(Foto: Curtis Millard)
Vor zwei Jahren eroberten The Head And The Heart mit ihrem gleichnamigen Debutalbum die USA im Sturm. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die herzzerreißend schöne Folk-Musik und erreichte mit einiger Verspätung bald auch unsere Gefilde. Mittlerweile sind die sechs Musiker aus Seattle längst kein Geheimtipp mehr. Vielmehr füllen sie heute problemlos Konzerthallen und haben gelernt sich auf dem rutschigen Parkett des Musikbusiness routiniert zu bewegen. Nach zwei Jahren des Tourens ziehen sie nun Resümee über eine aufregende, aber auch nicht minder anstrengende Zeit. Wir trafen die beiden Gitarristen und Sänger Josiah Johnson und Jonathan Russell nach ihrem Konzert in Berlin und quatschten über Erfolg, das Tourleben und wie es sich anfühlt, als „Homecoming Heroes“ bezeichnet zu werden.
motor.de: Ihr habt gestern in Berlin gespielt. Wie war’s denn?
Josiah: Es war definitiv das beste Publikum, das wir in Berlin je hatten. Im Vergleich zu Amerika hat es in Europa eine Weile gedauert, bis die Leute unsere Songs kannten bzw. überhaupt wussten, wer wir sind. Mittlerweile hat sich das anscheinend aber geändert. Ich glaube auch, dass die Leute nach zwei Jahren, die wir hier nicht gespielt haben, schon etwas ausgehungert waren uns zu sehen. Wir hatten also leichtes Spiel (lacht).
Euer erstes Album erschien 2011 und war zumindest in Amerika sofort ein riesen Erfolg. Habt ihr damit gerechnet?
Josiah: Nein definitiv nicht. Wir haben das Album eigentlich schon ein Jahr zuvor veröffentlicht, pressten ein paar CDs und stellten es auf iTunes. Von einem Tag auf den anderen war es in den Album-Charts ganz oben und die Konzerte liefen wirklich gut. Plötzlich wurden Plattenfirmen auf uns aufmerksam. Das kam einerseits alles sehr überraschend für uns und passierte sehr natürlich. Andererseits steckten wir aber auch sehr viel Arbeit in unser Projekt, weshalb wir es irgendwie auch erwarteten. Was damals und jetzt immer noch abgeht, hätte aber keiner von uns vorhergesehen. Wir wollten einfach nur Musik machen, ein paar Songs aufnehmen und Shows spielen.
Die Liste guter Musiker ist aber unendlich lang und nicht jeder schafft es erfolgreich zu werden. Was glaubt ihr, ist das gewisse Etwas an euch, das den Unterschied macht?
Jonathan: Ich glaube, dass das viel mit Chemie zu tun hat. Es geht darum, wie man auf der Bühne rüberkommt. Keine Ahnung, ob das in Europa auch so ist, aber in den USA ist es oft so, dass eine Band oder ein Musiker zu sein oft mehr damit zu tun hat Geld zu machen, als Musiker zu sein. Es ist reines Business. Man heuert sich Leute an, die dann mit einem spielen. Da gibt es dann keine emotionale oder musikalische Verbindung. Gerade Leuten die aus Nashville, L.A. oder auch New York kommen, sieht man das oft an. Das merkt man einfach bei den Konzerten und auch auf dem Album. Bei uns war diese Verbindung schon von Anfang an da, bevor wir überhaupt mit dem Gedanken gespielt haben ein Album aufzunehmen. So etwas kann man nicht künstlich erzeugen. Es ist da oder eben nicht und das macht meiner Meinung nach den großen Unterschied aus und steckt dann auch die Leute an.
Dann gibt es aber auch Leute wie Sixto Rodriguez (Searching For Sugarman), der sicherlich auch sehr viel Herzblut in seine Musik gesteckt hat und bei dem der Erfolg (damals) immer ausblieb. Wie erklärt ihr euch das?
Jonathan: Natürlich ist das, was ich gerade gesagt habe nur ein Aspekt des Ganzen. Vermutlich hätten wir es auch viel schwerer gehabt, wenn wir unsere Band in einer anderen Stadt gestartet hätten. So verblümt, wie wir an die ganze Sache ran gegangen sind, wären wir woanders als in Seattle wohl nicht weit gekommen. In Seattle ist die Musikkultur einfach wahnsinnig ausgeprägt und es gibt eine richtige Musikergemeinschaft. Da gibt es eigentlich keinen Neid untereinander. Jeder ist positiv eingestellt und versucht den anderen zu unterstützen. Das hat schon viel ausgemacht. Ich komme ja eigentlich von der Ostküste, wo die Menschen viel verschlossener, hipper und cool sind. Als ich dann nach Seattle zog, fand ich diese offene Art zuerst ganz schön nervig. Aber es ist genau diese Offenheit, die einen weiter bringt.
Lebst du immer noch in Seattle?
Jonathan: (lacht)…ähm, nein. Keine Ahnung warum. Ich denke ich habe Virginia und meine Freunde einfach zu sehr vermisst.
Nach der Veröffentlichung eures ersten Albums wart ihr eigentlich ständig auf Tour. Was war das für eine Erfahrung?
Josiah: Puh, eine Gute aber auch sehr Intensive und teilweise echt Anstrengende. Für die meisten von uns war es das erste Mal überhaupt, so lange von zu Hause weg zu sein. Wenn man dann zusätzlich erst ein Album herausgebracht hat und jeden Tag aufs Neue immer wieder die gleichen Songs spielt, dann kann das einen schon ganz schön auf die Probe stellen. Im Grunde hatten wir in viereinhalb Monaten nur eine einzige Woche frei. Da lernt man seine Grenzen kennen. Es ist oft gar nicht so einfach, die Emotionen, die man beim schreiben dieser Songs hatte, immer wieder abzurufen und so wiederzugeben, wie es eigentlich gedacht war. Das gehört aber einfach dazu. Am Anfang durften wir all diese großartigen Bands, wie z.B.: My Morning Jacket auf Tour begleiten und konnten unglaublich viel von denen lernen. Klar ist das anstrengend und ermüdend, aber gleichzeitig auch unglaublich aufregend.
(Foto: Curtis Millard)
Euer zweites Album heißt „Let’s Be Still“. Ist das der geheime Wunsch nach einer Pause?
Josiah: Ja, das trifft es eigentlich ziemlich gut. Nach zwei Jahren des ständigen Tourens und Aufnehmens ist es wohl das, was man sich wünscht.
Habt ihr schon genug von dem ganzen Musikzirkus?
Josiah: Das kommt ganz auf das Konzert und den Abend an. Wir haben als Band einfach schon sehr viel zusammen durchgemacht und erlebt. Klar gibt es da oft Spannungen und Streit, aber eine Band ist wie eine Familie. Man streitet sich, ist kurz stinkig und dann verträgt man sich wieder. Man hält aber immer zusammen und wird immer füreinander da sein. Das ist schon ein gutes Gefühl.
Habt ihr jemals über einen Plan B nachgedacht, falls das mit der Musik nicht mehr so gut läuft?
Jonathan: Nein. Vermutlich würden wir einfach weiterhin Musik machen, auch wenn wir damit kein Geld verdienen. Musik machen ist das, was wir wollen und immer wollten. Auch bevor wir als Band erfolgreich waren, haben wir immer nur das gemacht und nebenbei in Restaurants gearbeitet, um für das nötige Kleingeld zu sorgen. Was anderes gibt es für uns gar nicht. In einer Band zu sein, Konzerte zu spielen und irgendwie immer am Existenzminimum zu leben, ist zumindest für uns einfach viel erfüllender, als ein fixer Job, mit einem geregelten Einkommen.
Was würdet ihr jungen Bands raten? Gibt es ein Rezept für die Musikerkarriere?
Jonathan: Mhm, ich glaube nicht. Das ist für jeden anders.
Josiah: Es ist für jeden anders, aber ich denke auch, dass es viel mit „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“-Sein zu tun hat.
Jonathan: Einfach nicht faul sein und arbeiten arbeiten arbeiten. Es gibt so viele faule Musiker da draußen, die einfach darauf warten, von irgendjemandem entdeckt zu werden. So was passiert aber nicht sehr oft. Das muss man schon selbst machen.
Josiah: Ja, das auf jeden Fall. Von nichts, kommt nichts. Wir sahen es immer als einen Fulltime-Job und steckten unsre ganze Energie rein. Das hat sich im Nachhinein auch bezahlt gemacht.
Wenn ihr euer erstes mit dem zweiten Album vergleicht, was ist anders?
Jonathan: Gute Frage, darüber haben wir erst letztens gesprochen.
Josiah: Wir haben da zwei Thesen aufgestellt: Das erste Albums klingt so nach „man sitzt um ein Lagerfeuer“; das zweite klingt mehr nach in einer großen Halle aufgenommen. Was war nochmal die zweite These?
Jonathan: Das erste Album klingt nach mit Freunden beim Lagerfeuer geschrieben und das zweite klingt so, als hätte es ein whiskeytrinkender Kerl alleine in einer Bar geschrieben.
Josiah: Als wir die Songs für das erste Album geschrieben haben, war das eine Zeit, in der wir gerade erst in die Stadt gezogen sind, komplett sorgenfrei durch die Straßen gelaufen sind und ständig bei irgendwelchen Open-Mike-Abenden waren. Da war einfach alles gut und es machte Sinn gemeinsam Musik zu machen. Das zweite Album entstand dann in einer Zeit, in der zwar alles gut lief und wir es tatsächlich geschafft hatten von unserer Musik zu leben, aber trotzdem gab es da noch viele Dinge, die nicht so toll waren. Wir merkten einfach, dass das Rezept für das Glücklich sein doch nicht so simpel ist, wie wir uns das vorgestellt hatten. Es ist einfach doch etwas komplexer als: „Kündige deinen Job und tu das, was du liebst“.
War es denn, nach einem so erfolgreichen ersten Album, schwieriger bzw. mit mehr Druck verbunden das zweite zu machen?
Jonathan: Eigentlich nicht. Es ist ja nicht so, dass man eines Tages aufwacht und beschließt ein zweites Album zu machen. Wir haben einfach weiter Songs geschrieben und irgendwann als wir beschlossen wieder ins Studio zu gehen, war im Grunde schon alles fertig. Da war also kein besonderer Druck dahinter. Es gibt aber sicher Leute, die das so machen und diesen Druck auf sich nehmen. Ich kann das aber nicht wirklich nachvollziehen. Also nein, es war nicht schwer das zweite Album zu schreiben.
Josiah: Außerdem sind wir sechs sehr starke und ausgeprägte Charaktere. Da gibt es immer genug Zündstoff für neue Ideen.
Einer eurer Songs heißt „Homecoming Heroes“. Seht ihr euch selbst so?
Jonathan: Nein. Das stand mal irgendwo in einer Zeitung in Seattle, in der sie uns so bezeichneten. Ich fand diesen Ausdruck so lächerlich und fehl am Platz, dass ich daraus einfach einen Song machen musste.
Josiah: Der Song soll eine Art Zurückweisung dieser Idee von uns als abgehobene Superstars sein. Das sind wir einfach nicht. Wir machen Musik. Nicht mehr und nicht weniger.
Mariella Gittler
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