Wie aus Ruth Maria Renner die Balkan-R’n’B-Queen Miss Platnum wurde und was die “Balkan-Missy“ sonst so macht.
Ruth Maria Renner aka. Miss Platnum wanderte im Alter von acht Jahren zusammen mit ihren Eltern nach Deutschland ein und wuchs im großen Berlin auf. Dort machte sie ihr Abitur und entschloss sich schließlich, zunächst gegen den Willen ihrer Eltern, Sängerin zu werden. Als Background-Sängerin der Berliner Dancehall-Combo Seeed sammelte sie schon einige Erfahrung im Showbiz. 2005 bracht sie ihr erstes Soloalbum heraus. „Rock Me“ floppte jedoch. Momentan ist sie mit ihrem im letzten Jahr erschienenen aktuellen dritten Album „The Sweetest Hangover“ auf Tour und begeistert ihr Publikum mit reichlich Musikentertainment. Im schwäbischen Augsburg bei herrlichem Sonnenschein nach einem deftigen Weißwurstfrühstück stand Miss Platnum motor.de Rede und Antwort zu ihrer Story:
motor.de: Hallo Ruth. Schön dich zu treffen. Was würdest du denn bei so schönem Wetter machen, wenn du nicht gerade auf Tour wärst?
Miss Platnum: Wahrscheinlich würde ich versuchen in irgendeinen Park zu gehen, aber eher bin ich auch bei schönem Wetter im Studio anzutreffen, wenn ich nicht auf Tour bin.
motor.de: Du hast eine sehr turbulente Vergangenheit hinter dir. Wie ging’s denn los mit der Musik?
Miss Platnum: Ich habe anfangs Klavier gelernt. Mit 16 oder 17 Gesangsunterricht genommen, bis es immer mehr Spaß machte und viele sagten, dass ich wirklich Talent habe. Vor allem meine Lehrerin, die Amerikanerin Jocelyn B. Smith, hat mich zusätzlich ermutigt den musikalischen Weg zu gehen. Irgendwann kamen dann Angebote von überall her. Anfangs bin ich da ein bisschen hineingerutscht und bekam die ersten Jobs als Background- oder Studiosängerin bis ich dann über Mund-zu-Mund-Propaganda immer bekannter wurde.
motor.de: Wie standen deine Eltern dazu? Haben sie dich unterstützt?
Miss Platnum: Wie es halt immer so ist, fanden sie es erwartungsgemäß nicht so toll. Ein Studium hätte ihnen natürlich besser gefallen. Ich war allerdings schon immer jemand, der eher mit dem Kopf durch die Wand wollte und meinte dann: “Wenn ihr mich nicht unterstützen wollt, ist mir das egal. Ich mach auf jeden Fall mein Ding!” Dann bin ich ausgezogen und wollte ihnen beweisen, dass ich es schaffen kann. Als sie schließlich sahen, dass ich Biss habe und etwas zu Stande kriege, zollten sie mir schließlich auch Respekt.
motor.de: Inwieweit denkst du, hat dich der Berliner Flair geprägt?
Miss Platnum: Berlin hat einen großen Anteil an meiner Persönlichkeit. Berlin hat etwas Ranziges und manchmal sehr Chaotisches. Es ist durcheinander und vielfältig. Trotzdem findet immer irgendwie jeder sein eigenes besonderes Plätzchen und kann alles Mögliche ausprobieren. Berlin will, glaube ich irgendwie, dass man auffällt und sich so auffällig wie möglich verhält. Es herrscht dort so ein großes Freiheitsgefühl, was mich unglaublich beeinflusst hat.
motor.de: In deiner Musik vereinst du R’n’B, Dancehall und Folklore. Wie rumänisch würdest du denn deine Musik bezeichnen?
Miss Platnum: Das Rumänische schwingt immer mit, weil ich von dort komme und auch immer noch hinfahre. Es ist kein Land, an das ich mich nur erinnere und davon zehre. Es ist im Alltag vorhanden und wahrscheinlich auch in meinem Charakter und meiner Mentalität.
motor.de: Mit Seeed, Peter Fox und als Solokünstlerin bist du gerade in drei recht erfolgreichen Projekten eingespannt. Wie sehen denn deine Zukunftspläne aus?
Miss Platnum: (überlegt lange) Auf jeden Fall will ich selbst noch ein Album machen. Wann ich allerdings damit anfange, weiß ich noch nicht genau. Richtig Zeit haben werde ich wahrscheinlich erst im September. Momentan bin ich die ganze Zeit unterwegs: Im Mai mache ich eine kleine Pause, bevor dann im Sommer die Festivals losgehen. Erst dann werde ich mich an das neue Album machen und konkrete Überlegungen anstellen.
motor.de: Dein erstes Album wird in vielen Medien als „Flop“ tituliert. Wie ging es dir persönlich nach dem ersten Sologang?
Miss Platnum: Es war für mich natürlich eine riesige Enttäuschung. Ich war damals, noch sehr jung (*1980) und es war mein allererstes eigenes Album – das ist für jeden etwas besonderes, weil man sehr viel Hoffnung hineinlegt. Im Nachhinein bin ich jetzt aber total relaxt und kann teilweise darüber lachen. Damals war es allerdings schon hart. Es war Glück im Unglück, denn nur durch diesen Flop und das Redigieren meiner Musik bin ich auf die Idee gekommen, Balkan und R’n’B zu mischen – das, was Miss Platnum im Grunde jetzt ausmacht. Der Flop war quasi ausschlaggebend für das, was ich jetzt bin.
motor.de: Was genau hast du denn im Laufe der Zeit verändert?
Miss Platnum: Bei den ersten Alben geht man grundsätzlich ein bisschen naiver an die ganze Sache ran. Meine Produzenten spielten mit dem Balkan/R’n’B-Sound etwas herum und ich legte damals noch viel Wert darauf, dass das Album möglichst schrill, laut und doll wird, damit ich dadurch Aufmerksamkeit bekomme und in der Masse nicht untergehe. Bei der dritten Platte fängt man wieder an darüber nachzudenken. Ich wollte den Sound, den wir kreiert haben, auf dem neuen Album perfektionieren. Deswegen arbeitete ich auch mit dem Orchester sowie Boban und Marko Markovich, die Koryphäen in ihrem Business sind, zusammen. Mittlerweile ist alles viel größer geworden und es verändert sich auch viel im Leben. Ich will nicht sagen, erwachsener geworden zu sein, aber man lernt einfach dazu, hat mehr Erfahrung und ist bei manchen Sachen entspannter. Das, glaube ich, schwingt momentan überall so ein bisschen mit.
motor.de: Ist es dir denn wichtig, dass du mit deiner Musik den Leuten eine Botschaft mit auf den Weg gibst?
Miss Platnum: Naja nicht unbedingt. Mir ist vor allem wichtig, dass die Texte das aussagen, was mich ausmacht. Natürlich freue ich mich, wenn Leute mit meinen Texten was anfangen können. In allererster Linie schreibe ich aber für mich. Ich finde es einfach schwierig, andersrum an die Sache heranzugehen und zu sagen: “Was ist meine Zielgruppe und was wollen die von mir hören?”
motor.de: Willst du vielleicht auch mal auf Deutsch oder Rumänisch singen?
Miss Platnum: Geplant ist es bist jetzt noch nicht. Für andere Leute singe ich ja bereits Deutsch. Momentan fällt es mir noch schwer, selbst deutschsprachig zu texten, da ich davor wirklich riesengroßen Respekt habe. Die Sprache ist unglaublich komplex und auch sehr schnell peinlich. Es gibt sicher viele Leute, die auch auf Deutsch gut texten können, allerdings hab ich mich noch nicht ran gewagt.
motor.de: Deine Auftritte sind geprägt durch großes Seeed-ähnliches Entertainment. Was würdest du zu der Schlagzeile „Miss Platnum – Die Lady Gaga Deutschlands“ sagen?
Miss Platnum: Also ich hab ja schon vieles gehört – vor allem ist immer wieder „Missy Elliott des Balkans“ gefallen. „Lady Gaga Deutschlands“ – (überlegt) Das würde ich nicht unbedingt von mir behaupten, verstehe aber durchaus, warum man so etwas behaupten könnte. Ich glaube aber, dass ich nicht so sehr auf Style getrimmt bin wie sie. Ich finde die Frau zwar total geil, jedoch sind ihr Themen wie Style, Mode und Fashion viel wichtiger als mir.
motor.de: Gab oder gibt es denn Künstler, die du dir als Vorbild genommen hast oder nimmst?
Miss Platnum: Ich finde immer wieder Kleinigkeiten an Leuten und ihrer Musik toll. Am meisten aber versuche ich die Inspiration aus mir selbst herauszuholen. Ich will nichts kopieren. Selbst als Teenager hatte ich nie Poster von irgendjemandem in meinem Zimmer hängen. Jetzt, da ich mit Miss Platnum eine eigene Marke geschaffen habe, will ich auch so weitermachen.
motor.de: Hast du denn irgendwelche Rituale vor dem Auftritt?
Miss Platnum: Einsingen, Schminken und einen kleinen Schnaps oder Champagner trinken, um sich so ein bisschen aufzutauen. Aber keine wirklichen Rituale.
motor.de: Was hat es denn mit dem bei MySpace erwähnten Pflaumenschnaps auf sich?
Miss Platnum: (lacht) Auf Tour bekommen wir meistens nur Wodka oder so was ähnliches. Es wäre allerdings schön, wenn es immer Pflaumenschnaps wäre, aber den kriegen wir meistens nicht. Normalerweise trinken wir am liebsten den Original-selbstgebrannten aus Rumänien.
Interview: Florian Kroha
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