Oh, wie schön ist Österreich: Mit ihrem zweiten Album holen Francis International Airport den titelgebenden Klangwald ins Wohnzimmer beeindrucken mit großartigem Indiepop.

Die unselige Sitte, Österreich unaufgefordert mit kreativer Abgeschiedenheit und Provinzialität in Verbindung zu bringen, dürfte immer noch eine wahre Plage für die dort ansässigen Popmusiker sein. Gerade wenn man im Vergleich dazu die deutschen Kollegen hört, bei denen allzu oft das musikalische Mittelmaß mit großer Klappe übertönt wird, wird einem abwechselnd rot und weiß vor Augen.

“In The Woods” wird diesen Sachverhalt vielleicht nicht im Alleingang korrigieren, doch das zweite Album von Francis International Airport klingt im Unterschied zu den vielen Mitstreitern eindeutig wie ein Vorbild und nicht wie ein Nachahmer. Die Band um Sänger und Songschreiber Markus Zahradnicek hat es sich in den Kopf gesetzt, mit begrenzten Mitteln ein nicht für möglich gehaltenes Optimum aus ihrer Produktion herauszukitzeln und sich bei der Gelegenheit als perfektionistische Technicolor-Träumer zu outen. Die Impressionen beginnen dabei schon beim Artwork: “In The Woods” sieht aus wie der Blick vom Gartentor direkt in den Dschungel, in dem es allerdings nicht nur von lebensgefährlichen Arten wimmelt, sondern auch von allerhand wohl gesonnenem Federvieh.


Francis International Airport sind die Fremdenführer durch dieses Ökosystem, und obwohl auf den ersten Blick das Chaos regiert, lässt die Harmonie nicht lange auf sich warten. Aufbrausende Songs gibt es zu entdecken, Gitarrenpop, der auf verschlungenen Pfaden zu verborgenen Zielen führt, Intimiäät, die sich mitten in der Öffentlichkeit abspielt. Francis International Airport verstehen sich auf das Elegische, auf die Macht, die Welt vor dem Fenster ins Wohnzimmer zu holen, auf emotionale Landschaften, die an die eigenen vier Wände projiziert werden. Ihrem Sänger kommt dabei eine fast körperlose Stimme zugute, die sich von 80er-Jahre-Wave bis zu schwärmerischem Schmachten à la Get Well Soon in alle erdenklichen Richtungen strecken kann. Den Raum dazu liefert die Band gleich mit, denn “In The Woods” ist in erster Linie eine großzügige Platte geworden. Orchestrale Breite und weitschweifiges Songwriting verfangen sich immer wieder in liebevollen Miniaturen, die das grofle Gefühl des Albums nie zum Selbstzweck werden lassen.

Francis International Airport – “Monsters”

“Amnesiacs” etwa ist ein treibendes Ungetüm, das verhaltene Minuten vorschützt, um sich nicht zwischen Vollrausch und ewiger Jugend entscheiden zu müssen. “Solaris” klingt wie eine Weltraumoper, die unter dem Couchtisch aufgeführt wird, und “Celluloid” tauscht seine Kemenate gegen den Duft des großen weiten Orbits ein. Trotz der souveränen Instrumentenbeherrschung und des spürbaren Willens zu Größe und Schönheit verzetteln sich Francis International Airport dabei allerdings nie in seelenlosem Pomp und dickköpfige Grandiositäten. Im Gegenteil: “In The Woods” bleibt zugänglich, persönlich und intim, und bei allem Drama ausgesprochen diesseitig. Es sind Emotionen, die man an sich wiedererkennen kann, bei denen man sich im Nachhinein vielleicht sogar fragt, wie man so lange ohne ihre Beschreibung auskommen konnte.

Michael Haacken

VÖ: 08.10.2010

Label: Siluh Records

Tracklist:
01. – All Your Lines End In Me
02. – Monsters
03. – Celluloid
04. – Feet of Clay
05. – Bug
06. – Pipeland
07. – Solaris
08. – Amnesiacs
09. – City of Fog
10. – Ether
11. – The Art of Unlearning