3. Arctic Monkeys – Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not

Auch wenn die Bezeichnung immer einen irgendwie faden Beigeschmack hat, ist das 2006er Debüt der Arctic Monkeys, “Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not”, ein Konzeptalbum. Allerdings nicht eine irgendweine verstiegene Version, sondern die Platte handelt davon, worüber britische Jungs in ihren letzten Teenager-Jahren am besten Bescheid wissen: Ein durchfeiertes Wochenende. Konsequent in der Ich-Perspektive gehalten, sprechsingt Frontmann Alex Turner über die ganz normalen Weekend-Stories und erreicht damit maximales Identifikationspotenzial: Ob aufgeblasene Möchtegern-Rockstars (“Fake Tales Of San Francisco”), Kleinkriminelle und Gelegenheitshuren (“When The Sun Goes Down”) oder beeindruckende Tänzer (“I Bet You Look Good On The Dancefloor”), alles wird mit obsessiver Präzision erzählt und mit teilweise feinem Humor begleitet. Verpackt werden diese Geschichten in die wahrscheinlich musikalisch vitalste Instrumentierung der Nuller-Jahre, mit einem wie entfesselt aufspielenden Drummer Matt Helders. Dabei gelingt den Monkeys das Kunststück, sich einerseits (trotz vorangegangenem Myspace-Hype) Forschheit und unbekümmertes Selbstbewusstsein zu bewahren, die eine Band nur beim Debütalbum haben kann, und andererseits so locker, selbstverständlich und gekonnt viereinhalb Jahrzehnte britischer Musikgeschichte verarbeitet (Rolling Stones, Sex Pistols, Clash, Stone Roses, Oasis, Libertines), dass man kaum glauben kann, dass dies vier Teenagern gelungen ist. Ach so, und nebenbei wurde “Whatever People Say…” das am schnellsten verkaufte Debütalbum der britischen Musikgeschichte.

2. The Streets – Original Pirate Material

“Original Pirate Material” erzählt uns eine Geschichte. Die Geschichte der Adoleszenz in der Großstadt. Und obwohl Mike Skinner aka The Streets allein durch seinen Cockney-Akzent und manche Referenzen in seinen Rhymes explizit Bezug auf Großbritannien nimmt, kann sich doch jeder zwischen ca. 17 und 27 in seine vertonten Shortstories hinein versetzen. Diese werden mit einer Chuzpe vorgetragen, dass dem Hörer an vielen Stellen die Spucke wegbleibt. Allein die ersten drei Minuten des Openers “Turn The Page” erschlagen einen mit dem Flow und der Sprachgewalt Skinners. Dazu kommen noch die musikalischen Ideen zwischen fetten Beats und cheesy Synthie-Streichern, Tanzboden-Krachern und Balladen, die der junge Mann in seinem Schlafzimmer geschrieben, produziert und zusammen mit ein paar Freunden aufgenommen hat (wie man in “Don’t Mug Yourself” explizit hören kann). Doch noch beeindruckender als Skinners technisches Können sind seine Fähigkeiten, Alltagsgeschichten über (Ex-)Freundinnen, Schlägereien, Drogen, Alkohol, Computerspiele, Clubnächte und die Mates in eine Lyrik zu verpacken, die in ihrer Unmittelbarkeit und Kraft fast nur einen Vergleich zu Literaturgrößen zulässt (Walt Whitman, Ernest Hemingway, you name it). Und nebenbei revitalisiert Skinner 2002 noch das kleine Pflänzchen UK-HipHop, schafft die Grundlage für Grime und ebnet den Weg für Dizzee Rascal, Lady Sovereign und Co. Nicht schlecht für einen Durchschnittstypen aus den Birminghamer Suburbs.

1. Bloc Party – Silent Alarm

Bei “Silent Alarm” stoße ich an Grenzen, die Größe dieses Albums zu beschreiben. Es trifft einen mit solcher Wucht, dass Worte diese nur unzureichend beschreiben können. Die Platte hat alles, was die 00er Jahre ausmacht: Hedonismus und Einsamkeit, Angst und Euphorie, Drogen und Träume – eingedampft auf knapp 50 Minuten. Dabei spielen Bloc Party auf ihrem 2004er Debüt geschickt mit Erwartungshaltungen und unterlaufen diese, um sie an anderen Stellen überzuerfüllen. Eine weiße Rockband kann keinen schwarzen Frontmann haben? Hier ist der Gegenbeweis. Ein modernes Rockalbum muss eine exponierte Rhythmussektion haben? Gerne, und warum die Grenzen zwischen handgemachten und elektronischen Beats nicht gleich verwischen, das Schlagzeug wie eine Drummachine benutzen, die Gitarre elektronisch verzerren? Bloc Party sind anders als die anderen Bands ihrer Generation, experimentierfreudiger als Franz Ferdinand, eigenständiger als Maximo Park, beständiger als die Libetines. Jeder Song berstet vor aufregenden Ideen, kunstvollen Momenten und inspirierender Schönheit. Und eine zwar plakative, aber dadruch nicht simplifizierende Hymnenhaftigkeit wie bei “Banquet” sucht in den Jahren davor und danach ihresgleichen: “Turning away from the light, becoming adult, turning into myself”. Wenn nur ein Album das erste Jahrzehnt der 2000er überdauern dürfte, sollte es dieses sein – und unsere Nachfahren wären beim ersten Hören immer noch so euphorisiert wie ich.