Vor ihrer “Reise in den Ruin” plaudern Herrenmagazin über Kackwürste im Kopf, die Ängste ihrer Eltern und die wenig komplexe Psyche von pelzigen Vierbeinern.

Sie vertreten das idealistische Trikolon von Rockbands: saufen, feiern und zusammen spielen. Das Hamburger Quartett Herrenmagazin weiß, was sich gehört. Auch wenn ihre große Liebe, die Musik, so essentiell wie atmen ist, können sie von Luft und Hingabe allein nicht leben – noch nicht. Mit dem aktuellen Album „Das wird alles einmal dir gehören“ schafften sie einen ebenwürdigen Nachfolger zu ihrem Debüt „Atzelgift“. Wir trafen Deniz Jaspersen, Rasmus Engler, Paul Konopacka und Torben König Wilhelmsburg pünktlich zum Tourauftakt und sprachen mit ihnen über die fehlende soziale Anerkennung von Musik in der Gesellschaft, die bevorstehende Mammut-Tour und die Last, die wartende Hunde zu tragen haben.

motor.de: Ihr habt vor kurzem euer zweites Album veröffentlicht, Marcus Wiebusch von Kettcar und Jan Müller von Tocotronic lieben euch, euer Konzert in Hamburg ist schon ausverkauft. Wie fühlt ihr euch?

Deniz: Im Moment muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich Angst habe und mir tierisch die Muffe geht, weil der Laden da draußen viel zu groß für unser Konzert heute Abend ist. Aber ansonsten geht es uns sehr gut. Die Stimmung innerhalb der Band ist fantastisch und wir spielen gern zusammen. Es kommen auch immer mehr und mehr Menschen zu unseren Shows, da passiert richtig was.

motor.de: Ihr habt eure Tour als „Reise in den Ruin“ angekündigt. 17 Konzerte innerhalb von 19 Tagen sind wirklich ein straffes Programm. Warum habt ihr den Tourplan so eng gesteckt? Ist das eine selbstzerstörerische Anwandlung?

König: Endlich spricht es jemand aus. Es wird wirklich hart. Zwar freue ich mich total darauf, aber ich war noch nie so lange auf Tour. Wahrscheinlich werden wir nach zehn Tagen so etwas wie tot sein. Aber eine lange Tour hat auch Vorteile. Ist man nur drei oder vier Tage unterwegs, ist es schon vorbei, wenn man sich gerade aneinander gewöhnt hat und sich bandinterne Witze eingeschlichen haben – und genau da fängt eine Tour ja erst an, witzig zu werden.
Deniz: Das Einzige, was mir ein wenig Sorgen macht, ist meine Stimme.
Rasmus: Andere Menschen springen von Brücken, wir gehen auf Tour.
Paul: Aber vor uns haben das auch schon andere Bands geschafft.

Herrenmagazin – Live 2010


motor.de: Die Erwartungen an ein zweites Album, gerade nach einem guten Debüt, sind sehr hoch. Was hat sich für euch bei der zweiten Platte verändert?

Deniz:
Das Entscheidende war, die eigenen Vorstellungen zu erfüllen. Für uns war das Jahr 2009 keine leichte Zeit. Wir standen als Band an einem Punkt, an dem wir nicht wussten ob und wie es weitergeht. Unser ehemaliger Gitarrist Philip hat uns verlassen und Torben, der König, kam dazu. Doch letztendlich sind wir unseren Erwartungen gerecht geworden und sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

motor.de: “Das wird alles einmal dir gehören” wurde im Gegensatz zum ersten Album live eingespielt. Wo liegen die Schwierigkeiten?

Rasmus: Unvermögen!
Paul:
Die Herausforderung war groß, da wir alle keine brillianten Musiker sind. Doch unserer Produzent Torsten Otto hat darauf bestanden, es live einzuspielen und das Ergebnis ist super. Allein weil die Dynamik einer Band so ganz anders eingefangen werden kann und es somit viel lebendiger wirkt. Wir sind Menschen, die Musik machen und keine Maschinen.
Rasmus: Es ist eine ehrlichere Herangehenweise an ein Album, weil es viel schwieriger ist. Kleine Fehler bleiben und machen die Songs dadurch menschlicher. Außerdem ist es eine tiefsitzende Selbstverständlichkeit im Ohr des Hörers, dass die Band im Refrain schneller wird. Geniale Bands der 70er und 80er, wie beispielsweise Wire, die keinen überproduzierten Prog-Rock machen, leben von der unterschiedlichen Schnelligkeit innerhalb eines Songs. Ein Lied kann und darf nicht perfekt sein.
König: Und man kann das Album dann wesentlich besser auf der Bühne umsetzen.

moto.de:
Gab es eigentlich einen Knackpunkt oder ein Schlüsselerlebnis, dass ihr gesagt habt: Jetzt mache ich Musik und werde zu dem, wovor Mütter ihre Töchter warnen?

König: Das muss irgendwann in der Kindheit passiert sein. Da kam jemand, hat meinen Schädel aufgeklappt und mir eine Kackwurst reingelegt. Es gibt Aufnahmen, da war ich zwölf, da spiele ich ununterbrochen C-Dur auf der Gitarre und singe dazu “Ich bin Rocky the best“. Aber der eigentliche Knackpunkt ist der, dass man in die Öffentlichkeit geraten ist.
Deniz: Bei mir hat alles angefangen, als mein Bruder mir die ersten Griffe auf der Gitarre zeigte. Danach bin ich in mein Zimmer gegangen und habe meinen ersten Song “Ich will Ferien” geschrieben. Aber Musik gehört einfach dazu. Es ist ein Grundbedürfnis wie atmen. Ich werde nie aufhören können, Lieder zu schreiben. Aber im Grunde verschwenden wir unsere Zeit, denn ernähren können wir uns damit nicht.
Paul: Es ist schade, dass man sich vor der Außenwelt rechtfertigen muss, warum man das macht und dass Musik machen sozial keinerlei Anerkennung findet. Meine Mutter macht sich Sorgen, dass ich eines Tages meinen Job für die Musik aufgeben könnte.
König: Davor haben meine Eltern auch Angst. Und ich muss ehrlich sagen, ich würde es tun. Sofort.
Rasmus: Meine Mutter fragte mich letztens auch, ob ich nicht endlich etwas lernen möchte. Ich sagte ihr, dass ich mich für den Job Instrumentenbauer oder Baumpfleger interessieren würde. Aber das kann ich genauso gut mit 40 noch anfangen.

motor.de: Eine letzte Frage: Ihr habt auf eurer Homepage eine Reihe Bilder mit wartenden Hunden. Was hat es damit auf sich?

Deniz: Wir sind Hundefans. Wir mögen Hunde. Die sind ja süß.
Paul: Die tragen all ihre Last in ihren kleinen niedlichen Köpfen und bringen das mit ihren Augen unwahrscheinlich gut zum Ausdruck.
Rasmus: Das Interssante an Hunden ist, dass sie nichts verstehen, aber an allem verzweifeln. Egal was ein Hund macht – ob er bellt oder an einen Baum pinkelt – er legt sein gesamtes Leben hinein. Und ein wartender Hund stirbt gerade Tode, denn er weiß nicht: Kommt Herrchen wieder? Auf wen warte ich eigentlich? Und dann kommt der Hunger.
König: Dabei wird im Volksmund behauptet, Hunde seien so klug.
Rasmus: Das stimmt nicht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Interview: Julia Kindel und Christine Pötzsch