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One One

Multitalent Matthew Herbert veröffentlicht den ersten Teil der “One”-Trilogie und beweist wieder einmal seine Experimentierfreudigkeit.

Matthew Herbert gehört zu den Menschen, denen mit großer Wahrscheinlichkeit nie die Ideen ausgehen werden – das kann man aufgrund seiner unglaublich vielen Pseudonyme und noch mehr Veröffentlichungen ohne Zweifel behaupten. Der Avantgarde-Electroniker aus dem Vereinigten Königreich ist unter sechs verschiedenen Namen unterwegs: Herbert, Doctor Rockit, Radio Boy, Mr. Vertigo, Transformer und Wishmountain. Dabei ist sein Sound besonders durch Musique Concrète beeinflusst. Das heißt, es werden Klänge beispielsweise aus der Natur und Technik mit einem Mikrofon aufgenommen und anschließend durch Montage, Tapeloops und anderen technischen Möglichkeiten elektronisch verfremdet.

So kam es, dass der 37-Jährige 1995 als Wishmountain auftrat und als Instrument eine Tüte Chips oder nur einen Pfeffertopf benutzte. Mit dem 1998er Album “Around The House” mischte er unter dem Namen Herbert Alltagsdinge aus der Küche mit Dance Beats. Außerdem remixte er Tracks für Künstler wie Moloko, Alter Ego, R.E.M. und Björk. Zuzuordnen ist Herbert eigentlich dem Micro bzw. Deep House.
Doch vielseitig wie er ist, kann man ihn nicht nur auf ein Genre reduzieren. So erschien 2003 mit “Goodtime Swingtime” ein Album, dass sich von seiner bisherigen Arbeit absolut unterschied. Ein weiteres Swing-Album folgte 2006 mit dem Titel “There’s Me and There’s You”. Mit einer Big Band, bestehend aus 16 Musiker aus der britischen Jazz-Szene und seiner Lebensgefährtin, der amerikanischen Jazz-Sängerin Dani Siciliano, wie auch Jamie Lidell, ging er auf Tour und verzauberte das Publikum mit seiner speziellen Performance.Matthew Herbert ist neben seinen musikalischen Projekten auch politisch sehr engagiert, was er ebenfalls in seine Stücke einbaut. So sind seine meisten nicht danceorientierten Alben oft Konzeptplatten, die sich ausschließlich einem politisch kontrovers diskutierten Thema widmen wie auf dem 2005 erschienenen “Plat Du Jour”, das sich mit einem kritischen Blick auf die kommerzielle Nahrungsmittelproduktion befasste. Auch die letzte Big-Band-Platte konzentrierte sich textlich auf ein politisches Thema: sie beschäftigte sich mit komplexen Themenfeldern wie Folter in Guantanamo Bay oder des “Missbrauchs von Musik als Soundtrack zum Konsum”.

Nach nun bereits über 20 veröffentlichten Werken kommt Matthew Herbert mit seiner “One”-Trilogie an. Den Anfang macht dabei “One One”, das am 23. April veröffentlicht wird. Die Trilogie soll das Ergebnis einer musikalischen Reaktion des letzten Matthew Herbert Big-Band-Releases “There’s Me and There’s You“ sein. Alle Tracks auf “One One” verzeichnen einen einzigen Tag im Leben eines Menschen, dabei benennt Herbert die Tracks nach Städten wie Manchester, Leipzig und Valencia. Wie gewohnt erklingen wunderschöne avantgardistische Melodien, die zum Träumen verführen. Zum ersten Mal, seit einem Auftritt als Wishmountain vor 15 Jahren, setzt Matthew Herbert nun wieder seine eigene Stimme ein. Anders als auf seinen vorherigen Alben spielte er jedes Instrument, jede Note selbst ein. Nach eigenen Aussagen fühlte er sich allerdings auf dem Gesangsgebiet weniger selbstbewusst:

[…] falls ich furchtbar gewesen wäre, hätte ich es selbst wieder gerade biegen müssen. Ich konnte mich nicht hinter geschickten Produktionstricks verstecken.”

Matthew Herbert – “Leipzig”

Tricksen hat Matthew Herbert nicht im Geringsten nötig. Dass er ein Experimentalist ist, bewies er nicht nur auf früheren Produktionen. Auch im zweiten Teil der “One”-Trilogie namens “One Club” hat sich der Brite etwas Besonderes einfallen lassen: die Samples, die auf diesem Album benutzt wurden, sind in einem Frankfurter Club aufgenommen worden. Der Musiker hielt das Mikro ins Publikum und nahm Geräusche wie tanzen, küssen, lachen – einfach die gesamte Fülle des Sounds – auf. Im Mai wird “One-Club” hierzulande erscheinen. Der finale Drittling wird im Juli diesen Jahres durch “One Pig” komplettiert. Diese Platte wird alles bisher Dagewesene an Absurdität toppen. Herbert fokussierte als zentrales Thema den Lebenszyklus eines Schweines, bei dem er gesamplete Sounds von Geburt eines Ferkels bis zum Tode aufnahm. Auf die Aufnahmen während des Schlachtens musste der Brite allerdings aus rechtlichen Gründen verzichten. Doch die Schmatzgeräusche beim genüsslichen Verzehr der Sau wurden auf Band gepresst.

Man kann gespannt sein, was sich das Multitalent in Zukunft einfallen lässt. Eins ist sicher – es wird weder langweilig noch vorhersehbar ausfallen!

Geli Megyesi

Vö: 23.04.2010

Label: Accidental

Trackliste:
01. Manchester
02. Milan
03. Leipzig
04. Singapore
05. Dublin
06. Palm Springs
07. Porto
08. Tonbridge
09. Berlin
10. Valencia

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