikum hatte graue Haare! Also fragte ich diese jungen Leute, woher sie meine Songs kennen: “Meine Großmutter hat mir Deine Platten vorgespielt,” war meine Lieblingsantwort.”

Denn neben “These Boots” und anderen schillernden Gassenhauern mit leicht dunklem Unterton, gab es auch immer großartige Solo-Alben wie “Trouble Is A Lonesome Town” oder “Requiem For An Almost Lady”, auf denen Lee das menschliche Durcheinander pointiert-melancholisch unter die Lupe nahm, und mit seiner unglaublichen Stimme ein Lied davon sang.

Das machte auch Ärzte-Schlagzeuger Bela B. zum Fan, und inzwischen auch Partner Hazlewoods: Der “Erste Song des Tages” ist eine Koproduktion der beiden, die sich sowohl auf Belas Solo-Debüt “Bingo” findet, wie auch auf “Cake Or Death”:

“Ich mag Bela wirklich sehr! Er brachte mich übrigens dazu, alles so zu machen wie er wollte. Er sagte, ich könne den Song so singen, wie ich möchte – und am Ende habe ich ihn irgendwie doch so gesungen, wie ER sich das vorgestellt hatte, obwohl ich eigentlich etwas mehr Blues hinzufügen, hier und da etwas verändern wollte… Wir hatten viel Spaß zusammen! Meine Kinder und Enkel mögen seine Musik übrigens auch sehr.”

Und natürlich mögen sich auch Lee und seine wohl bekannteste Duett-Partnerin ebenfalls noch: “Na klar – Nancy ruft mich ab und zu an, um zu schauen, ob ich schon tot bin. Eigentlich wollten wir noch mal zusammen auf Europa-Tour gehen. Aber das habe ich nicht hingekriegt. Ich komme,” sagt Hazlewood verschmitzt, “eben nicht mehr so gut durch den Tag.”

Es scheint ihm aber nicht so viel auszumachen, dass es mit der geplanten Konzertreise nun vermutlich nichts mehr werden wird. Wichtiger ist es wohl, mit “Cake Or Death” ein letztes Kapitel für seine Plattenkarriere geschrieben zu haben – auch, wenn das Album eher durchwachsen ist, und nicht unbedingt zu den Highlights des Hazlewood’schen Oeuvres zählt. All zu oft, das muss bei allem Respekt gesagt werden, gehen die Gäule dann doch mit ihm durch, und neben Kleinode wie dem bissigen “White People Thing”, der spannenden Neu-Aufnahme von “These Boots” oder dem amüsant-rührenden Gastspiel seiner achtjährigen Enkelin Phaedra in “Some Velvet Morning” tauchen einige Durchhänger auf, wie “Please Come To Boston”, “Nothing” oder auch das schmalzige “T.O.M. (The Old Man)”.

Aber vielleicht ist das alles Taktik des G.A.M., des großen alten Mannes, der weiß, dass am Ende den Hinterbliebenen meist mehr fehlt, als dem Gegangenen. Und vielleicht wollte er, dass alle was davon haben – die Fans die bissigen, wunderlichen Stücke, und die Angehörigen die Schmonzetten, denn: “Meine Familie liebt diesen sentimentalen Schrott!”