Sebastian Madsen über seinen 30. Geburtstag, die deutsche Musiklandschaft und den ZDF-Fernsehgarten.
Sie sind einfach nicht totzukriegen. Schon seit den Neunzigern machen die drei Madsen-Brüder Sebastian, Sascha und Johannes gemeinsam Musik. 2004 gegründeten sie schließlich Madsen und können mittlerweile auf vier Alben verweisen. Zuletzt erschien im Vorjahr “Labyrinth”, das es auf Platz 7 der deutschen Album-Charts schaffte. Nebenbei sind Madsen unentwegt am Touren und haben so ziemlich jeden Bühnen-Quadratmeter der Republik bereits beackert. motor.de traf Frontmann Sebastian in Dresden und Sprach mit ihm über die Band als Familie, überwältigende Menschenmassen und einen ordentlichen Beruf.
motor.de: Vor einem halben Jahr habt ihr im motor.de-Interview gesagt, dass es noch keine Pläne für ein neues Album gibt. Wie sieht es mittlerweile aus?
Sebastian: Wir haben ja zum Tourstart unsere EP “Willkommen bei Madsen” veröffentlicht. Das sollte vor allem eine Art Dankeschön an die Fans sein. Nebenbei bin ich die ganze Zeit aber auch am Schreiben. Es gibt bis jetzt so sechs, sieben brauchbare Songs und wenn alles gut läuft, nehmen wir dieses Jahr noch auf. Traumtermin für’s Release wäre eigentlich der 12. April 2012.
motor.de: Ihr habt in den letzten Jahren viel erlebt, seid getourt und habt große Festivals gespielt. Habt ihr Schwierigkeiten damit, euch für Clubkonzerte und kleinere Bühnen wie hier in Dresden zu motivieren?
Sebastian: Wir haben ja gerade ein sehr interessantes Wochenende hinter uns, da war die gesamte Palette vertreten. Erst haben wir Rock am Ring gespielt und dann einen Club-Gig in Karlsruhe mit 500 Leuten. Und das tat uns allen einfach gut. Nichts gegen Rock am Ring, das ist ein phänomenales Festival, wo du dann zehntausende Menschen vor der Bühne hast. Aber du hast dort eben auch nur 45 Minuten und stehst irgendwie permanent unter Druck. Die ganze Zeit musst du auf die Uhr gucken, denn der Zeitplan muss natürlich eingehalten werden. In Karlsruhe hingegen war es so, dass die Leute ausschließlich wegen uns da waren und wir soviel Zeit hatten, wie wir wollten. Da kann man dann Geschichten erzählen, den Leuten ins Gesicht gucken. Und du kannst Songs spielen, die beim Ring wahrscheinlich keinen Platz finden. Bei Club-Konzerten kannst du auch mal eine B-Seite spielen und du weißt, die Leute begeistern sich dafür. Letztendlich hat also beides seine schönen Seiten. Campusfestivals, wie hier in Dresden, habe ich eh immer geliebt. Ich mag diese lockere Atmosphäre.
Madsen – “Du schreibst Geschichte” (live @ Rock am Ring 2011)
motor.de: Ihr seid drei Brüder in der Band. Was sagen heute eigentlich eure Eltern dazu, dass ihre Jungs keinem “ordentlichen” Beruf nachgehen?
Sebastian: Nun, das ist natürlich Definitionsfrage (lacht). Ich glaube, dass das meine Eltern schon als ordentlichen Beruf sehen, was wir hier machen. Unsere Eltern sind alte Hippies, die haben ähnliche Wertvorstellungen wie wir. Manchmal war es fast schon zu langweilig in meinen Teenager-Jahren. Da war es total schwer zu rebellieren, weil so viel geduldet wurde (lacht). Und ich denke, die sind momentan einfach nur stolz auf uns. Bei Rock am Ring haben wir unseren Eltern zum Beispiel auch ein Lied gewidmet, weil wir sie eingeladen hatten und ich an dem Tag 30 geworden bin. Das war einfach schön.
motor.de: Haben eure Eltern mal überlegt, euren Bassisten Niko gleich auch noch zu adoptieren?
Sebastian: Er ist ja eh schon fast ein Familienmitglied. Wir sind ja alle auch schon seit der achten Klasse miteinander befreundet. Damals sind wir auch immer mal mit Nikos Familie gemeinsam in den Urlaub gefahren. Seine Eltern sind eh toal cool drauf, insofern müssen wir ihn gar nicht adoptieren.
motor.de: Ihr macht nun schon so lange gemeinsam Musik. Gibt es da noch große Ziele für Madsen?
Sebastian: Man muss sich nur in der deutschen Musiklandschaft umsehen. Bands kommen und sind dann so schnell wieder weg. Ich glaube, ein Ziel ist es also vor allem, zu bestehen und irgendwie interessant zu bleiben – nicht nur für die Leute, die uns mögen, sondern auch für uns selbst.
motor.de: Eure Lieder thematisieren vor allem Dinge wie die Liebe und das Leben. Inwieweit spielen deine politischen Ansichten in den Songs eine Rolle?
Sebastian: Nun, in erster Linie bin ich Musiker und kein Politiker. Diese Trennung halte ich für wichtig. Natürlich kann man in Songs wie “Panik” oder “Nitro” Dinge hinein interpretieren. Das ist aber überhaupt nicht meine Absicht. Ich will Geschichten aus meinem Leben und meinem Umfeld erzählen. Nichtsdestotrotz sind wir natürlich politisch interessiert. Aber das hat, meiner Meinung nach, nicht so viel in den Songs zu suchen. Die Musik sollte im Vordergrund stehen.
motor.de: Welche deutschsprachigen Acts findest du persönlich gut?
Sebastian: Da gibt es viele. Ich bin seit Kindestagen großer Fan der Toten Hosen, da können die Leute meckern, wie sie wollen (lacht). Ich find auch Die Ärzte gut. Die Beatsteaks sind zwar nicht deutschsprachig, aber die find ich auch super, genauso wie die Sportfreunde, Tocotronic, Blumfeld, oder auch Punkbands wie Slime. Cool übrigens, dass es die wieder gibt.
motor.de: In Frankreich wurde 1994 eine gesetzliche Quote für französischsprachige Musik im Radio eingeführt. 40 Prozent der Songs müssen zudem von Bands sein, die erst weniger als 100 000 Platten verkauft haben. Fändest du eine solche Regelung für Deutschland sinnvoll?
Sebastian: Das kann ich mir nicht vorstellen. Jeder Radiosender soll das spielen, was er will. Eine gesetzliche Quote sehe ich da als schwierig an. Es gibt ja viele junge Radiosender in Deutschland, die interessante Musik spielen. Das muss man nicht einklagen, finde ich.
motor.de: Vom Radio zum Fernsehen: In welcher TV-Show würdet ihr nie auftreten?
Sebastian: Wir hatten ja schon unser Verbrechen mit der RTL-Chartshow. Das war so schlimm, dass wir den Tag darauf auf einer Demo in Gorleben spielen mussten, um das zu verarbeiten (lacht). Ich könnte dir tausend Sendungen sagen, wo wir gerne hin wollen. Selbst Musikantenstadl oder der ZDF-Fernsehgarten wären wahrscheinlich witzig. Da sind wir relativ schmerzfrei. “The Dome” finde ich hingegen wirklich geschmacklos. Da würde ich nicht mitmachen.
motor.de: Gibt es aus den zurückliegenden 15-20 Jahren eine Anekdote, die noch nicht erzählt wurde?
Sebastian: Nun, ich bin ja kürzlich 30 geworden, da haben die Jungs den kompletten Bus geschmückt mit Schildern und Girlanden und einem Haufen anderem Krempel, das war schon legendär. Der Bus war eine einzige Partymeile. Und dann haben wir an dem Tag ja auch noch beim Rock am Ring gespielt, wo 40 000 Leute Happy Birthday für mich gesungen haben. Leider hab ich kein Wort verstanden (lacht).
motor.de: Wieso das denn?
Sebastian: Es war einfach total laut. Man muss sich das mal vorstellen: da stehen 40 000 Leute und singen. Ich stand unten im Graben und habe gemerkt, was für eine Power so viele Menschen entwickeln können. Das war einerseits überwältigend, andererseits habe ich fast schon Angst bekommen. Und irgendwie habe ich nur ein ohrenbetäubendes Rauschen gehört, das konnte ich in dem Moment irgendwie nicht ordnen. Das ist definitiv im Nachhinein eine lustige Geschichte. Aber eigentlich passieren ständig lustige Dinge, wenn wir gemeinsam unterwegs sind.
motor.de: Was wünschst du dir für heute Abend?
Sebastian: Feierwütige Studenten, schönes Wetter und 15 Minuten mehr als bei Rock am Ring.
Interview: Anton Kostudis
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