Ganz spontan vorm Kino stehen, einfach eine Karte kaufen für was gerade läuft und keine Ahnung haben, was einen erwartet? Klingt irgendwie romantisch, doch in der Realität laufen Kinobesuche selten so ab. Selbst wer sich nicht die Mühe macht, tatsächlich Filmkritiken zu lesen, wird doch so vehement mit Werbespots, Plakaten und Happy-Meal-Figuren bei McDonald’s bombardiert, dass man zumindest eine Ahnung haben muss, was gerade auf deutschen Leinwänden zu sehen ist. Sollte man zumindest meinen. Doch in Wirklichkeit erfüllt längst nicht jeder Film die Versprechen, die er zu geben scheint, wie ein Blick auf die Neustarts dieser Woche bestätigt.
“Hilde”
Was wir erwartet haben:
Ehrlich gesagt ein Debakel. Schließlich haben wir in den Neunzigern Vilsmaiers Dietrich-Biopic „Marlene“ gesehen, das hat bleibenden Schaden angerichtet.
Was uns geboten wird:
Immerhin keine völlige Katastrophe. Die Faszination Hildegard Knefs wird zwar nie wirklich greifbar, aber immerhin ist Heike Makatsch eine bessere Besetzung als damals Katja Flint. Selbst wenn ihr nur alle fünf Minuten einfällt, dass sie ja mit tiefer Knef-Stimme und Berliner Dialekt sprechen muss.
“Shopaholic – Die Schnäppchenjägerin”
Was wir erwartet haben:
Irgendwas Bunt-Amüsantes à la „Sex and the City“. Und vielleicht sogar ein paar brandheiße Tipps, wie sich Schuldenkrise und sexy Styling kombinieren lassen.
Was uns geboten wird:
Ein Konsum-Porno mit jeder Menge erstaunlich geschmackloser Klamotten, einer heuchlerischen Botschaft am Ende und leider viel zu wenig guten Gags. Nichts gegen die sympathische Isla Fischer in der Hauptrolle, aber nur wenn Kristin Scott Thomas oder Joan Cusack auftreten sieht man, wie Verve und Witz wirklich funktionieren.
“The Unborn”
Was wir erwartet haben:
Viel Blut, dröhnende Musik und allerlei unheimlich drein blickende Gespenster-Kinder. Und was man heutzutage sonst noch braucht für Mystery-Horror.
Was uns geboten wird:
Eine paranormale Dämonengeschichte, die ihren Ursprung – ausgerechnet! – in Auschwitz nimmt. Doch keine Sorge, alle Genreklischees sind trotzdem mit am Start, von den hübschen, aber hölzernen College-Kids bis hin zu eben jenen gruseligen Kindern, die wieder einmal der Protagonistin das Leben schwer machen.
“Pink Panther 2”
Was wir erwartet haben:
Nach dem ersten Remake mit Steve Martin nicht viel. Auf jeden Fall ein paar Slapstick-Versuche und eine große Portion falschen französischen Akzents.
Was uns geboten wird:
Leider wirklich nicht viel. Martin und seine Geschichte sind derart plump und albern, dass selbst Mitstreitern wie John Cleese, Jean Reno, Lily Tomlin oder Alfred Molina kaum ein guter Gag gelingen will. Aber wenn die Sechziger-Reihe mit Peter Sellers Vorbild steht, erwarten uns trotzdem noch jede Menge weiterer Fortsetzungen.
“Hinter Kaifeck“
Was wir erwartet haben:
Ein wenig Krimi-Spannung, ein bisschen bayerisches Lokalkolorit. Genau wie es der Roman „Tannöd“ vorgemacht hat, der auf den gleichen Tatsachen basiert.
Was uns geboten wird:
Zwei wenig engagierte Stars – Benno Fürmann und Alexandra Maria Lara – und Bilder, die mehr nach Fernsehen als nach großem Kino aussehen. Es hätte wohl eine Warnung sein können, dass dies eben nicht die „Tannöd“-Verfilmung ist. Denn die steht schließlich erst in einigen Monaten an.
“The Fall“
Was wir erwartet haben:
Einen opulenten Bilderrausch nahe an der Grenze zu Kitsch und Overkill. Schließlich haben wir schon Tarsems ersten Film „The Cell“ gesehen!
Was uns geboten wird:
Absolut keine enttäuschten Erwartungen. Auch dieses Mal ist die Story Nebensache, so dass am Ende alles aussieht wie ein überlanger, aber in der Tat phantasievoller Werbespot. Eine kleine Überraschung hat eigensinnige Clip-Regisseur in seinem Märchen aber auch auf Lager: die achtjährige Hauptdarstellerin ist eine Wucht!
“Captain Abu Raed”
Was wir erwartet haben:
Nicht wirklich viel, wenn wir mal ehrlich sind. Was aber vor allem daran liegt, dass uns in Sachen jordanisches Kino einfach die Vergleichswerte fehlen.
Was uns geboten wird:
Der Geheimtipp der Woche! Eine rührende, aber unprätentiöse Geschichte, einen tollen Hauptdarsteller, mitunter wunderbare Bilder und ein Plädoyer für Phantasie und Lebensmut – viel mehr kann man von einem guten Film nicht erwarten, ganz gleich ob aus Jordanien oder sonst woher.
“Nur ein Sommer”
Was wir erwartet haben:
Käse, Kühe, Eifersucht – was einem eben so in den Sinn kommt, wenn man hört, dass eine romantische Komödie in den Schweizer Bergen spielt.
Was uns geboten wird:
Tatsächlich all das und noch ein bisschen mehr. Nämlich ein wenig Sozialstudie und eine Portion verfrühtes Sommer-Feeling. Ach, und vermutlich ein paar verblüffte Schweizer, die dabei zusehen müssen, wie ihnen die Deutschen nicht nur die Jobs wegnehmen, sondern nun auch noch Filme darüber drehen.
Patrick Heidmann
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