Zwischen poppig-leichter Eingängigkeit und morbiden Klangtiefen – das dänische Damen-Trio Giana Factory mag den Sprung zwischen den Stimmungs-Extremen. motor.de traf sich mit den Newcomerinnen im Rahmen ihrer ersten Deutschland-Tournee.
(Foto: Community Promotion)
“Gestern wurde es etwas später” – diese Ansage verkünden die drei Damen von Giana Factory gleich zu Beginn des gemütlichen Plauschs in der Dresdner Neustadt. Man ist frisch angereist vom vortäglichen Tour-Termin in Berlin – in dessen Anschluss offensichtlich etwas exzessiv gefeiert wurde. Darf ja auch mal sein, immerhin ist es die erste wirkliche Deutschland-Tournee der dänischen Noir-Pop-Girlgroup. Man möchte sich für die Zukunft empfehlen und hat mit “Save The Youth” ein formschönes und abwechslungsreiches Debüt-Album im Gepäck. Dass es zwei Jahre gedauert hat, bis dieses den offiziellen Weg in die hiesigen Plattenregale gefunden hat, nehmen Loui Foo, Sofie Johanne und Lisbet Fritze eher sportlich.
Also fiebert man den Konzerten entgegen, jubelt über die Tatsache, das die erste Single “Rainbow Girl” zumindest den Weg in die Playlisten einiger Indie-Radios hierzulande geschafft hat. Und man freut sich über die Bekanntschaft neuer Leute – oder landestypische Spezialitäten, wie Club Mate, welche der Band bisher völlig fremd waren. Kaum vorstellbar, dass die drei schüchternen und höflichen Damen in ihren Songs auch gern morbid-sinistre Abgründe erkunden – wobei der melodiös-eingängige Aspekt von Pop-Musik nie aus dem Fokus gerät. Eine bewusster Drahtseil-Akt zwischen den Extremen über den wir mit Giana Factory an diesem Abend in ihrer Konzert-Location, dem Dresdner Kino Thalia, sprechen – genauso wie über die Musikszene Kopenhagens und ihre Vorliebe für gesundes Essen auf Tour.
motor.de: Beginnen wir gleich einmal mit dem Titel eures Debüts “Save The Youth” und der Frage nach dessen Bedeutung. Welche Jugend sollen wir genau retten? Die jedes Einzelnen oder gleich die ganze Generation?
Lisbet: Es ist ein bewusst offen gehaltener Titel, mit einer Art Fragezeichen am Ende. Muss die Jugend wirklich gerettet werden oder geht es ihr gut? Das kann jeder ganz eigen interpretieren, genauso wie du es ja mit der Generation eben getan hast.
Loui: Wir verstehen diese Jugend gern als etwas Neues, als der Beginn von etwas Frischen, dessen Energie es zu bewahren gilt. Da geht es nicht nur um uns, sondern um alles.
motor.de: Man kann euch ja ganz gut in viele Bands jüngeren Datums aus Kopenhagen einreihen, die sich musikalisch in ähnliche Gewässer wagen – Darkness Falls und Sleep Party People seien da einmal stellvertretend genannt. Ihr alle verbindet diesen dunklen, morbiden Charme mit eingängigen und gern auch tanzbaren Pop-Korsetten. Worin liegt eurer Meinung nach der Ursprung dieser Bewegung?
Sofie: Wir denken gar nicht so sehr darüber nach – dass wir so klingen, wie wir klingen, kommt eher ganz natürlich. Aber das hat sicher etwas mit den skandinavischen Eigenarten zu tun. Immerhin ist es da lange Zeit Winter, kalt und düster und wir verkriechen uns gern in unseren Häusern.
Lisbet: Es geht auf jeden Fall Einiges hinter diesen Vorhängen in den düsteren Häusern. (lacht) Und wir sind in der Tat mit all diesen Bands irgendwie befreundet.
motor.de: Das merkt man auch bei der Gemeinsamkeit, welche sich durch alle diese Gruppen zieht, nämlich Electronica-Produzent Anders Trentemøller. Lisbet spielt ja beispielseweise auch in seiner Live-Band Gitarre. Wie unterstützt er euch sonst noch?
Loui: Er ist auf jeden Fall ein sehr guter Produzent und er hat auch einen Remix unseres Songs “Dirty Snow” angefertigt, weil er ihn so mochte. Ich schätze ihn schon so ein, dass er schon daran interessiert ist, was sich musikalisch in seiner Heimatstadt so bewegt.
Lisbet: Er ist auch ein gutes Beispiel für diese Art von Netzwerk, die ich gerade erwähnte. Es sind Leute, die Musik und Kreativität im Allgemeinen mögen, da geht es gar nicht so sehr um einzelne Richtungen. Wir haben ja nicht nur düstere Bands in Kopenhagen – The Asteroids Galaxy Tour sind beispielweise auch Freunde von uns und die machen ja eher sehr fröhliche Musik.
Giana Factory – “Rainbow Girl”
motor.de: Habt ihr vielleicht auch einmal das Bedürfnis gehabt, so wie besagte Kollegen einen sehr fröhlichen Pop-Song zu machen oder liegt euch das Düstere einfach im Blut?
Lisbert: Das Witzige ist, dass Mette [Lindberg, Sängerin von The Asteroids Galaxy Tour, Anm. d. Red.] zwei Giana Factory-Songs auf unserer Release-Party gesungen hat, was sich wirklich sehr interessant anhörte.
Loui: Mit einem Stück wie “Dive” vom Album haben wir ja wirklich versucht, einen fröhlichen Pop-Song zu komponieren, aber irgendwie ist es dann doch wieder ins Melancholische und Dunkle abgedriftet. (lacht) Ich weiß noch, als wir anfingen an dem Stück zu arbeiten dachten wir alle: ‘Der ist so nett und positiv’ und dann ging es doch wieder in eine andere Richtung.
motor.de: Und dennoch scheint ihr diese spezielle musikalische Balance zu verfolgen. Also düstere, melancholische Klänge in Kombination mit einem gewissen Pop-Appeal. Steckt dahinter eine spezielle Intention?
Lisbert: Uns liegt diese Balance zwischen Unterschieden und Extremen in der Tat, wir finden das ungemein reizvoll. Wir mögen es, die Dinge in Perspektive und dadurch in Vergleich zu setzen. Wenn etwas beispielsweise sehr kantig und schroff ist, dann sorgen wir dafür, dass die Umgebung um diesen Moment herum noch softer und eingängiger wirkt, damit die Schroffheit deutlicher wird. Das geschieht recht gezielt, ja.
motor.de: Es hat dennoch eine Weile gedauert, bis euer Album – welches ja in Dänemark schon 2010 erschienen ist – jetzt auch den Weg nach Deutschland gefunden hat.
Lisbet: Wir haben die Platte damals relativ schnell aufgenommen und veröffentlicht, weil wir die Songs von den Leuten gehört haben wollten. Allerdings hatten wir zum damaligen Zeitpunkt noch überhaupt keine Pläne und Ideen, wie wir das außerhalb von Dänemark verkaufen sollten. Jetzt haben wir das alles – Label, Management und Booking-Agentur – also dachten wir: ‘Besser spät als nie’. (lacht)
motor.de: Ich kann mir denken, dass ihr nach diesem Zeitraum bereits hungrig nach neuem Material seid. Wie konkret sehen die Pläne bezüglich einer zweiten Platte aus?
Sofie: Ja, wir sind definitiv dabei und planen da im Sommer nach den Touren ins Studio zu gehen und endlich an den Tracks zu arbeiten. Der Prozess ist sozusagen fortwährend, wir entwickeln die Songideen kontinuierlich weiter.
Lisbet: Es wird auf jeden Fall kraftvoll, wir wollen diese beiden angesprochenen Extreme – den Pop und die kantigen Momente – in unserer Musik noch deutlicher betonen. Zumindest ist das der Plan.
motor.de: Stimmt es, dass euer Bandname einem alten Videospiel entnommen ist? Seid ihr am Ende etwa Gamer Girls?
Loui: (lacht) Nein, nicht wirklich, selbst wenn wir das wünschten. Aber das mit dem Namen ist korrekt, der stammt aus dem alten C-64-Spiel “The Great Giana Sisters”, welches wir gern in unserer Kindheit gespielt haben. Das war’s dann aber auch mit der Gamer Girl-Attitüde.
Sofie: Ich mochte “Tetris” noch gern – wie alle. (lacht)
Lisbet: Heute spielen wir lieber mit unseren Instrumenten.
motor.de: Gut, dann ist das Mysterium entkräftet. Wie sieht es mit der Legende aus, dass euch die schottische Rock-Band Glasvegas damals auf Tour mitnamen, noch bevor ihr einen einzelnen Song aufgenommen habt. Stimmt das?
Loui: Ja, das ist tatsächlich wahr. Ich und Lisbet spielten zusammen mit The Raveonettes, der Band meiner Schwester Sharin. Die war damals allerdings schwanger, sodass ich sie vertreten hab. James Allen von Glasvegas hat dann eine Show gesehen und uns gefragt, ob wir vielleicht auch eine eigene Band hätten und ihn zwei Wochen später beim Konzert in Kopenhagen supporten könnten. Wir hatten die Songs zwar komponiert, aber noch nicht aufgenommen, geschweige denn je eine Live-Show vorher gespielt.
Lisbet: Und dann war das auch noch in der größten Location von ganz Kopenhagen. (lacht)
Loui: Wir haben zwei Wochen wie die Verrückten geprobt.
motor.de: Und wie lief es an dem Abend?
Sofie: (lacht) Ich hab keine Erinnerung. Ich glaub, wir waren alle die ganze Zeit total aufgeregt und eingeschüchtert.
Loui: Aber es muss wohl ganz gut gelaufen sein, immerhin haben sie uns anschließend noch auf Tour mitgenommen.
Giana Factory – “Dive”
motor.de: Es gibt da ja immer diverse Klischees, die auftauchen, wenn Jungs in einer Band auf Konzertreise sind. Wie läuft denn der Touralltag bei euch Damen ab? Etwas hygenischer und besser organisiert?
Sofie: Ja, vielleicht wirklich etwas besser organisiert.
Lisbet: Ich glaub, der Hauptunterschied besteht im Essen. (alle lachen) Wir reden auch die ganze Zeit über Essen, Kochen und guten Kaffee beispielsweise. Wir wählen dann aber nicht direkt den nächstbesten Burger-Laden, sondern gehen gern in so Feinkost- und Bio-Läden shoppen. Da kaufen wir dann Avocados oder Karotten. Das macht wirklich einen Unterschied, man hat viel mehr Energie für so eine Tour, wenn man sich gesund ernährt.
Loui: Aber vielleicht machen das manche männlichen Kollegen auch. Chris Martin von Coldplay ernährt sich bestimmt auch nur gesund.
motor.de: Was waren denn auf dieser Tour bisher so die Highlights für euch?
Sofie: Letzte Nacht war ganz gut. (alle lachen leicht verschmitzt angesichts des offensichtlichen Kater-Zustandes)
Lisbet: Die letzte Show in Paris war auch wirklich super. Das war das Ende unserer Frankreich-Tour, eine einzige Party und da spielten, meine ich, zehn Bands auf zwei Bühnen an dem Abend. Diese Energie war umwerfend, wir hätten fast eine Herzattacke bekommen. Es war definitiv nicht von dieser Welt. Aber das ist auch spannend, unsere Songs fühlten sich da ganz anders an, als sicher heute Abend hier in so einem kleinen Kino. Man nimmt seine eigene Musik dann in der Tat ganz anders wahr.
Interview: Norman Fleischer
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