Oliver Koletzki ist schon lange kein Unbekannter mehr. Mit “Großstadtmärchen 2” veröffentlichte er bereits sein drittes Album in vier Jahren, das eher durch Pop als durch Techno beeinflusst ist – im motor.de-Interview spricht er über die Entstehung der Platte und seine eigene Entwicklung.
(Fotos: Marcus Höhn)
Kurz vor der Veröffentlichung von “Großstadtmärchen 2” lädt Oliver Koletzki zum Interview in den noblen Whisky Room des Michelberger Hotels in Berlin. Er wirkt ausgesprochen gut gelaunt und munter. Kein Wunder – war doch der Erfolg in den letzten Jahren auf seiner Seite. Mit dem Techno-Song “Mückenschwarm” und der Veröffentlichung des Tracks auf Cocoon gelang sein Durchbruch. Seitdem scheint der Lauf kein Ende zu nehmen: Mit dem Werk “Großstadtmärchen” sollte sein Name auch bei den Letzten angekommen sein. Auch wenn er in der Zeit etwas von seinem eigentlichen Weg abgekommen ist und nun einen poppigeren Stil einschlägt, was besonders dem Langspieler “Lovestoned” zusammen mit der Musikerin Fran – die er im letzten Jahr geheiratet hat – anzuhören ist, hat das Gründe: Mehr Leute erreichen und sich neuen Herausforderungen stellen. Er gründete daraufhin sein eigenes Labels Stil vor Talent sowie die Band The Koletzkis und zeigt damit, dass noch genügend Energie für weitere Projekte in ihm steckt. Ob schon ein weiterer Geniestreich vorbereitet wird, verrät er im Gespräch. Aber auch die Details der Produktion der neuen Platte, die Entwicklung seiner Musik hin zum poppigen Stil und seine Sicht auf den deutschen Musikmarkt wurden uns nicht vorenthalten.
motor.de: Warum hast du dich für eine Fortsetzung von Großstadtmärchen entschieden? Was hat dich an dem Thema gereizt?
Oliver Koletzki: Mir hat es vor drei Jahren viel Spaß gemacht mit verschiedenen Sängern zusammenzuarbeiten. Das war eine schöne Erfahrung. Das Album “Lovestoned” zusammen mit meiner Frau Fran hat auch viel Spaß gemacht, aber irgendwie ist es toll, dass zu jedem meiner Stücke jemand anderes gesungen hat. Und da es sowieso das selbe Konzept ist, dachte ich mir, ich kann es einfach “Großstadtmärchen 2” nennen. Denn der Name ist gut gelungen und das Album war erfolgreich. Die Leute hatten es also schon auf dem Schirm, auch wenn ich so meine Bedenken mit Fortsetzungen hatte, da diese meist nicht mit dem ersten Teil mithalten können.
motor.de: Wonach suchst du dir die Künstler aus? Nach welchen Kriterien gehst du vor?
Oliver Koletzki: Es waren größtenteils befreundete Musiker gewesen, die ich persönlich kenne, was mir sehr wichtig ist. Ich habe absichtlich nicht auf Namedropping gemacht, um das Album damit zu pushen. Es sollten Leute sein, die ich kenne. Teilweise sind auch Sänger vom ersten Teil dabei, wie zum Beispiel Juli Holz, Fran oder auch Axel Bosse, den ich noch aus meiner Heimatstadt Braunschweig kenne. Teilweise sind auch neue Leute dazu gekommen wie Jan Blomqvist, der die erste Single vom neuen Album gesungen hat. Er zum Beispiel wurde mir empfohlen, daraufhin habe ich ihn in der Berliner Arena gesehen und war von seinem Gesang beeindruckt. So habe ich ihn dann kennengelernt. Jack The Rapper dagegen kennt man unweigerlich, wenn man mal in der Bar 25 oder im KaterHolzig war. Ich hatte schon länger geplant, mit ihm einen Track zu machen.
motor.de: Gab es auch Künstler, die dir absagen mussten oder die du noch gern dabei gehabt hättest?
Oliver Koletzki: Ja, es gab so ein, zwei Wunschkünstler, die aber relativ utopisch waren.
motor.de: Zum Beispiel?
Oliver Koletzki: Es brennt mir auf der Seele, mal einen Track mit Thom Yorke von Radiohead zu machen. Das ist ein ganz großer Traum, aber dafür bin ich wahrscheinlich noch ein bisschen zu unbekannt. Ansonsten habe ich noch Fritz Kalkbrenner gefragt und ihm auch drei Lieder geschickt, wovon ihm eines ganz gut gefallen hat. Aber irgendwie ist es dann nichts geworden, da er momentan auch sein eigenes Album rausbringt. Das hat leider nicht ganz gepasst.
Oliver Koletzki – “The Devil In Me” (feat. Jan Blomqvist)
Mehr Videos von Oliver Koletzki findet ihr auf tape.tv!
motor.de: Ist es nicht schwerer mit anderen Künstler zusammen an einer Platte zu arbeiten, da jeder seinen eigenen Einfluss mit einbringen möchte, als einfach allein sein eigenes Ding durchzuziehen?
Oliver Koletzki: Nein, für mich ist es sogar leichter, weil ich unbedingt wieder ein Album mit Gesang machen wollte, selber aber keine Texte schreiben und nicht singen kann. Da ist es praktisch mit Musikern zusammenzuarbeiten die beides können. Es entsteht dabei eine Symbiose, eine Eigendynamik, was sonst niemals entstanden wäre und genau darauf kommt es mir an. Es ist manchmal vielleicht etwas kompliziert, aber das macht die Großstadtmärchen aus.
motor.de: Wie läuft die Produktion der Songs ab? Schickst du den Musikern schon Vorschläge wie du es bei Kalkbrenner gemacht hast oder entstehen die Songs in einigen Fällen auch gemeinsam?
Oliver Koletzki: Die Songs entstehen in den seltensten Fällen gemeinsam, weil ich gerne allein daran arbeite und erst einmal ein Instrumental schreibe. Ich gehe ins Studio, schreibe ein paar Tracks und dann, wenn sie fertig sind, überlege ich welcher am besten zu welchem Sänger passen könnte. Zum Beispiel bei “Fifty Ways To Leave Your Liver” ist es musikalisch eine Parodie auf Warren G geworden und ich dachte zuerst an Jake, schickte ihm die Aufnahme und er sagte sofort zu. Wenn die Musiker den Song bekommen und ihn gut finden, entwickeln sie einen Text und eine Gesangsmelodie dazu, singen ihn erst einmal provisorisch ein und schicken mir das Ergebnis zurück. Daraufhin stimmen wir uns gemeinsam ab und nehmen dann den Gesang professionell auf. Mit dem produzierten Material setze ich mich darauf wieder ins Studio und feile noch etwas an dem Titel bis er mir gefällt.
motor.de: Die Platte ist im Vergleich zu deinen ersten Produktionen, die noch durch Techno bestimmt waren, recht poppig. Warum?
Oliver Koletzki: Es ist bewusst poppiger, weil ich möglichst viele Leute erreichen möchte. Auch wenn der Gedanke kommerziell klingen mag. Ich will – da ich im Techno schon so viel erreicht habe – es nun auch im Pop-Buisness wissen, aber auf einer coolen Art und Weise. Es geht dabei nicht um platte Chart-Songs, sondern um einen gewissen Anspruch und auch Background. Das probiere ich jetzt einfach.
motor.de: Es finden sich auf deiner neuen Platte auch sehr viel Einflüsse aus Disco, Funk, Soul der 70er, 80 er Jahre. Woher kommt das?
Oliver Koletzki: Ich bin 1974 geboren und dadurch ein Kind der 80er und liebe die Musik dieser Zeit. Besonders Slap-Bass, E-Pianos und Streicher finde ich klasse. Ich wollte ein abwechslungsreiches Album und gerade in der heutigen Zeit der illegalen Downloads muss man den Leuten etwas bieten und sie davon überzeugen, das Geld dafür auch auszugeben. Ich wollte ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sodass genügend Songs mit verschiedenen Stilen und Sängern drauf sind.
motor.de: Aufgrund der modernen Medien werden eher einzelne Songs gekauft als ganze Alben. Wie siehst du diese Entwicklung?
Oliver Koletzki: Als Künstler finde ich es traurig, da ich möchte, dass die Platte als Gesamtkunstwerk gesehen wird. Andererseits habe ich aber auch totales Verständnis dafür, dass die jungen Leute nicht so viel Geld haben und finde es auch gut, dass es Plattformen gibt, auf denen man einzelne Songs erwerben kann. Zumindest ist es besser, als das illegale Downloaden. Meiner Meinung nach müsste auch mehr von staatlicher Seite passieren, um den Menschen bewusst zu machen, dass es moralisch nicht vertretbar ist. Ich habe zum Beispiel hart an dem Album gearbeitet und viel Zeit darin investiert. Es sollte gewürdigt werden, dass der Künstler einen großen Aufwand betrieben hat, ehe der Langspieler in der Form erhältlich ist.
Oliver Koletzki – “Join That Spin” (feat. Björn Störig)
motor.de: Wie steht es aus deiner Sicht um den Labelmarkt in Deutschland?
Oliver Koletzki: Besonders im elektronischen Bereich entstehen viele neue Plattenfirmen, aber es verschwinden auch ebenso viele wieder. Das liegt vor allem daran, dass diese meistens ohne Erfahrung gegründet werden und dann schnell merken, dass es nicht so läuft, wie sie sich das vorstellen. Der Markt wird überflutet von Produktionen und das funktioniert nicht lange.
motor.de: Wie ist es bei deinem Label Stil vor Talent?
Oliver Koletzki: Wir haben gut durchgehalten, nie aufgegeben und auf Qualität geachtet. Wir bringen immer noch Künstler raus und haben auch den Fokus darauf physische Tonträger zu verkaufen. Denn wir lieben Vinyl, wir machen nach wie vor Full-Cover und konzentrieren uns trotzdem mehr auf CD- und Albenthemen. Es ist natürlich eine Firma und muss daher auch Gewinn machen. Deshalb müssen wir auch wirtschaftlich denken und haben mehrere Agenturen beauftragt, die ständig für uns das Internet nach Bad Links scannen und löschen. So sind die Leute darauf angewiesen, die Platten zu kaufen. Es ist ein ständiges Katz und Maus-Spiel.
motor.de: Du kamst von einer Bankkaufmann-Ausbildung, wurdest zum Techno-Produzenten, Label-Betreiber und hast sogar eine eigene Band. Womit können wir denn bei dir noch rechnen?
Oliver Koletzki: Ich hab schon etwas erreicht, was ich mir nie hätte träumen lassen. Musik habe ich schon immer gemacht. Mein erstes kleines Album habe ich mit 13 geschrieben. Bis zu meinem 30. Lebensjahr habe ich Lieder geschrieben, wofür sich kaum jemand interessierte. Erst mit 30 wurde man auf mich aufmerksam. Das Label war auch nie geplant. Es war eher eine spontane Idee zusammen mit Freunden. Wo wir heute stehen, dass wir jetzt schon beim 75. Release sind, dass sich wirklich alles so aufgebaut hat und das alles so eine gute Entwicklung genommen hat, daran war nie zu denken. Wir hatten nie eine große Werbemaschine, es kam auf einer ganz natürlichen Weise und durch viel Arbeit. Genauso war es mit der Band. Wir waren ein Haufen Kiffer, alle hatten Lust mit zu machen und haben teilweise die Instrumente erst gelernt. Ich hatte Lust etwas mit Freunden zu machen und das ist bis heute so geblieben. Das was ich erreicht habe, kam dann einfach so und ist ganz gut gelaufen. Ich will kein Superstar werden und auch keine Millionen scheffeln. Ich bin mit meinem Leben glücklich. Ich kann auftreten und es soll alles so weiter laufen wie es ist, dann ist alles gut.
René Tauschke
(Fotos: Marcus Höhn)
No Comment