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Gequält und nicht normal

Müde sieht Lykke Li nach einem langen Interviewtag in Hamburg aus. Fast zerbrechlich, jünger als ihre 22 Jahre und trotz des hippen Stylings nicht unbedingt wie ein “gewöhnlicher” Popstar. Dabei ist es genau das, was die Schwedin schon als Kind werden wollte und nun, mit ihrem im Internet schon zu Recht gehypten Debütalbum “Youth Novels”, auch werden dürfte. Nach Annie und Robyn (die in Lykkes Video zu “I’m Good, I’m Gone” auftritt) treibt Lykke Li schließlich das skandinavische Elektropop-Wunder weiter – und vor allem in eine ganz neue Richtung.

Lykke Li – I’m Good, I’m Gone

“Es stimmt, ich wollte immer Popstar bzw. später Musikerin werden, aber ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass es klappt”, sagt Lykke im Rückblick. “Ich ging eigentlich eher davon aus, dass ich für immer eine dieser gequälten Künstlerseelen bleiben würde und in kleinen Pubs singe, wo mir niemand zuhört. Aber ich hätte trotzdem immer weitergemacht.” Das mit der gequälten Künstlerseele meint sie durchaus ernst, wie sich die Sängerin überhaupt im Gespräch viel Mühe gibt, ein wenig melancholisch und immer nachdenklich zu wirken. Auf ihrem iPod laufen deswegen nicht nur Santogold und A Tribe Called Quest, sondern eben auch eine Playlist mit “Selbstmordstimmung-Songs”.

Das hat sich natürlich auch auf “Youth Novels” niedergeschlagen. Anders als die eingangs erwähnten Kolleginnen hat Lykke Li weder DJ-Erfahrung noch geht es ihr um Disco-Spaß und gute Laune. Wenn Annie die ultimative Madonna-Nachfolgerin ist, dann kommt Lykke Li mehr nach Kate Bush. Verschroben, kunstvoll und mitunter fast zerbrechlich sind ihre Songs, die sie mit Björn Yittling (wie in Peter, Björn and John) produziert hat. Manches Mal wispert sie eher als dass sie singt, und überhaupt sperren sich jenseits von “I’m Good, I’m Gone” und “Little Bit” einige Stücke ganz schön dagegen, sofort ins Ohr zu gehen. Selbst ein Beat-getriebener Song mit dem Titel “Dance, Dance, Dance” klingt letztlich nach einer tieftraurigen Angelegenheit.

“Alles, worüber ich singe, ist hundertprozentig wahr und autobiografisch”., sagt die Tochter eines Musikers und einer Fotografin über ihre Lieder, die oft von Herzschmerz und Einsamkeit handeln. “Künstler, die nicht wirklich über sich selbst singen, sind doch Feiglinge. Ein Song muss sich anhören, als würde der Sänger mir gerade ein Geheimnis verraten. In solchen Momenten bringt mich Musik zum Weinen – und genau das möchte ich mit meinen Songs auch erreichen.” Um auch wirklich sicher zu gehen, dass ihr das auf die Weise gelingt, die ihr vorschwebt, hat Lykke sogar ihr eigenes Label LL Recordings gegründet: “Ich wollte allerdings nur sichergehen, dass mir niemand dazwischenfunkt und meine Songs schützen. Es geht mir überhaupt nicht darum, auch die Musik anderer Leute zu verkaufen oder mich mit Finanzen zu beschäftigen.”
Firmenchefin. Popstar, gequälte Künstlerin – vielleicht dauert es noch ein wenig, bis diese sehr spezielle junge Frau mit ihren zauberhaften Songs ihre endgültige Identität findet. Sicher nämlich ist sie sich selber noch nicht, wohin der Weg in Zukunft geht: “Wenn das jetzt noch zwei Jahre so weitergehen sollte, wenn ich weiterhin ständig Interviews geben muss und eigentlich kein Zuhause habe, dann ist es das nicht wert. Ich bin sehr sensibel und kreativ, und momentan habe ich manchmal das Gefühl, dass ich gar nicht atmen kann. Ich bin nicht glücklich und zufrieden mit dem, was ich habe. Dabei sollte ich es wahrscheinlich sein, wenn ich normal wäre.” Aber das Lykke Li keine ganz normale Sängerin ist, haben wir ja gleich gewusst.

Patrick Heidmann

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