Warum in unseren Rezensionen oftmals versucht wird über das derzeitige Wetter einen guten Einstieg zu finden? Keine Ahnung, vermutlich aber weil Musikredakteure einfallslose Arbeitstiere sind, die bei besonderer Ideenflaute nur noch aus dem Fenster glotzen und folglich das zu Artikeln verarbeiten, worauf sie dann starren — das Wetter. Zur Stunde scheint es so, als ob der Frühling mittlerweile vorbei wäre, was ganz schöne Aggressionen bei uns auslösen dürfte. Um unsere Leser also davon abzuhalten, sich gegenseitig die Fresse zu polieren, haben wir hier — wie schon im vergangenen Monat April — die Platten aufgelistet, bei denen es nicht zu einer größeren Rezension gereicht hatte. Arme Platten!
Allerdings war die Konkurrenz in diesem Monat auch besonders hart. Santigold, Best Coast und Beach House boten einen außergewöhnlich prominenten, internationalen Einstieg in den Mai, bevor auch die deutschen Acts Me And My Drummer und Frittenbude nachlegen konnten. Mit dem überraschenden Album der Woche von Poliça fand der verrufene Auto-Tune Einzug in unsere Redaktion. Gleichzeitig beglückten uns Gossip nicht nur mit einem neuen Album, sondern auch dem ekelerregendsten Artwork des Jahres (Gratissticker inklusive!). Squarepusher und Simian Mobile Disco lieferten neue elektronische Sounds. Phon.o und Pantha Du Prince brachten darwinistische Alben heraus, Musik auf der Suche nach dem Ursprung von Evolution und Natürlichkeit.
Aufgrund der Vielzahl an Neuerscheinungen und vor allen Dingen talentierten Musikern wollen wir euch jedoch nicht nur die jeweiligen Peaks eines Monats vorstellen. Unser Platten-Sammelsurium macht es sich jeweils zum Monatsende zur Aufgabe, noch ein paar kurze Worte zu all den Alben zu verlieren, welche wir zwar auf dem Tisch liegen hatten, die aber stellenweise unter selbigen fielen – unabhängig davon, ob sie ein solches Schicksal verdient haben. Wir wünschen erneut viel Vergnügen beim Stöbern.
Âme gehören ohne Frage zur Sperrspitze von Deep House in Deutschland. Mit “Live” umgehen sie geschickt das obligatorische Best-Of-Album und remixen sich in einem live aufgenommenen Set einfach selbst. Die seit dem Debüt vergangenen acht Jahre lassen sie so noch einmal aus anderen Perspektiven Revue passieren.
Musik, die universellste Sprache der Welt – bestes Beispiel: Kottarashky & the Rain Dogs. Zigeuner-Baron trifft auf Zar trifft auf Drum’n’Bass-DJ trifft auf Funk-Bassisten. Klingt irre? Ist es auch – irre eingängig. Wenn Weltmusik öfter solche Blüten treibt statt moralinsauer im Ökoladen zu dudeln, dann immer her damit.
(04.05.12, Ninja Tune)
LP-Jeopardy! Frage: Welches Debüt tarnt sich als 8-Bit-Cyberfunk, ist aber in Wirklichkeit ein Kaleidoskop aus Basswucht zwischen Dubstep, Anti-Ambient sowie Hip-Hop und klingt nach einer intergalaktischen Kollaboration zwischen Rustie und Boards of Canada? Antwort: Slugabeds “Time Team”.
(07.05.12, State 51 Conspiracy)
Ganze vier Alben wollen die Britpopper in diesem Jahr veröffentlichen – in Eigeninitiative und vorerst nur digital. Das erste besticht bereits durch symphonisch verträumten Indie-Pop, der von so beeindruckender Schönheit ist, dass man fast schon Angst vor den drei weiteren Platten bekommen kann. Brillant!
“Barefoot In Your Kitchen”
(07.05.12, Wah Wah 45s)
“Oh, ein Schlagbohrer. Und da ein Waschbrett” – Singer/Songwriterin Bev Lee Harling nähert sich auf dem Debüt mit kindlichem Spielwitz der Musik. Herauskommt eine kunterbunte, frivol-freche, prallvolle Spielzeugkiste, in der die Stile – von Soul über Jazz bis hin zum dezenten Elektropop reichen – wild durcheinanderfliegen.
(11.05.12, 100 Percent)
Zwei finnische Freunde fischen munter in den 80er Jahren und garnieren frechen Retro-Pop, der gleichzeitig Tanzflächenfüller und Weltschmerz-Hymnen stemmen möchte. Teilweise etwas überdreht und nicht sonderlich von Innovation geprägt, aber dennoch ungemein eingängiges Material mit Ohrwurm-Faktor.
(11.05., Fortuna POP!)
Australier in Großbritannien. Ein kleines bisschen fühlt sich Allo Darlin’ – Sängerin und Ukulele-Spielerin Elizabeth Morris – wie ein Alien in Europa an. Von Heimweh und Fernsucht handelt ihr Zweitwerk, mit hymnischen Chorgesang, folkigen Gitarrenklängen und schwungvollen Rhythmen. Das verlangt geradezu nach dem nächsten sommerlichen Roadtrip.
(11.05.12, Drag City)
Blumenkinder aufgepasst: Der nächste Trip beginnt mit Ty Segall am White Fence. Oder eher mit White Fence? Die beiden Musiker haben ein gemeinsames Debüt produziert, das Psychedelik-Anhänger, Alt-Hippies und auch sonst jedem Fan der Musik aus der Zeit zwischen 1965 und 1972 das Herz hochspringen lässt. Peace und lange Haare.
(18.05.12, Warp)
Unfertig, sehnsüchtig, rau – das neue Album von Songschreiber Horwath ist ein Brett. Ein schwer verdauliches aber. Mit kratziger Stimme – Töne sind nicht immer zum Treffen da – und schepperndem Instrumentarium aus Gitarre und Perkussion bastelt der Innsbrucker an der Versöhnung von Indie und (Anti-)Folk. Irgendwie gut.
(25.05.12, Dramatico Entertainment)
In Australien sind die drei Damen auch solo erfolgreich – da kann man schon mal den viel gescholtenen Begriff der “Supergroup” in den Mund nehmen kann. Allerdings nicht im aufgeblasenen Sinne. Dazu sind die gefühlvollen Folk-Perlen dieser Band viel zu bodenständig und geradezu verzaubernd schön. Für Freunde von BOY wärmstens zu empfehlen.
Ladyhawke — “Anxiety”
(25.05.12, Island)
Ihr selbst betiteltes Debüt bot vor fast vier Jahren zauberhaften und unglaublich hitsicheren Retro-Pop. Und irgendwie versucht Ladyhawke auf dem verspäteten Nachfolger genau diesen Hits hinterherzurennen. Zu verkrampft, unentschlossen zwischen Lo-Fi und Hochglanz und schrecklich montoner Langeweile. Bitter!
(25.05.12, Warner Music)
Hingelegt, Augen zu, Hände hinter den Kopf und losträumen! — So könnte die perfekte Höranleitung für das neueste Werk der adretten Singer/Songwriterin Regina Spektor lauten. Mit jeder Menge Piano-Schmalz und anschmiegsamen Streichern inszeniert die Amerikanin mit russischen Wurzeln ein weiches Wolkenland am Horizont.
(25.05.12, Atlantic Records)
Schon alleine der Name. Dann singen sie auch noch “We Are Young”, sind aber schon um die 30. Die größte Übertreibung ist aber, dass FUN. sich dank “Glee” auf Platz 1 der US-Billboard Charts bewegen, ihre lauwarmen Hits aber gleichzeitig als ehrlichen Indie-Pop verstanden haben wollen. So nicht!
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