Die c/o Pop eröffnet den diesjährigen Wettbewerb um den Status “Musikhauptstadt”. 


Spielen in Köln spektakulär auf dem Parkdeck: Phoenix.

Es ist die Dolchstoßlegende der Kölner Musikszene: Die Popkomm wurde 2004 nach Berlin abgeworben. Aus dem sonst eher beschaulich-fröhlichen Rheinland gings in die schnelllebig-trendversessene “Arm-aber-sexy”-Hauptstadt, wo man gierig auf das Potenzial der eben erkannten “Kreativwirtschaft” äugte und auch gern mal ordentlich Geld in die Hand nahm, um große Namen der Musikbranche anzulocken. (Mächtig Ärger gabs vorher schon in Hamburg, als mal eben die Universal, Deutschlands größter Musikmajor, nach Berlin umzog – in Millionenhöhe subventioniert, versteht sich.) Die goldenen Zeiten der Popkomm waren allerdings schon vor dem Umzug an die Spree ein paar Jahr vorbei. In der aufziehenden Dauerkrise hatte sie nur noch wenig mit dem Charme des Drei-Tage-Dauerbesäufnis der kompletten Musikbranche der Neunziger gemein, bei dem man legendärerweise das Tageslicht mit einem Corona in der Hand auf der Straße vorm Mexikaner begrüßte. Immer weniger Leute ließen sich in den immer tristeren Hallen der Kölnmesse blicken, das Konzept dümpelte irgendwo zwischen Anzugträger-Meetings und Jugendmesse-Anbiederung umher.

Trotzdem: Köln war stinksauer über den Weggang, der empfindliche Kratzer im Selbstwertgefühl hinterließ. Immerhin: Im Handumdrehen stampfte man eine neue, eigene Veranstaltung aus dem Boden, die “Cologne on Pop”, kurz c/o Pop. Klein aber fein sollte sie sein, auf den Ballast eines klassischen Messemodells verzichten und vor allem auf die elektronischen Aspekte rund um die diesbezüglich namhafte Kölner Club-Szene sowie generell auf ein “2.0”-Konzept weg vom reinen Musikbetrieb setzen. Eine Konkurrenz sei man natürlich nicht, hieß es in den Folgejahren aus Köln und Berlin unisono – bis 2009. Denn da wurde es ganz plötzlich ernst: Die Popkomm – deren reale Besuchereindrücke in drögen Messehallen den offiziellen Durchhalte-Pressemeldungen Hohn sprachen – hatte Hals über Kopf hingeworfen, sich eine Zwangsauszeit verordnet und hinterließ neben jeder Menge Häme eine gewissen Ratlosigkeit in der Branche. Und eine Lücke, die die Kölner nur zu gern als Chance nutzten. Der eigentliche Wettbewerb war ja nicht der um Aussteller und Standbuchungen, sondern um mediale Aufmerksamkeit im Standortwettbewerb. Die richtete sich logischerweise plötzlich ungeteilt nach Köln, wo man das Sabbatjahr der Popkomm mit deutlich erweitertem Konferenz-Programm, großen Namen im immer noch szenecrediblen Festivalprogramm und einer nicht zu übersehenden Internationalisierung maximal ausnutzte.

2010 werden die Karten neu gemischt. “Berlin muss Musikhauptstadt bleiben” ist die Kampfansage der “Berlin Music Week”, die im September erstmals auf dem Gelände des alten Flughafen Tempelhofs über die Bühne geht. Dabei hat sich zusammengerauft, was noch im letzten Jahr alles andere als gut Freund war: Die internationale Branche soll sich wieder auf der Popkomm treffen, das gemeine Konzertpublikum zum Berlin Festival strömen und die “Kreativen” ihre Laptops auf den Barcamps der a2n – “all together now” – aufklappen. Die wiederum war die – allerdings im Startjahr 2009 wenig nachwirkende – Trotzreaktion der Berliner Szene auf das vorläufige Aus der Popkomm, die zwar oft geschmäht aber – déjà-vu – eben auch schmerzlich vermisst wurde.


Erfreut in Köln genauso wie in Berlin: Caribou.

In Köln hat man sich denn auch gleich mal neupositioniert, um dem Hauptstadt-Trio Paroli zu bieten: Der Termin wurde aus dem etwas schwierigen August in den branchenfreundlicheren Juni vorverlegt, auf das Festival noch eine kräftige Schippe draufgelegt, das Konferenzprogramm nochmal mächtig aufgemotzt und in eine Menge Einzelevents unterteilt. Gemeinsam ist beiden Veranstaltungen, dass man auch bei gutem Willen im Veranstaltungswirrwarr kaum noch durchschaut, wo eigentlich genau was wann stattfindet und dass man gern auf kryptische Namensverballhornungen baut, die wohl explizite Modernität widerspiegeln sollen. Und dass jede Menge öffentliche Mittel hineingeschossen werden – es geht ja um “Kreativindustrie”. Von “Musik” mag denn auch kaum noch jemand der Konferenzveranstalter reden, schließlich hat sich inzwischen allseits rumgesprochen, dass sich damit kaum noch Geld verdienen lässt. Und nicht nur das Geschäft, auch den Ruf des Hippen hat die Musik an das Web verloren. Zumindest außerhalb der Konzerte. Die gibts immerhin noch reichlich, allerdings vornehmlich als Rahmenprogramm und Besucherzahlen-Pusher. Man könnte auch sagen: als neuen Schwanzvergleich. Diese Woche legt Köln vor. Natürlich mit Rekordzahlen. 

Augsburg